1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Die Militarisierung der Polizei

Richard Walker (Washington) / bh16. August 2014

Die Behörden in Missouri haben den Namen des Polizisten bekanntgegeben, der vor einer Woche den 18-jährigen Afroamerikaner Michael Brown erschossen hat. Aber die Debatte dreht sich um mehr: um die Aufrüstung der Polizei.

USA: Tod eines schwarzen Jugendlichen, Protest in Ferguson, Polizeieinsatz 12.08.2014 (Foto: Getty Images)
Bild: Getty Images

Der afroamerikanische Bürgerrechtsaktivist John Lewis sagte laut, was viele Amerikaner dachten: "Dies ist weder China noch Russland oder der Kongo. Dies ist Amerika." Damit nahm er Stellung zu den Unruhen in Ferguson in der Nacht zu Donnerstag (14.08.2014), als die Straßen der Stadt im US-Staat Missouri sich in ein Kriegsgebiet verwandelt hatten.

Schockierend wirkten nicht nur das Tränengas, die Rauchbomben und die Molotowcocktails - es war vielmehr der Anblick der gepanzerten Wagen auf amerikanischen Straßen, umgeben von Polizeibeamten, die so schwer bewaffnet waren, als wollten sie in den Krieg ziehen.

US-Präsident Barack Obama unterbrach seinen Urlaub, um zur Ruhe zu mahnen. Justizminister Eric Holder sprach für das Weiße Haus, als er sagte: "In einem Moment, in dem wir das Vertrauen zwischen den Ordnungskräften und der Bevölkerung vor Ort wieder aufbauen müssen, beunruhigt es mich zutiefst, dass der Einsatz militärischer Ausrüstung und Fahrzeuge die gegenteilige Botschaft aussenden könnte."

"Kleine Armeen"

Das ist eine Sorge, die aus beiden politischen Lagern widerhallt. "Wir müssen die Lage entmilitarisieren", betonte die demokratische Senatorin Claire McCaskill aus Missouri. Und der republikanische Senator Rand Paul schrieb in der Wochenzeitschrift "Time Magazine": "Washington hat den Anreiz für die Militarisierung der Polizeireviere gegeben, indem es den Stadtverwaltungen Bundesmittel dafür gegeben hat, etwas aufzubauen, was im Wesentlichen kleine Armeeeinheiten sind."

"Hört auf, uns umzubringen": Protest in FergusonBild: Getty Images

Im Zentrum dieser "Militarisierung" steht ein Programm des Pentagon, das überzählige Waffen, Fahrzeuge und sogar Flugzeuge im Wert von Milliarden von US-Dollar aus dem Militär in Sicherheitskräfte in den ganzen USA geschleust hat - quasi kostenfrei. Es heißt "Programm 1033".

Ausrüstung gratis

Die Logistikabteilung des Verteidigungsministeriums (DLA) verwaltet dieses Programm, das seine Wurzeln in den frühen neunziger Jahren hat und örtliche Sicherheitsbehörden für den "Krieg gegen Drogen" ausstatten sollte. Ein paar Jahre später wurde es ausgeweitet und kennt nun "wenige Bedingungen und Beschränkungen", wie es bei der Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) heißt.

Sieht so eine Kleinstadtpolizei aus?Bild: Reuters

Die Homepage des Programms bejubelt seine Möglichkeiten: "Wenn Ihre Polizeibehörde sich entscheidet teilzunehmen, könnte sie eine von 8000 Behörden sein, die ihre Leistungsfähigkeit erhöhen, ihre Streifendienste ausbauen, ihre Reaktionszeit verringern und Steuergelder sparen." Und da die US-Streitkräfte nun schon lange den Irak verlassen haben und bald auch aus Afghanistan abziehen werden, gibt es viel überzählige Ausrüstung gratis.

Anreiz zur Militarisierung

Von M16-Gewehren bis zu schwer gepanzerten Armeefahrzeugen (sogenannte Mine-Resistant Ambush Protection Vehicles, MRAPs) ist für finanzschwache Polizeikräfte fast alles im Angebot. Und sie müssen nur die Kosten für Versand und Wartung aufbringen.

Es gibt sogar einen Anreiz, die neue Ausrüstung einzusetzen - und zwar schnell. Die Bürgerrechtsorganisation ACLU hebt hervor, dass ein Absatz in den Vereinbarungen zwischen den Bundesstaaten und der DLA die Empfänger verpflichtet, "das Eigentum innerhalb eines Jahres zu nutzen oder die Rückgabe einzuleiten".

Nach Angaben der ACLU ermutigt das Programm 1033 nicht nur die Gewalteskalation auf den Straßen von Ferguson, sondern zahlreiche Einsätze von Spezialeinheiten, die nie öffentlich werden - Formen der "Militarisierung", die unverhältnismäßig oft Afroamerikaner ins Visier nehmen.

Der Kongressabgeordnete Hank Johnson betont, dass diese Entwicklung aufgehalten werden müsse. Er hat ein "Gesetz zum Stopp der Polizei-Militarisierung" entworfen, das "die freie Weitergabe bestimmter aggressiver Militärausrüstung an örtliche Polizeibehörden beendet". Sein Sprecher sagte der Deutschen Welle, dass der Entwurf nicht das komplette Programm 1033 verschrotten wolle. Es solle aber die Waffengattungen im Angebot begrenzen und die Rechenschaft dafür erhöhen.

Entspannung in Ferguson

In Ferguson hat die Polizei ihre Reaktion inzwischen drastisch entmilitarisiert, nachdem Gouverneur Jay Nixon sich eingeschaltet hatte. Aber es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Ausrüstung, die in den Vorortstraßen eingesetzt wurde, an den Absender zurückgeschickt wird.

Die DW hat den Sprecher der Sicherheitsbehörde von Missouri gefragt, ob die Polizei sich solche Geräte jemals hätte leisten oder sie hätte anschaffen können, wenn es das Regierungsprogramm 1033 nicht gäbe. Seine einzige Antwort war, dass Missouri kein Einzelfall sei: "Dies ist ein bundesweites Programm, das in ganz Amerika zugänglich ist."

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen