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Die Macht der organisierten Interessen

Kai Dreisbach17. März 2004

Wer in den USA Präsident werden will, braucht die Unterstützung mächtiger Interessengruppen. Doch wer sind diese Gruppen, wer unterstützt welchen Kandidaten und warum? Eine Bestandsaufnahme.

Politiker zeigen mitunter gern ihre Liebe zu WaffenBild: AP

"Die Vereinigten Staaten gelten als das Land der Interessengruppen schlechthin." Diese Aussage des Göttinger Politikwissenschaftlers Peter Lösche trifft erst recht auf die Zeit des amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfs zu. Dann schlägt die Stunde der organisierten Interessenvertreter, die alles daran setzen, "ihren" Kandidaten zu unterstützen, das Bewusstsein für spezielle Anliegen zu schärfen und die eigene Anhängerschaft zu mobilisieren. So heißt es etwa auf der Homepage der Lobbyorganisation America Coming Together (ACT): "Wir werden Millionen von Wählern mobilisieren, die auf jeder Ebene nein zur Agenda der Republikaner sagen werden."

Schattenwahlkämpfer

Der demokratische Präsidentschaftskandidat Senator John Kerry in New York US-WahlenBild: AP

ACT, der Media Fund und MoveOn.org sind Teil eines Netzwerks von Interessengruppen, die mit ausgedehnten Medien- und Wählermobilisierungskampagnen einen "Schattenwahlkampf" für den demokratischen Präsidentschaftskandidaten John Kerry führen. Finanziert werden ihre Aktivitäten durch Spenden reicher Einzelpersonen und Verbände. Allein der Media Fund und ACT haben nach eigenen Angaben bisher 70 Millionen Dollar gesammelt. Clyde Wilcox, Politikprofessor an der Georgetown University in Washington, DC und einer der renommiertesten Lobbyismus-Experten in den USA, erklärt: "Wenn diese speziellen Interessengruppen nicht wären, dann hätte Bush einen solchen finanziellen Vorteil, dass er kaum zu schlagen wäre."

Zu den größten Spendern gehört der amerikanische Gewerkschaftsbund AFL-CIO. Die traditionell den Demokraten verbundenen Gewerkschaften spielen jedoch nicht nur als Geldgeber eine entscheidende Rolle im US-Wahlkampf. Die offizielle Unterstützung der AFL-CIO für John Kerry ist von hohem symbolischem Wert. Noch wichtiger allerdings ist die Mobilisierung der immerhin 13 Millionen Gewerkschaftsmitglieder. Im Jahr 2000 waren Gewerkschafter die eifrigsten Werber für Al Gore und etwa zwei Drittel wählten ihn auch – womit sie allerdings nicht verhindern konnten, dass es George Bush war, der ins Weiße Haus einzog.

Loyale Unterstützer

Die Republikaner setzen derweil auf die Unterstützung ihnen nahe stehender Interessengruppen. So zum Beispiel auf die National Rifle Association, den Verband der amerikanischen Waffenlobby. Die NRA gehörte in den vergangenen Jahren zu den größten Wahlkampfspendern überhaupt. Sie unterstützt traditionell die republikanischen Bewerber, die anders als ihre demokratischen Kontrahenten Waffenkontrollgesetze in der Regel ablehnen. Von noch größerer Bedeutung ... ... ist die größte und aktivste konservative Lobbyorganisation der USA, die Christian Coalition of America. Für George Bush ist sie unersetzlich, um die überzeugten Anhänger der Republikaner zu mobilisieren – diejenigen, denen der "Schutz" von Religion und Familie am Herzen liegt und die Abtreibung und gleichgeschlechtliche Eheschließungen als mit allen Mitteln zu bekämpfende Übel ansehen. Um diese Klientel zufrieden zu stellen, hat George Bush unter anderem gerade das Verbot der Homo-Ehe auf seine Fahnen geschrieben.

George Bush Wahlkampf im FernsehenBild: AP

Damit hat er jedoch viele Schwulen- und Lesbenverbände gegen sich aufgebracht. Gelingt es John Kerry, die Unterstützung homosexueller Interessengruppen wie der 500.000 Mitglieder zählenden Human Rights Campaign zu erhalten, könnte dies von entscheidender Bedeutung für den Wahlausgang sein. Sicher hat der Kandidat der Demokraten bereits die Unterstützung von Umweltverbänden wie der League of Conservation Voters und dem Sierra Club, die in Medienkampagnen die Umweltpolitik der Regierung Bush scharf kritisieren. Allerdings ist der Einfluß von Naturschutzorganisationen insofern begrenzt, als sie eine Anhängerschaft vertreten, die ohnehin den Demokraten nahe steht. Bedeutsamer für den Wahlausgang ist daher die Haltung von Organisationen, die Themen von allgemeinem Interesse ansprechen.

Die "Zünglein an der Waage"

Eine der mächtigsten Lobbygruppen der USA ist die AARP, die "Amerikanische Vereinigung für Menschen im Ruhestand", mit rund 30 Millionen Mitgliedern. Sie gilt offiziell als überparteilich, hat in der Vergangenheit jedoch meist eine Präferenz für die demokratischen Kandidaten erkennen lassen. In diesem Präsidentschaftswahlkampf, so Clyde Wilcox, könnte das jedoch anders sein: "Bush scheint die AARP mit seinem Gesundheitsversorgungsplan für Senioren ‘gekauft’ zu haben. Zumindest wird sie dieses Mal nicht sehr aktiv gegen ihn arbeiten."

Entscheidender wird daher die Haltung von Interessengruppen sein, die Haushalts- und Steuerfragen thematisieren. Das enorme Haushaltsdefizit der USA wird ein Wahlkampfthema gegen Bush werden. Mächtige Lobbyorganisationen wie die Concord Coalition haben bereits Kampagnen gestartet, um dieses Problem ins Bewusstsein der Wähler zu bringen. Auf der anderen Seite werden die Republikaner und konservative Lobbyorganisationen wie die National Taxpayers Union behaupten, Kerry wolle die Steuern erhöhen. "Steuerfragen werden ein äußerst wichtiger Aspekt des Wahlkampfs sein", betont Wilcox. "Und die Steuerlobby wird eine entscheidende Rolle spielen." Und damit vielleicht dazu beitragen, dass nicht die großen ideologischen Streitpunkte, sondern Wirtschaftsfragen die Wahl entscheiden.

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