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Politik

Die Linke lässt Europa links liegen

22. Februar 2019

Wenn Sozialisten über die EU reden, klingt das nie wie eine Liebeserklärung. Schon gar nicht, wenn es um konkrete Politik geht. Keine gute Voraussetzung für den Parteitag der Linken. Ein Ausblick von Marcel Fürstenau.

Symbolbild Flagge EU Erosion
Das Europa-Bild der Linken ist voller RisseBild: Imago/R. Peters

Drei Adjektive schmücken die Titelseite des ersten Programm-Entwurfs der Linken zur Europa-Wahl: sozial, friedlich, demokratisch. So wünscht sich die Partei den Kontinent - aber so ist er in ihren Augen nicht einmal ansatzweise. Deshalb sei ein Neustart der Europäischen Union (EU) nötig, mit einer vollständigen Revision jener vertraglichen Grundlagen, "die militaristisch, undemokratisch und neoliberal sind".

Diese Formulierung stand noch vor wenigen Tagen in dem mehrmals überarbeiteten Leitantrag für den an diesem Freitag beginnenden Europa-Parteitag in Bonn. Manchen in der Partei war diese Wortwahl aber schlicht zu negativ. Deshalb drängten sie auf weniger abschreckende Formulierungen. Man müsse den Wählern auch positive Botschaften senden, verkündete der noch immer prominenteste Linken-Politiker: Gregor Gysi. Der ehemalige Fraktionschef im Bundestag ist immerhin Vorsitzender der Europäischen Linken (EL).

Gysi appelliert an die "Verantwortung" der Wähler   

Gysis Befund: Die deutsche Linke werde zu wenig als proeuropäisch wahrgenommen, eine Anspielung auf die teilweise abschreckend wirkende Rhetorik. Der inzwischen 71-Jährige lancierte deshalb kurz vor dem Parteitag eine freundlicher klingende Botschaft: "Ja: Wir sind Europäerinnen und Europäer". Gysi und vier weitere Linke haben den achtseitigen Appell verfasst, darunter die Vorsitzende der EL-Fraktion im Europa-Parlament, Gabi Zimmer.

Gregor Gysi, Vorsitzender der Europäischen Linken, redet seinen Genossen mal wieder ins GewissenBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Vordergründig will das sozialistische Autoren-Kollektiv die Deutschen dazu bewegen, bei der Europa-Wahl am 26. Mai überhaupt ihre Stimme abzugeben. Sie sollten nicht nur ihr Recht wahrnehmen, "sondern auch ihre Verantwortung", die EU nicht den Rechten zu überlassen. Denn das ist die größte Sorge aller Linken: dass rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien künftig im Europa-Parlament den Ton angeben.

Der Vorwurf des "Militarismus" bleibt

Das Papier ist aber auch ein unverkennbarer Appell an seine Genossen, auf dem Parteitag ein bunteres Bild von Europa zu zeichnen. Gysi hält es für verfehlt, die EU als "militaristisch" zu brandmarken. Solange noch keine europäische Armee existiere, könne man davon nicht sprechen. Die mahnenden Worte der grauen Eminenz scheinen ihre Wirkung nicht ganz verfehlt zu haben. Denn im nochmals überarbeiteten Programm-Entwurf ist die grundsätzliche Kritik an der EU-Politik weniger zugespitzt formuliert.

"Für ein ganz anderes Europa" - der Entwurf zum Wahlprogramm der Linken Bild: DW/M. Fürstenau

Die Vokabel "militaristisch" wurde ganz gestrichen. Stattdessen verlangt die Linke, alle vertraglichen Grundlagen zu revidieren, "die zur Aufrüstung verpflichten und auf Militärinterventionen orientieren". Was weniger scharf rüberkommt, bleibt inhaltlich aber doch das Gleiche: der Vorwurf des Militarismus. Das letzte Wort über den endgültigen Text des Wahl-Programms haben ohnehin die Delegierten auf dem Bonner Parteitag.

Das Ziel, mehr Interesse für die Europa-Wahl zu wecken, dürfte die Linke mit ihren semantischen Verrenkungen nur schwer erreichen - zumal sie keine zugkräftigen Politiker ins Rennen schickt. Um den Spitzenplatz bewirbt sich auf dem Parteitag der in Deutschland weitestgehend unbekannte EU-Parlamentarier Martin Schirdewan. Andere Parteien setzen stärker auf Prominenz, vor allem die SPD mit Bundesjustizministerin Katharina Barley.

Varoufakis zeigt der Linken die kalte Schulter

Mehr Statur und Profil hätte der Linken einer geben können, der ihnen politisch besonders nahe steht, aber keinen deutschen Pass hat: Yanis Varoufakis. Das Werben um den auch hierzulande sehr bekannten ehemaligen griechischen Finanzminister war jedoch erfolglos. Der schillernde Wirtschaftswissenschaftler entschied sich für einen Alleingang mit dem deutschen Ableger seiner paneuropäischen Bewegung "DiEM 25". Damit nimmt man sich eher gegenseitig Stimmen weg, als den politischen Gegner zu schwächen. Und es verstärkt sich der Eindruck, dass die Linke Europa links liegen lässt. Wenn auch nicht absichtlich.  

Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland
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