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PolitikPolen

Polen: LGBTQ-Community wartet immer noch auf ihre Rechte

21. Juni 2024

Im Wahlkampf im Herbst 2023 hat Donald Tusk die LGBTQ-Community umworben. Die versprochene Liberalisierung lässt aber immer noch auf sich warten. Die Linke macht Druck, aber die Koalition ist gespalten.

Viele, vor allem jüngere Männer und Frauen der jährlichen Pride Parade in Warschau schwenken Regenbogenfahnen
Teilnehmer der jährliche "Gleichheits-Parade" marschieren am 15.06.2024 durch Warschau Bild: Czarek Sokolowski/picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Die Abgeordnete der Partei Neue Linke, Katarzyna Kotula, kämpft seit Jahren für die Rechte der LGBTQ-Personen in Polen. Seit sechs Monaten fungiert die 47-Jährige als Gleichstellungs-Ministerin in der Mitte-Links-Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk und will endlich Nägel mit Köpfen machen. "Die Entscheidung über den Gesetzentwurf muss bis Ende Juni fallen", sagte sie nach einem Treffen mit dem Chef des Koalitionspartners Polnische Bauernpartei (PSL) Wladyslaw Kosiniak-Kamysz. Beim Gespräch am Donnerstag (20.06.2024) in Warschau versuchte die Ministerin den konservativen Vizepremier und Verteidigungsminister umzustimmen und seine Vorbehalte auszuräumen. 

Mutiger Vorschlag der Ministerin

Kotulas Vorschlag enthält eine ganze Reihe von Erleichterungen für gleichgeschlechtlichen Paare, die für polnische Verhältnisse eine regelrechte Wende bedeuten würden. Zum Beispiel die Möglichkeit, eingetragene Partnerschaften zu schließen.

Die polnische Gleichstellungsministerin Katarzyna Kotula kämpft für LGBTQ-Rechte in PolenBild: Pawel Jaskolka/picture alliance / PAP

Außerdem gibt der Vorschlag homosexuellen Paaren das Recht, sich gegenseitig zu beerben, gemeinsam die Steuern abzurechnen und im Krankheitsfall Informationen über den Gesundheitszustand des Partners zu bekommen. Und die Ministerin geht noch einen Schritt weiter: Wenn eine Person in die Partnerschaft ein Kind mitbringt, soll der andere Partner das Recht erhalten, das Kind zu adoptieren.

Die Bauernpartei mauert

Besonders dieses letzte Zugeständnis will die Bauernpartei nicht mittragen. Am Freitag (21.06.2024) bekräftigte Kosiniak-Kamys seine Ablehnung: "Ich bin offen für weiteren Dialog. Es gibt aber auch eine rote Linie. Wir werden weder die Gleichsetzung der Partnerschaft mit der Ehe, noch die Adoption von Kindern akzeptieren", sagte er im Interview mit dem privaten Fernsehsender TVN.

Die PSL bildet zusammen mit der christlichen Gruppierung Polen2050 das Bündnis Dritter Weg, den zweitstärksten Partner in der Koalitionsregierung von Tusk. Viele Wähler der PSL stammen vom Land und aus den Kleinstädten. Sie denken konservativer als die Großstädter und hören oft auf die Geistlichen in ihren Kirchengemeinden.

Der Chef der Polnischen Bauernpartei (PSL) Wladyslaw Kosiniak-Kamysz ist stellvertretender Ministerpräsident und Verteidigungsminister Bild: Piotr Nowak/picture alliance / PAP

"Die Ehe besteht aus Mann und Frau. Wenn sich jemand das Leben anders gestalten möchte, kann er das tun. Es gibt aber keine Notwendigkeit, das zu legalisieren", sagt der PSL-Abgeordnete Marek Sawicki. Ohne Zustimmung der PSL kann aber Kotulas Entwurf nicht zu einer Regierungsvorlage werden und wird höchstens als Abgeordnetenentwurf ins Parlament kommen. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts IBRiS für die Zeitung Rzeczpospolita sprechen sich 63 Prozent der Befragten für eine gesetzliche Regelung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften aus.

