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Die mühsame Wiedervernässung der Moore

Karin Jäger23. Juni 2015

Menschen legten lebensfeindliche Moore über Jahrhunderte trocken. Seit der Einfluss der Feuchtgebiete auf das Klima bekannt ist, werden sie "wiedervernässt". Doch Experten haben noch keine Patentlösung für den Prozess.

Moor Wiedervernässung
Wiedervernässungsmaßnahme durch einen Wasser stauenden TorfdammBild: Friedhelm Niemeyer/BUND Diepholzer Moorniederung

"Warum muss das Land, das unsere Vorfahren über Jahrhunderte mühsam trockengelegt und in Nutzfläche umgestaltet haben, wieder geflutet werden?" Regelmäßig bringen Bürger mit dieser Frage Moorexperten in Rage, erzählen Peter Germer und Friedhelm Niemeyer vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Fast ganz Norddeutschland war vor Jahrhunderten eine einzige Mordlandschaft, ehe Menschen durch Dämme und Drainagen das Land urbar machten. Durch die angestrebte starke Wiedervernässung werden Gebiete künftig nicht mehr begehbar. Das ist umweltpolitisch durchaus so gewollt.

Mühsamer Dammbau mit Bagger im MoorBild: Friedhelm Niemeyer/BUND Diepholzer Moorniederung

Doch ist die praktische Umsetzung äußerst schwierig, wie die internationalen Moorexperten beim Treffen im Europäischen Fachzentrum für Moor und Klima in Wagenfeld erfahren. Denn schon bei der Informationspolitik hapert es. Breite Bevölkerungsschichten wissen nichts von der immensen Bedeutung der Moore: Sie wirken als Hochwasserschutz, speichern neben Wasser klimaschädliches Methangas und bis zu 30 Prozent der gesamten Kohlenstoffvorräte. Und das, obwohl Moore nur drei Prozent des globalen Festlandes umfassen. Und sie bieten hochspezialisierten Pflanzen und seltenen Tieren Lebensraum.

Die Bevölkerung aufklären

"Man muss den Menschen die Angst vor den Mooren nehmen. Viele fürchten sich vor riesigen Flächen unter Wasser und drohenden Mückenschwärmen", gibt Gabriela Gramann vom Blumenerdenhersteller Gramoflor zu Bedenken.

Gramann lebt vom Torfabbau. Er wird trockengelegten Mooren entnommen und ist Hauptbestandteil von Blumenerde und Substraten. Zum Schutz der Moore und zur Renaturierung degenerierter Moorflächen hat das Unternehmen eine Stiftung gegründet.

Ein Pistenbulli mulcht moorschädliche JungbirkenBild: Friedhelm Niemeyer/BUND Diepholzer Moorniederung

Moorschutz als internationale Aufgabe

Viele Länder haben Moorschutzprogramme aufgelegt. Auch die Europäische Union (EU) fördert die Renaturierung der ehemaligen Feuchtgebiete (Life Projekt), denn es gibt nur noch wenig intakte Moore in Europa: Trockenlegung, Torfentnahme und Stickstoffeinträge durch die Landwirtschaft haben diese wichtigen Biotope nahezu gänzlich vernichtet. Selbst Moore in dünnbesiedelten Gebieten Lapplands und Sibiriens weisen starke Stickstoffeinträge auf.

Moortypisch: blühendes WollgrasBild: Friedhelm Niemeyer/BUND Diepholzer Moorniederung

"In Patagonien finden wir noch unberührte Moorlandschaften und keinerlei Stickstoffeinträge. Das ist nahezu einmalig", freut sich Wiebke Münchberger, die im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in Argentinien arbeitet. "Dort gibt es neben den typischen Torfmoos-Mooren, die wir aus Europa kennen, Polsterpflanzenmoore." Durch das Projekt sollen Kohlenstoff-, Nährstoff- und Wasserhaushalt erforscht werden. Die Wissenschaftler erhoffen sich auch Erkenntnisse für die Ökosysteme der Moore auf der Nordhalbkugel. "Was wir wissen, ist die Tatsache, dass die Systeme äußerst langsam reagieren", ergänzt Wiebke Münchberger.

