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Die "Letzte Generation" klebt wieder fest

25. Juli 2024

Drei Stunden lang war der Flughafen in Frankfurt am Main lahmgelegt – Klimaaktivisten hatten sich auf den Startbahnen festgeklebt. Damit kehren die Aktivisten der "Letzten Generation" zu alten Protestformen zurück.

Zwei Polizeiwagen sind hinter einem Zaum in der Morgendämmerung am Frankfurter Flughafen zu sehen
Polizeieinsatz in früher Morgenstunde - auf dem Flughafen in Frankfurt am Main am DonnerstagBild: picture alliance/dpa/TNN

Die Aktion dauerte insgesamt nur rund drei Stunden, aber die Folgen waren dennoch gravierend: 170 Flüge wurden am Flughafen Frankfurt am Main, dem größten deutschen Airport, am Donnerstag früh gestrichen. Der Grund: Sieben Aktivisten der Klimaorganisation "Letzte Generation"  waren in den frühen Morgenstunden auf die Start - und Landebahnen vorgedrungen und hatten sich dort festgeklebt.

Eine Aktion mitten im Sommerurlaubs-Verkehr

Der Zeitpunkt war aus Sicht der Aktivisten gut gewählt: In vielen deutschen Bundesländern haben in den letzten Tagen die großen Sommerferien begonnen, viele Familien machen sich auf den Weg in den Urlaub. Auch wenn um 8 Uhr am Morgen alle Bahnen wieder in Betrieb waren, bildeten sich in den Abfertigungshallen lange Schlangen. Bereits am Tag zuvor, dem Mittwoch, blockierten Klimaaktivisten den Flughafen in Köln/Bonn. Auch dort wurde der Flugverkehr zeitweise eingestellt. Die Organisation "Letzte Generation" bekannte sich zu den Aktionen, auch zu ähnlichen Störungen an Flughäfen etwa in London und Oslo. Auf der Plattform "X" heißt es in einem Post: "Die weltweite Förderung und Verbrennung von Öl, Gas und Kohle ist eine Bedrohung unserer Existenz. Wir haben uns international zusammengeschlossen: Raus aus den Fossilen bis 2030."

Greta Thunberg protestierte erstmals im August 2018 mit einem Schulstreik gegen den Klimawandel und löste eine globale Protest-Welle ausBild: Lucy North/empics/picture alliance

"Die letzte Generation" - benannt nach US-Präsidenten-Zitat

Wer sind die Aktivisten der "Letzten Generation"? Grob lässt sich sagen, dass ihre Mitglieder sich nach den großen Demonstrationen der internationalen Klimabewegung "Fridays for Future" um 2020 herum zusammenfanden. Angeführt von der jungen Schwedin Greta Thunberg  hatte "Fridays for Future" damals weltweit hunderttausende junge Menschen auf die Straßen gebracht und mehr Klimaschutz gefordert. In den Folgejahren gingen die Aktivisten der "Letzten Generation" dann dazu über, Straßen und Flughäfen zu blockieren, indem sie sich auf dem Boden festklebten oder den Verkehr anderweitig störten. Auch berühmte Gebäude oder Kunstgegenstände wurden Ziele der Attacken. Der Name der Gruppierung geht auf ein Zitat des früheren US-Präsidenten Barack Obama  von 2014 zurück. Der sagte damals: "Wir sind die erste Generation, die den Effekt des Klimawandels zu spüren bekommt, und die letzte Generation, die etwas dagegen machen kann."

Im November 2023 beschmiert eine Klimaaktivistin das Brandenburger Tor in Berlin mit FarbeBild: Annette Riedl/dpa/picture alliance

Der Klimaschutz verschwindet aus den Schlagzeilen

Ihre Aktionen fielen dann in eine Zeit, in der das Thema Klimaschutz aus den Schlagzeilen immer mehr verschwand. Zudem empfinden auch in Deutschland viele Menschen in Zeiten hoher Energiepreise, starker Inflation, vermehrter Kriege und wachsendem Populismus radikale Klimaforderungen offenbar als Zumutung. Aktionen wie eine Farbattacke auf das weltberühmte Brandenburger Tor in Berlin  im September 2023 erhitzten die Gemüter. Die Reinigung des Berliner Wahrzeichens kostete 150.000 Euro. International sind die Gruppenmitglieder gut vernetzt, Aktivisten auch in anderen Ländern greifen ebenfalls zu radikalen Mitteln, etwa beim Angriff auf das  Vermeer-Gemälde "Mädchen mit dem Perlohrring" in Den Haag.  Ein Aktivist hatte im Oktober 2022 versucht, sich an dem Gemälde festzukleben, was aber nicht gelang. Das Bild blieb unbeschädigt.

Auf einer Straße in Berlin wird eine Aktivistin der "Letzten Generation" im April 2023 von Polizisten von der Straße gelöst, nachdem sie sich dort festgeklebt hatte Bild: Olaf Schuelke/imago images

Bis zu 600 Aktivisten in Deutschland

Die "Letzte Generation" in Deutschland, deren Anhängerzahl auf etwa 500 bis 600 geschätzt wird, hatte auch wegen der einhelligen Ablehnung solcher Aktionen in der Öffentlichkeit zunächst im Frühjahr 2024 auf weitere Störungen auf Straßen und Flughäfen verzichtet. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte die Aktionen zuvor als "völlig bekloppt" verurteilt. Die Gruppe, die sich im Wesentlichen aus Spenden finanziert, war dann sogar zur Europawahl Anfang Juni angetreten, erhielt aber nur 0,3 Prozent der Stimmen. Bedeuten die neuen Aktionen in Frankfurt und Köln/Bonn jetzt, dass die "Letzte Generation" zu ihren alten Aktionsformen zurückkehrt?

Kritik an Protesten der "Letzten Generation"

03:11

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CDU-Politiker spricht von "kriminellen Klima-Chaoten"

Landespolitiker in Hessen, dem Bundesland, in dem der Flughafen Frankfurt am Main liegt, reagierten jedenfalls heftig auf die kurze Störaktion mit weitreichenden Folgen. Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) sagte: "Diesen unverantwortlichen und kriminellen Klima-Chaoten geht es einzig und allein darum, möglichst großen Schaden anzurichten. Und das auf dem Rücken tausender Urlauber, die sich auf ein paar Tage Ferien freuen."

Klima-Aktivistin Johnson verteidigt Aktion in der DW

Im englischen TV-Nachrichtenkanal der DW verteidigte die Aktivistin Lina Johnson am Donnerstag die Aktion. Zuvor hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD)  die Störung des Flughafens als "gefährlich, dumm und kriminell" bezeichnet. Johnson sagte dazu: "Ich würde die Regierungen in Deutschland und anderswo als eine wirkliche Gefahr und als die wahren Kriminellen bezeichnen. Denn sie verbrennen immer mehr fossile Energieträger und investieren in fossile Energie-Formen. Das ist ein kompletter Betrug an der jungen Generation." An die Adresse der frustrierten Fluggäste sagte sie: "Die Menschen, die in den Urlaub wollen, tun uns leid. Auch um die Verspätungen tut es uns leid. Aber wir alle tun so, als würden wir in einer Realität leben, die es so gar nicht mehr gibt."

Regierung plant Gesetzesverschärfung

Gerade erst in der vergangenen Woche hatte die Bundesregierung auf die vielen Störungen des öffentlichen Lebens in der Vergangenheit reagiert und eine Änderung des Luftsicherheitsgesetzes beschlossen. Wer künftig gewaltsam auf einen Flughafen eindringt und damit die "Sicherheit des zivilen Luftverkehrs beeinträchtigt", kann mit bis zu zwei Jahre Gefängnis bestraft werden. Bislang gab es dafür lediglich ein Bußgeld. Der Verschärfung muss der Bundestag aber noch zustimmen. Dort fordert die konservative Opposition noch härtere Strafen, wie der CDU-Innenexperte Günter Krings nach der Aktion in Frankfurt sagte: "Ein derartiges Strafmaß ist unangemessen milde. Erforderlich ist ein spürbar erhöhtes Mindeststrafmaß, um Strafen zu erreichen, die abschrecken." Die "Letzte Generation" will trotzdem vor allem im Herbst mit weiteren Aktionen auf sich aufmerksam machen.

 

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