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Politik

Die Studentin und die Mauer

19. April 2017

Täglich hat sie es mit abgeschobenen Migranten an der Grenze zwischen den USA und Mexiko zu tun. Die Geschichten der Gestrandeten lassen die Freiwillige Jana Echterhoff nicht mehr los. Aus Nogales Alexandra von Nahmen.

Mexiko USA Grenzgebiet Nogales "Kino Border Initiative" | Grenzzaun
Bild: DW/A. von Nahmen

Schon am frühen Morgen bildet sich vor der Gittertür der Suppenküche eine Schlange. Immer mehr Menschen versammeln sich vor dem unauffälligen Gebäude, das nur wenige Hundert Meter entfernt vom US-Grenzübergang im mexikanischen Nogales liegt. Jana Echterhoff trägt eine gelbe Schürze, auf der ihr Vorname aufgenäht ist. Sie streicht sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Gleich geht es los", sagt die freiwillige Helferin.

Die Gittertür wird geöffnet. Schnell füllt sich der Raum. Es sind diesmal vor allem junge Männer, von denen viele erschöpft und abgeschlagen wirken. Manche tragen abgerissene Kleidungsstücke. Nur wenige Frauen sind darunter.

Seit 2008 hilft die katholische "Kino Border Initiative" - benannt nach dem italienischen Jesuitenpater Eusebio Kino - Migranten, die aus den USA nach Mexiko abgeschoben werden, weil sie versucht haben, die Grenze illegal zu überqueren. Jana Echterhoff hilft, das Frühstück zu verteilen. Es gibt Bohnen, Reis und Fleisch.

Helferin Jana Echterhoff mit dem Jesuitenpater Sean Carroll in der Anlaufstelle für MigrantenBild: DW/A. von Nahmen

Gefährliche Reise durch die Wüste

Jana Echterhoff bleibt an einem der Tische stehen, hört zu. In der Schule hat sie Spanisch gelernt, mehrere Praktika haben ihr Interesse an Lateinamerika geweckt. "Das Thema Migration hat mich auch schon immer interessiert. Dort, wo ich aufgewachsen bin, gehören Kinder aus Einwandererfamilien einfach dazu", sagt die 22-Jährige, die aus dem Ruhrgebiet stammt, und inzwischen in Maastricht "Globalisierung und Entwicklung" studiert. In Nogales sammelt sie Daten für ihre Masterarbeit. Was passiert mit den Migranten nach ihrer Abschiebung aus den USA? Wie hilft ihnen die katholische Kirche? Das sind Fragen, die die junge Deutsche interessieren.

"Ich wollte in die USA, um Geld zu verdienen. Ich will meiner Mutter helfen", erzählt der 27-jährige Xavier aus Honduras. Mit Hilfe eines Schmugglers hatte er sich auf die gefährliche Reise durch die Sonora-Wüste gemacht. Mehrere Hundert Dollar habe er dafür bezahlt, erzählt er. Für diejenigen, die Drogen schmuggelten, war die Passage umsonst. Das kam für ihn aber nicht in Frage, sagt er. Am Ende wurde er vom amerikanischen Grenzschutz gefasst und abgeschoben.

Jana Echterhoff hört solche Geschichten jeden Tag. "Die meisten, die hier ankommen, sind in einem schlechten Zustand. In der Wüste verletzen sich viele vor allem an den Füßen", erzählt die Studentin. Hinzu komme die Mangelernährung in der Abschiebehaft.

Besorgt wendet sie sich einem Jugendlichen zu, der sich auf einmal vor Schmerzen krümmt. "Er behauptet, ein amerikanischer Grenzschützer habe ihn mit einem Knüppel geschlagen", sagt Jana Echterhoff. Der Jugendliche bekommt einen Verband um die Hüfte. "Du musst ins Krankenhaus", erklärt ihm ein Freiwilliger, aber der Junge scheint nicht richtig zuzuhören.

Menschliche Tragödien

Warme Mahlzeiten, aber auch medizinische Hilfe und Rechtsberatung bietet die "Kino Border Initiative". "Unsere wichtigste Aufgabe besteht darin, den Menschen zuzuhören, sie wieder aufzurichten", sagt Sean Carroll. Der Jesuitenpriester leitet das Projekt, das auf beiden Seiten der Grenze - in Nogales, Arizona, und in Nogales, Mexiko - aktiv ist.

Jana Echterhoff pflichtet ihm bei: "Wir versuchen, ihnen Würde und Respekt zurückzugeben. Von den Behörden werden sie wie Schwerverbrecher behandelt, obwohl sie in tiefster Not sind." Was das mit einem Menschen mache, könnten wir uns gar nicht vorstellen, fügt die Studentin hinzu.

Sie erinnert sich an die Begegnung mit einer Mexikanerin, die - nach 15 Jahren ohne gültige Dokumente in den USA - ausgewiesen wurde, weil sie ihr Auto falsch geparkt und den Strafzettel nicht rechtzeitig bezahlt hatte. Seit der Amtseinführung von Präsident Donald Trump bekommen sie hier in Nogales immer mehr solche Fälle zu sehen. Es ist das erklärte Ziel der Regierung, Einwanderer ohne gültige Papiere abzuschieben, wenn sie straffällig geworden sind. Gleichgültig offenbar, wie groß das Vergehen war.

"Die Mexikanerin war total verzweifelt", erinnert sich Jana Echterhoff. "Mit Tränen in den Augen erzählte sie mir, dass sie zunächst nicht wusste, was mit ihren Kindern - 8 und 12 Jahre - passieren würde. Sie waren in den USA zurückblieben, und hatten dort auch ein Aufenthaltsrecht, weil sie dort geboren worden waren." Von den Behörden bekam sie keine Auskunft. Erst nach Wochen gelang es der Mutter, ihre Kinder nachzuholen. "Es sind menschliche Tragödien, die einem sehr nahe gehen", sagt Jana Echterhoff.

Zerrissene Familien: US-Amerikanerin Lace Rodriguez geht nach dem Besuch ihres Mann, der nach Mexiko abgeschoben wurde, wieder in die USA zurückBild: Getty Images

Nogales - eine geteilte Stadt

Im Mai wird ihre Zeit im mexikanischen Nogales nach drei Monaten zu Ende gehen. Aus erster Hand zu erfahren, was hier tagtäglich passiert, sei dramatisch gewesen, sagt die Studentin. Trumps rigide Einwanderungspolitik sieht sie mit großer Skepsis - ebenso wie seinen Plan, einen neuen "Schutzwall" entlang der Grenze zu bauen. Schon jetzt werden die beiden Zwillingsstädte - Nogales im mexikanischen Bundesstaat Sonora und Nogales in Arizona - durch einen Grenzzaun getrennt.

"Wenn ich am Zaun entlang unterwegs bin, und die Kreuze oder die Fotos sehe, die dort angebracht wurden, dann erinnert mich das schon an die Mauer, die in Deutschland stand", sagt Jana Echterhoff. Dass neue Barrieren die Menschen davon abhalten werden, über die Grenze zu gehen, glaubt sie nicht. Das werde die Situation in Nogales nur verschlimmern, daran hat sie keine Zweifel.

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