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Die Lehren von Hiroshima

Peter Philipp5. August 2005

60 Jahre nach dem Abwurf einer Atombombe auf die japanische Stadt Hiroshima am 6. August 1945 ist die Staatengemeinschaft zerstrittener über atomare Abrüstung als selten zuvor.

Hiroshima vier Wochen nach der Zerstörung durch eine A-BombeBild: AP

Es war ein exklusiver Kreis, zu dem die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates sich zusammengefunden hatten. Die gemeinsame Grundlage lag nicht in gegenseitiger Sympathie oder Zuneigung, sondern eher im Gegenteil: Im Argwohn und Misstrauen voreinander und der gegenseitigen Bedrohung. Aber doch wenigstens auch der Erkenntnis, dass man die tödliche Abschreckung nicht auch noch anderen ermöglichen sollte:

Der "Club" der fünf offiziellen Atommächte beschloss 1968, ein Nichtverbreitungsabkommen für Atomwaffen (NPT) zu schließen, nach dem sie sich verpflichteten, anderen Staaten jedes Material und jede Technologie vorzuenthalten, die geeignet wären, Atomwaffen zu entwickeln und herzustellen. Das Abkommen trat 1970 in Kraft und gilt inzwischen unbegrenzt. Knapp 190 Staaten sind dem Abkommen beigetreten, rund 150 davon haben es ratifiziert.

Schwachstellen

Zur Überwachung seiner Einhaltung wurde die UN-Atomenergie-Behörde (IAEA) gegründet, die mit Sitz in Wien Kontrollen in den betreffenden Ländern durchführt, vor allem in den 44 Staaten, die Atomreaktoren betreiben (Stand: 2003). Um diese Kontrollen effektiver zu gestalten, wurde 1997 ein Zusatz-Protokoll zum Nichtverbreitungsabkommen verabschiedet, das spontane und unangemeldete Kontrollen zulässt. Immerhin 80 Staaten haben dieses Zusatzprotokoll unterzeichnet, unter ihnen auch Ende 2003 der Iran, der auch zu den Signataren des "NPT" gehört.

Vom Ansatz her ein logisches und vernünftiges Konzept zur Eindämmung der Gefahr einer weltweiten Proliferation (Verbreitung) der atomaren Gefahr. In Wirklichkeit aber hatten die Abkommen Schwachstellen, die man bis heute nicht hat beseitigen können. So gibt es neben den "offiziellen" auch "inoffizielle" und "vermutete" Atommächte, solche, die sich um Atomwaffen bemühen und wieder solche, denen man dies unterstellt. Die Kontrollmöglichkeiten bei diesen vier Kategorien von Staaten sind alles andere als ausreichend und hier liegt die eigentliche Gefahr: Während man den ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates ja vielleicht noch Einsicht und Vernunft unterstellen kann, die atomare Gefahr einzudämmen, gibt es Staaten, die auch heute noch nukleares Potential anstreben und kultivieren, um damit Machtpolitik zu betreiben.

Unvergessliches Schreckensbild: Atombombenabwurf auf HiroshimaBild: AP

Lesen Sie im zweiten Teil über Israels Sonderweg, die Atommächte Indien und Pakistan sowie über die drohende Gefahr des Atom-Terrorismus.

Israels Sonderweg

Unterstellt wurden solche Motive dem Irak unter Saddam Hussein, der die ersten Schritte auf atomarem Gebiet ironischerweise mit französischer Hilfe machte, dessen Atomreaktor aber kurz vor seiner Inbetriebnahme 1981 von Israel zerstört wurde. Angebliche spätere Bemühungen des Irak um Atomwaffen wurden diesem zwar von den USA unterstellt - und als Rechtfertigung für den Irakkrieg benützt - sie konnten aber nie bewiesen werden.

Ein anderer Fall ist Israel: Auch mit französischer Hilfe hatte man dort bereits in den fünfziger Jahren begonnen, den ersten Atomreaktor in Dimona zu bauen. Man hielt die Welt und auch die amerikanischen Verbündeten aber jahrelang zum Narren und verheimlichte, dass man auch Atombomben entwickelte. Die USA begnügten sich mit unzulänglichen Kontrollen Dimonas und später damit, dass Israel offiziell dementierte, was inoffiziell längst feststand: Dass es über Dutzende nuklearer Sprengkörper verfügt und Atomtests in Zusammenarbeit mit dem Apartheid-Regime Südafrikas durchgeführt hat. Israel ist dem NPT nie beigetreten, es lässt aber begrenzte Kontrollen der IAEA zu.

Konfliktherd Kaschmir

Wieder anders gelagert ist der Fall von Indien und Pakistan: Beide Staaten sind zu Atommächten aufgestiegen, nachdem Indien im Mai 1974 seine erste Atombombe zündete. Wenig später folgte Pakistan, das die "islamische Bombe" einführte, um mit Indien im Konflikt um Kaschmir gleichzuziehen. Gerade dieser Konflikt machte die unkontrollierte Präsenz von Atomwaffen in der Region jahrelang zu dem wohl gefährlichsten Konfliktherd der Welt.

Nordkorea ist eine weitere Variante der nuklearen Proliferation: Mindestens seit den achtziger Jahren arbeitet Pjöngjang an der Entwicklung von Atomwaffen. Die Grundlagen dazu hat es von Pakistan erhalten, das sein Know-how auch an Libyen und den Iran weiter vermittelte. Die nordkoreanischen Aktivitäten werden geheim gehalten, lösen aber tiefes Misstrauen auf amerikanischer und sogar auf chinesischer Seite aus und es beginnen Sechs-Länder-Verhandlungen über die Einstellung des Programms. Erster Erfolg: Das Land tritt dem Nichtverbreitungsabkommen bei. Dann aber kommt der Rückfall: Washington kann beweisen, dass Nordkorea Uran angereichert hat und Präsident Bush bezeichnet das Land als Teil der "Achse des Bösen". Pjöngjang beendet die Verhandlungen, lässt keine Kontrollen der IAEA mehr zu, tritt aus dem NPT aus und erklärt schließlich 2003, dass es bereits über die Atombombe verfüge. Ob dies stimmt, bleibt unklar, nicht wenige Beobachter glauben aber, dass die Behauptung allein Nordkorea vor einem amerikanischen Angriff schützt.

Taktik des Iran

Ein Argument, das im Iran Anhänger gefunden haben dürfte: Nachdem US-Truppen in sämtlichen Nachbarstaaten des Iran stehen, verstärkt Washington seine Kampagne gegen ein angebliches iranisches Atomwaffen-Programm und zumindest vorübergehend wird mit einem US-Angriff gegen den Iran gerechnet, zumindest aber mit israelischen Luftangriffen auf iranische Atomzentren. Im Gegensatz zu Pakistan erklärt Teheran die Atombombe aber als "unislamisch" und beteuert, Atomforschung nur zu friedlichen Zwecken zu betreiben. Es hält sich an die Auflagen der IAEA und lässt Kontrollen zu, auf europäisches Drängen unterzeichnet Teheran auch das Zusatzprotokoll. Der amerikanische und israelische Druck lässt aber nicht nach und die Verhandlungen mit den Europäern bringen auch nach zwei Jahren keine Ergebnisse, so dass manche Kreise im Iran zu argumentieren beginnen, die Entwicklung von Atomwaffen könne sich - wie im Fall Nordkoreas - als wirkungsvollster Schutz erweisen.

Atom-Terroristen

Andere Staaten hatten zumindest vorübergehend nukleare Ambitionen, unter ihnen Libyen, Ägypten, Südafrika, Japan und Brasilien. Sie alle haben solche Pläne aber aufgegeben. Was nicht bedeutet, dass bei dieser oder jener Krise plötzlich in einem anderen Land nuklearer Appetit erwacht. Entsprechende Technologie ist auf dem Weltmarkt leicht erhältlich. Nicht nur aus Pakistan, sondern vermutlich auch aus dem Bereich der ehemaligen Sowjetunion. Und nicht nur Staaten könnten - so wird immer wieder gemutmaßt - an Atomtechnologie interessiert sein. Sondern auch Terrororganisationen.

Das Bild vom Atom-Terroristen ist allerdings wohl doch eher ein Schreckgespenst. Eher schon könnten konventionelle Terrorangriffe auf Atomkraftwerke und atomare Forschungszentren den erwünschten Effekt haben.

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