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Essen macht weltweit krank

Helle Jeppesen9. November 2015

Weltweit ernähren sich immer mehr Menschen ungesund - 800 Millionen hungern, rund zwei Milliarden sind mangelernährt, zwei Milliarden sind übergewichtig. Das hat Folgen für die Gesundheitssysteme.

Symbolbild Übergewicht bei Kindern
Bild: picture-alliance/dpa/M. Scholz

Der fünfjährige Malri aus Tansania ist zu dick. Seine Mutter Fadhila sieht darin kein Problem. "Wir sind alle ein bisschen rund. Das liegt in der Familie", sagt Fadhila, die selber übergewichtig ist.

Die Familie lebt in einer armen, ländlichen Gegend im Kilimandscharo Distrikt. Malri isst vorwiegend Fett und Kohlehydrate - Gemüse und Obst sind meist zu teuer für die Familie, erzählt seine Mutter. Der Fünfjährige hat einen Körpermasseindex (BMI) von über 30 und gehört damit zur weltweit wachsenden Risikogruppe der stark übergewichtigen oder adipösen Menschen. Als übergewichtig gilt, wer einen BMI über 25 hat, krankhaftes Übergewicht, auch Adipositas genannt, beginnt ab einem BMI von 30.

Jährlich, so schätzt die Weltgesundheitsorganisation WHO, sterben zweieinhalb Millionen Menschen an den Folgen von Fettleibigkeit. Bei einem kalorienreichen und nährstoffarmen Speiseplan und starkem Übergewicht ist das Risiko, an Diabetes und Herz-Kreislauf-Beschwerden oder verschiedenen Krebsarten zu erkranken um ein Vielfaches höher als für Normalgewichtige. Die WHO geht inzwischen davon aus, dass Übergewicht und Fettleibigkeit bereits heute mehr Todesfälle verursachen als Hunger.

Doppellast durch Hunger und Übergewicht

Malris Heimat Tansania gehört zu den Ländern, die ein doppeltes Ernährungsproblem haben. Wegen der großen Anzahl an unterernährten Menschen, stuft der neue Welthungerindex die Situation als "ernst" ein. Gleichzeitig wächst die Zahl der krankhaft übergewichtigen Menschen in Tansania.

Schwellenländer wie China und Mexiko haben in den vergangenen Jahren erfolgreich den Hunger reduziert, doch zur gleichen Zeit wuchs dort die Anzahl Übergewichtiger. Das ist nicht ungewöhnlich für Länder, in denen sich die Ernährungsgewohnheiten zunehmend hin zum Konsum von stark verarbeiteten und kalorienreichen Lebensmittel entwickeln, wie sie von multinationalen Großkonzernen weltweit angeboten werde, erklärt Roman Herre. Der Agrarexperte arbeitet für die Menschenrechtsorganisation FIAN und nennt ein Beispiel aus den Philippinen:

Kampf dem Übergewicht in Mexiko

02:00

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"Instantnudeln werden eher von den Armen gekauft, weil sie noch ein bisschen billiger sind als der heimische Reis. Es fragt sich nur, wie viele Nährstoffe in den Instantnudeln sind und wie viele im lokal angebauten Reis".

Menschenrecht auf gute Ernährung

Neben der Bekämpfung von Hunger gehören auch bessere Ernährung und nachhaltige Landwirtschaft zu den neuen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen, den sogenannten SDGs. Für die Organisation FIAN, die sich international vor allem für das Menschenrecht auf Nahrung einsetzt, ist es deshalb höchste Zeit, dass nicht nur das Phänomen Hunger, sondern auch die Qualität der Lebensmittel auf die internationale Agenda kommt:

"Gerade wenn man aus Menschenrechts-Sicht auf das Thema Ernährung schaut und fragt, was beinhaltet eigentlich ein Menschenrecht auf Nahrung, dann geht es auch darum, dass die Menschen ein Recht haben, qualitativ angemessene Nahrung zu sich zu nehmen", betont Roman Herre.

Ein Vergleich zweier Weltkarten verdeutlicht, dass unzureichende Ernährung ein globales Problem ist. Der aktuelle Welthungerindex zeigt die aktuelle Hungersituation in Entwicklungs- und Schwellenländern mit Farbskalierung, die Industrieländer bleiben weiß, da Hunger dort kein Thema ist. Doch genau dort ist der Anteil krankhaft Fettleibiger besonders hoch ist, deshalb erscheinen die Industrieländer auf der WHO-Karte über Fettleibigkeit tiefrot bis dunkel-orange.

Laut WHO sind zum Beispiel rund ein Drittel der US-Amerikaner extrem übergewichtig. In Europa sind es, je nach Land, jeder Fünfte oder Vierte.

Auch in den Industrieländern ist Fehlernährung in Form von Übergewicht vor allem ein Armuts- und Bildungsproblem. Während es in Asien zum Beispiel nährstoffarme Instantnudeln sind, die zum schlechten Ernährungszustand beitragen, essen ärmere Bürger in Industrieländern häufiger andere Fertigprodukte mit besonders hohem Fett-, Zucker- und Salzgehalt, zum beispiel Fast-Food-Produkte wie Hamburger, Pommes Frites oder Hotdogs oder billige Fertigprodukte wie Tütensuppen, Toastbrot oder Tiefkühlpizza. Das Ergebnis: Viele Übergewichtige, die gleichzeitig unterernährt sind, weil sie zu wenig Nährstoffe zu sich nehmen.

Ernährung ist Kindersache

Zu wenig Nährstoffe sind auch das Problem beim sogenannten "Stillen Hunger", der weltweit rund zwei Milliarden Menschen betrifft, erklärt Andrea Sonntag, Referentin für Ernährungspolitik der deutschen Nichtregierungsorganisation Welthungerhilfe.

"Ich fühle mich satt, ich merke vielleicht gar nicht, dass ich hungere, dass ich unterversorgt bin mit wichtigen Nährstoffen", so beschreibt Sonntag die Auswirkungen einer Ernährung, die ausschließlich auf Kalorienzufuhr ausgerichtet ist. Die Folgen sind verheerend.

"Der Körper wird viel schneller krank und entwickelt sich nicht so, wie es ein gesunder Körper tun würde. Das kann auch in späteren Jahren, wenn die Kinder dann als Erwachsene gut ernährt sind, nicht wieder aufgeholt werden", so Sonntag.

Die Folgen einer Mangelernährung als Kind bleiben ein Leben langBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Weltweites Ernährungsproblem

Die Zahlen sprechen für sich: Weltweit sind zwei Milliarden Menschen unterernährt und fast ebenso viele übergewichtig. Damit sind heute fast zwei Drittel aller Menschen falsch ernährt - mit negativen Folgen nicht nur für die persönliche Gesundheit, sondern auch für nationale Gesundheitssysteme und für die Wirtschaft. Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft etwa schätzt, dass Fettleibigkeit das deutsche Gesundheitssystem bis 2020 über 25 Milliarden Euro jährlich kosten wird. Die Experten sprechen von einer "Adipositas-Epidemie" in Deutschland, weil bereits mehr als die Hälfte der Deutschen übergewichtig oder adipös (fettleibig) ist.

Hauptursache: ein ungesunder Lebensstil mit zu wenig Bewegung und zu vielen Kalorien. Dieser Lebensstil ist in armen wie in reichen Ländern ein zunehmendes Problem. Während der Anteil von unterernährten und übergewichtigen Menschen zunimmt, wächst die Herausforderung an globale Gesundheitssysteme.

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