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Die Monsterwelle in der Seele

Monica Hoegen / nak10. Januar 2005

Diejenigen, die unmittelbar den Naturgewalten in Südostasien ausgesetzt waren, sind als Überlebende auch Wochen nach dem Ereignis noch psychisch schwer belastet. Geschulte Rettungskräfte betreuen Überlebende vor Ort.

Trauer und Hoffnung auf einen NeubeginnBild: AP

Bis zu 200.000 Tote, Millionen von Verletzten und viele Menschen, die alles verloren haben - die Zahlen der Flutkatastrophe in Südostasien sind unfassbar. Erst recht können sie nicht das ausdrücken, was man auf den ersten Blick nicht sieht: Die Verwüstungen, die das schreckliche Ereignis in den Seelen der Opfer und ihrer Angehörigen ausgelöst hat - die psychischen Verletzungen und Traumata. Deshalb wurde vor einigen Jahren das sogenannte Kriseninterventionsteam (KIT) gegründet - ein psychologisch geschultes Team von Rettungsfachkräften. Uwe Berg von Scharpen ist einer von ihnen und berichtet von seinen Erfahrungen in Phuket.

Betreuung vor Ort

Auf einmal ging alles ganz schnell. Am Vormittag des 29. Dezember 2004 war Uwe Berg von Scharpen von seiner Organisation, den Maltesern, angerufen worden. Er solle zum Frankfurter Flughafen kommen und dort deutsche Touristen aus Phuket in Empfang nehmen und betreuen. Doch am Abend desselben Tages saß der 39jährge Rettungshelfer dann selbst in der Maschine: Zielort Phuket. Betreuung vor Ort lautete der neue Marschbefehl.

Kriseninterventionsteam betreut deutscher Überlebende vor OrtBild: dpa

"Wir kamen in Phuket an und ich muss sagen, wir hatten das Glück, dass ein Voraus-Team des Münchner Kriseninterventionsteams schon vor Ort war, die uns dann auch eingearbeitet hatten," so Berg von Scharpen.

Aktiv zuhören und die Menschen, die die Flutkatastrophe am eigenen Leib erlebt haben, erstmal reden zu lassen, das war Berg von Scharpens Hauptaufgabe.

Grenzenlose Hilfe

Überlebende suchen nach ihren AngehörigenBild: AP

"Die meisten Mitbürger waren erstmals sehr froh, dass sie sich in ihrer Muttersprache wieder mitteilen konnten. Sehr viele wollten einfach halt über dieses Geschehene berichten, wie sie diese drei Wellen erlebt haben. Es waren sehr beeindruckende Schilderungen von den Patienten," erzählt Berg von Scharpen. Wie ein Ehepaar aus Frankfurt, das dem Helfer von seiner wunderbaren Rettung vor der dritten und schlimmsten Welle durch thailändische Nachbarn berichtete. "Erst als sie erzählen konnten, fühlten sich die beiden erstmals in Sicherheit", erinnert sich Berg von Scharpen.

Natürlich gaben er und seine Kollegen aus dem Team den Opfern auch praktische Tipps - und halfen ihnen zum Beispiel dabei, eine Vermisstenanzeige aufzugeben. Allerdings mussten sie sie auch darauf vorbereiten, dass ein Lebenspartner oder Angehöriger vielleicht nicht mehr lebt. Die Reaktionen der betroffenen Deutschen waren unterschiedlich - manche waren froh über die Hilfe, manche

lethargisch, manche wollten auch gar nicht mit den Helfern sprechen - was diese akzeptierten. Was Berg von Scharpen allerdings am meisten faszinierte, war die Art und Weise wie die Einheimischen mit der Katastrophe umgehen.

Vertrauen in einen Neubeginn

Berg von Scharpen erzählt, wie bizarr er es empfunden hat, dass die Menschen zum Beispiel am Flughafen ihn so freundlich empfangen und versorgt haben. Auch die Liebenswürdigkeit der Helfer, die die ausländischen Touristen betreut haben, haben ihn beeindruckt.

Überlebende beten für Opfer und VermissteBild: AP

Warum viele Thailänder, die noch viel größere Verluste zu beklagen haben als die Deutschen, besser mit der schrecklichen Situation umgehen können, erklärt sich von Scharpen vor allem durch die Religion. "In diesem Kulturkreis ist mit dem Tod nicht das Ende, mit dem Tod ist ein Neubeginn verbunden."

Ob Berg von Scharpen nach diesem kräfte- und nervenraubenden Einsatz selbst psychologische Nachbetreuung in Anspruch nehmen wird, weiß er noch nicht. Erst einmal muss sich auch der Helfer erholen.

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