Adoption von Kindern als rote Linie

Nach dem Treffen mit Kosiniak-Kamysz sorgte Kotula für Zuversicht. "Es war ein sachliches, gutes Gespräch. Wir haben einen kleinen Schritt nach vorn gemacht", sagte die Ministerin vor Journalisten. Die PSL-Fraktion soll nächste Woche über den Entwurf beraten. Die Politiker der Bauernpartei bestünden auf dem Unterschied zwischen einer Ehe und einer Partnerschaft. Auch die Adoption sei für PSL-Parlamentarier inakzeptabel.

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04:38

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Polen gehört neben Bulgarien, Rumänien, Litauen und der Slowakei zu den fünf Ländern in der EU, in denen gleichgeschlechtliche Partnerschaften nicht formalisiert werden können. Tusk hatte im Wahlkampf versprochen, dieses Thema in den ersten hundert Tagen nach seinem Amtsantritt zu lösen. Die PSL betont aber, dass diese Frage kein Gegenstand des Koalitionsvertrages sei.

"Nach dem Treffen gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Verabschiedung des Gesetzes über die eingetragenen Partnerschaften näher gekommen wäre", kommentierte am Freitag die Zeitung Gazeta Wyborcza.

Auch beim Abtreibungsrecht noch keine Fortschritte

Die ausbleibende Liberalisierung für die LGBTQ-Community ist nicht der einzige Grund für die tiefe Enttäuschung der Linken, die als der kleinste Koalitionspartner bei der Durchsetzung ihrer Vorhaben schlechte Karten hat. Mit Hinweis auf Europa- und Kommunalwahlen und die Gefahr, dass linke Projekte gemäßigte Wähler abschrecken könnten, wurden ihre Vorhaben bisher immer wieder auf die lange Bank geschoben.

Demonstranten gegen das restriktive Abtreibungsgesetz im Juni 2023 tragen Schilder mit den Namen von Frauen, die starben, weil ihnen die Abtreibung verweigert wurdeBild: Kacper Pempel/REUTERS

Das gilt auch für die angekündigte Liberalisierung des Abtreibungsrechts. Nach der ersten Lesung im April wurden vier Gesetzentwürfe an einen Sonderausschuss überwiesen. Die Abgeordneten arbeiten im Stillen, Ergebnisse sollen erst im Herbst vorgelegt werden.

Dabei sind sich Tusk und seine Koalitionäre in beiden Fällen - sowohl bei der Homo-Partnerschaft als auch beim Abtreibungsrecht - voll bewusst, dass am Ende des Verfahrens Präsident Andrzej Duda sein Veto einlegen wird. Das Staatsoberhaupt steht der früheren konservativen Regierung nahe.

Die Linke schwächelt

Auch die internationale Lage hat sich negativ auf die Durchsetzungskraft der polnischen Linken ausgewirkt. Der Krieg in der Ukraine stellte die Frage der Sicherheit in den Vordergrund und lenkte das Interesse der Menschen von weltanschaulichen Themen ab.  

Schwache Wahlergebnisse engen den Spielraum der Linken zusätzlich ein. Bei der Parlamentswahl am 15.10.2023 hatte sie noch 8,6 Prozent der Stimmen erhalten. Bei den Kommunalwahlen im April und der Europawahl Anfang Juni 2024 schrumpfte die Unterstützung auf jeweils gut sechs Prozent. In der Linke-Fraktion sind erste Stimmen zu vernehmen, die den Sinn der Koalition mit Tusks Bürgerplattform (KO) in Frage stellen. "Schwache Wahlergebnisse sind ein Preis dafür, dass die Linke zu höflich (gegenüber Tusk) ist", sagt etwa Adrian Zandberg von der Partei Razem (Gemeinsam), die zur Fraktion der Linken gehört.

Die innere Schwäche der Koalition ist kein gutes Zeichen vor der Präsidentenwahl im nächsten Sommer. "Umso mehr, als es in der Parlamentsfraktion der Linken nicht an Personen fehlt, die lieber heute als morgen zur Bürgerplattform überlaufen würden, wenn ihnen Tusk grünes Licht geben würde", schreibt die Wochenzeitung Polityka. Die beiden größten Blöcke - die Bürgerplattform von Tusk und die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Jaroslaw Kaczynski sind dafür bekannt, dass sie die kleineren Koalitionäre schwächen, um sie dann zu schlucken.

Jacek Lepiarz Journalist in der polnischen Redaktion mit Schwerpunkt auf deutsch-polnischen Themen.