Im Moor erwünscht: Torfmoos SphagnumBild: picture-alliance/blickwinkel/F. Hecker

Noch fehlen stanardisierte Methoden, um entwässerte Feuchtgebiete bei fortschreitendem Klimawandel zu renaturieren. Denn Moore brauchen regelmäßig Niederschläge. Und das Wasser darf nicht abfließen. Erst eine Wasserübersättigung führt zur Vernässung der Moore.

Wenig Forschung, wenig Planung, viele Probleme


"Vieles lässt sich schon nicht umsetzen, weil wir es mit Parzellierung und Hunderten von Eigentümern mit verschiedenen Interessen zu tun haben", beklagt Peter Germer. Hinzu kommt, so Germer, dass es unterschiedliche Richtlinien gibt für Naturschutzgebiete wie Natura2000 oder die FFH-Richtlinie. Denen zufolge sind bestimmte Arten geschützt - ausgerechnet in Gebieten, die wiedervernässt werden sollen, die ursprünglich in Mooren aber nicht heimisch waren.

Erfahrungsaustausch: Peter Germer (re.) und Nicko StraathofBild: DW/K. Jäger

Nicko Straathof berichtet von ersten Erfolgen bei der Wiedervernässung in den Niederlanden. Zwar sei das ursprünglich Uhrglas-förmige Hochmoor von Gräben zerschnitten. Das Land liege durch den Torfabbau an den Stellen bis zu fünf Meter tiefer. Doch der Einsatz von Holz stoppte die Entwicklung: "Viele Eichen, die einem Sturm in Frankreich zum Opfer gefallen waren, haben wir genutzt, um eine elf Kilometer lange Spundwand zu errichten", sagt Hydrologe und Geomorphologe Straathof schmunzelnd. Inzwischen haben sich wieder moortypische Pflanzen angesiedelt, auch Kraniche wurden gesichtet. Das Gebiet sei so nass geworden, dass man mit Maschinen nicht mehr durchfahren könne.

Die besonderen Fähigkeiten der Heidschnucken


"In den Niederlanden wird mehr geforscht und geplant. Da gibt es mehr Verständnis für die Vernässung", seufzt Friedhelm Niemeyer von BUND. Davon können Peter Germer und Friedhelm Niemeyer nur träumen: "Hier herrscht die Meinung vor, dass man für eine Fläche, auf der schöne Birken stehen, doch nichts ändern muss." Birken aber speichern viel Wasser und verhindern die Moorbildung. Gleichzeitig haben sie dadurch empfindliche Arten wie Glockenheide und Moosbeere vertrieben. Immerhin ist es gelungen, durch Heidschnucken die einsetzende Verbuschung auf den Torfböden einzudämmen. "Diese Schafsrasse ist robust und leicht, kann sich in dem nassen Gelände bewegen. Das Besondere aber ist, dass ihr Pansenvolumen um ein Drittel größer ist als bei anderen Schafen", erklärt Peter Germer. "Die Tiere brauchen viel Masse, um von dem nährstoffarmen Angebot im Moor satt zu werden. Deshalb sehen sie nach einem Tag auf einer Torfweide auch sehr füllig aus."

Exkursion im Moor: Dr. Mara Pakalne (li.) Friedhelm Niemeyer (re.)Bild: DW/K. Jäger

Dr. Mara Pakalne beschäftigt sich seit 15 Jahren intensiv mit Moorforschung. Die Biologin der Universität Riga hebt hervor, dass 49 Prozent der Fläche Lettlands aus Feuchtgebieten bestehen. Dort wurde Torf nur kurz nach dem Zweiten Weltkrieg zum Heizen gestochen, als Holz Mangelware war. Seit dem Niedergang der Sowjetunion haben sich allerdings Substrat- und Blumenerdenhersteller dort niedergelassen. "Das ist ein Problem", gibt Pakalne zu. Mit einem Lächeln fügt die Wissenschaftlerin hinzu: "Wir haben wunderbare Naturwanderwege angelegt. Das wollen wir zukünftig besser touristisch vermarkten. Und wir gehen auch an die Schulen, um schon den Kindern die Bedeutung der Moore zu vermitteln."

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