"Die Menschheit verlangt nach diesem Öl"
30. April 2010Die einzige sichere Möglichkeit, die noch bleibe, um die Umweltkatastrophe im Zaum zu halten, sei eine Entlastungsbohrung, sagt Joachim Oppert vom Institut für Erdöl- und Erdgastechnik der Technischen Universität Clausthal im Gespräch mit DW-WORLD.DE. "Die Reparatur der Lecks mit Hilfe von Tauchrobotern ist nicht gelungen", erklärt er und auch bei der versuchten Eindämmung des tonnenweise ausströmenden Rohöls durch eine Schutzglocke erhofft Oppert sich keine großen Erfolgschancen. "Mit einer Entlastungsbohrung würde man versuchen, das Bohrloch, aus dem gerade Rohöl ausfließt zu treffen. Dort wird dann Zement hineingeschüttet", erläutert Opperts Kollege Kurt Reinicke dieses Verfahren.
Drei Lecks in 1500 Metern Meerestiefe
Seit zehn Tagen versuchen zahlreiche Experten, den wachsenden Ölteppich aufzuhalten. Nach mehreren Explosionen auf der Bohrinsel "Deepwater Horizon" war die Ölplattform im Golf von Mexiko gesunken. Aus drei Lecks in 1500 Meter Meerestiefe strömen seither täglich fast 666 Tonnen Öl ins Meer. Noch etwa 57 Tage, dann habe die ausgetretene Ölmenge das Ausmaß der Ölkatastrophe von 1989 erreicht, wo aus dem verunglückten Tanker "Exxon Valdez" knapp 40.000 Tonnen Öl strömten und das Ökosystem an der Südküste Alaskas nachhaltig schädigten.
"Süchtig" nach Erdöl
"Die Menschheit verlangt nach diesem Öl", meint Matthias Reich vom Institut für Bohrtechnik und Spezialtiefbauausrüstung. Ölkatastrophen gebe es immer wieder, "weil die Menschen süchtig nach Kohlenwasserstoff sind", erklärt Reich im Gespräch mit DW-WORLD.DE. Die Suche nach Erdöl in den Meerestiefen sei einerseits gefährlich, auf der anderen Seite gebe es für diese Energieressource keinen Ersatz.
Trotz der Entwicklung von alternativen Energien seien die Menschen vom Erdöl abhängig. Sei eine Bohrinsel einmal außer Betrieb, könnten gleich ganze Versorgungssysteme zusammenbrechen und die Ölpreise steigen, schildert Reich die Bedeutung des Erdöls als zentrale Energiequelle.
Die Natur erholt sich von selbst
Der Ölteppich bedroht die Küste Louisianas und damit das dortige Ökosystem. Seevögel mit ölverklebten Federkleid und an den Strand gespülte tote Fische sind häufig die Folgen einer Ölkatastrophe. Länger als ein paar Jahre dauerten die Folgen der ausgetretenen Ölmassen allerdings nicht an, sagt Reich. "Die Erde hat gewisse Selbstheilungsmechanismen", erklärt er. Erdöl sei biologisch abbaubar und bereits nach einigen Jahren habe sich die Natur von der Katastrophe zumindest oberflächlich wieder erholt.
Die Abbauprozesse des Öls unter Wasser dauerten hingegen mehrere Jahrzehnte. Dabei gilt nach Reich die Regel: Wo es wärmer ist, verlaufen chemische Abbauprozesse auch schneller. Im Golf von Mexiko rechnet er deswegen mit einer Erholung des oberflächlichen Ökosystems innerhalb von ein bis zwei Jahren.
Es fehlen Sicherheitsvorkehrungen
Auf das begehrte Erdöl werde die Menschheit auch in Zukunft nicht verzichten, darin sind die Experten sich einig. "Wir kommen ohne das Offshore-Öl einfach nicht aus", betont Reinicke von der TU Clausthal. Klar ist für ihn, dass die Erdölförderung weiter vorangetrieben wird, immerhin mache die Nutzung von Erdöl über 50 Prozent des gesamten Energieverbrauches aus. Trotzdem zeige nicht nur die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko, dass sich "da etwas ändern" muss und über neue Sicherheitsvorkehrungen nachgedacht werden sollte.
Laut Reich werden die Bohraktivitäten weltweit verstärkt. Stimmen, wie die des US-Senators Bill Nelsons, die nach einem Bauverbot weiterer Bohrinseln rufen, sind seiner Meinung nach "populistisch". Bei einem tatsächlichen Verbot von weiteren Bohrinseln würde Energie wesentlich teurer werden, sagt Reich. Nur im Meer könne die Menge an Erdöl und damit an Energie gefunden werden, die die Menschheit verlange.
Autorin: Sina Schlimmer
Redaktion: Martin Schrader