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"Die neue Zeit": Das Bauhaus als TV-Serie

Jochen Kürten
31. August 2019

Wie erzählt man im 100. Bauhaus-Jahr über diese Experimentierstube der neuen Kunst und Architektur? Regisseur Lars Kraume löst das als Geschlechterkampf auf. Warum ihn gerade das gereizt hat, erklärt er im DW-Gespräch.

Die Neue Zeit Sechsteilige Serie zum Bauhaus-Jubiläum
Bild: ZDF und Julia Terjung

Jetzt bekommt sie auch das Publikum des Festivals "Film ohne Grenzen" im ostdeutschen Bad Saarow (29.8.-1.9.2019) zu sehen: die Serie über das "Bauhaus" von Regisseur Lars Kraume. Der ist ein Spezialist in Sachen Historien-Film. Seine Kinoerfolge "Der Staat gegen Fritz Bauer" und "Das schweigende Klassenzimmer" loteten in den vergangenen Jahren gekonnt und publikumswirksam zwei Episoden deutscher Nachkriegsgeschichte aus: einmal West, einmal Ost.

Die Serie zum kulturhistorischen Bauhaus-Jubiläumsjahr 

Jetzt also hat sich der 1973 in Italien geborene und in Frankfurt aufgewachsene deutsche Film- und Fernsehregisseur mit dem kulturhistorischen Thema 2019 schlechthin - 100 Jahre Bauhaus-Jubiläum - auseinandergesetzt und die Anfangsjahre des "Bauhauses" in das Format einer ebenso spannenden wie historisch aufschlussreichen Serie gegossen. Nach einer Vorführung der ersten beiden Teile im Frühjahr beim Serien-Festival in Cannes vor Fachpublikum und der Weltpremiere aller sechs Teile beim Film-Festival in München dürfen sich jetzt alle Zuschauer auf "Die Neue Zeit" freuen.

Aufbruch nicht nur in der Kunst - Dörte Helm (Anna Maria Mühe, M.) protestiert gegen die KonservativenBild: ZDF und Julia Terjung

Kurz vor der Ausstrahlung im Fernsehen wird das Festival in Bad Saarow mit den beiden Auftakt-Folgen eröffnet. Über weitere Ausstrahlungen, auch ausländischer Fernsehsender, wird derzeit noch verhandelt. Sicher ist zumindest jetzt schon eine Vorführung beim Serienfestival im tschechischen Brno. Die Prognose, dass "Die neue Zeit" auch in anderen Ländern auf großes Interesse stoßen wird, ist nicht allzu kühn. Die 1919 von Walter Gropius in Weimar gegründete Kunstschule, die dann nur noch unter dem Namen "Bauhaus" firmierte, wurde weltbekannt, gehört ohne Zweifel zum prägenden deutschen Kulturgut.

Lars Kraume: "Emanzipationsgeschichte war der Schlüssel"

Doch wie hat Lars Kraume Zugang zum Phänomen "Bauhaus" gefunden? "Ich musste erst mal nachdenken, was mich eigentlich interessiert", räumt der Regisseur im Gespräch mit der Deutschen Welle ein. Es sei dann vor allem ein Thema gewesen, welches ihm das "Bauhaus" erschlossen habe: "Es aus der Perspektive der Frauen zu erzählen. Die Emanzipationsgeschichte, die in der Zeit losging, das war für mich der Schlüssel."

Dörte Helm (Anna Maria Mühe) und ihre Freundin und Mitstudentin Gunta Stölzl (Valerie Pachner, r.)Bild: ZDF und Julia Terjung

Anderes sei dann im Laufe der Recherche hinzugekommen: "Natürlich kommen beim Filmemachen immer verschiedene Motive zusammen", so Kraume. Er beschäftige sich eben "gerne mit Geschichte, vor allem unserer eigenen." Auch bei seinen Kinofilmen habe er immer "großen Spaß" gehabt, wenn es um deutsche Geschichte gegangen sei. Darüberhinaus interessiere er sich "für Kunst und Architektur". Das alles sei dann beim Bauhaus zusammengekommen.

"Die neue Zeit" bietet auch eine melodramatische Liebesgeschichte

Im Mittelpunkt von Kraumes sechsteiliger Serie steht das Verhältnis von Bauhaus-Gründer Walter Gropius (August Diehl, unser Bild oben) und seiner Schülerin Dörte Helm, der der später berühmt gewordene Architekt auch privat nahe stand. Und wie immer bei historischen Serien und Filmen, die sich über die Fiktion ihrem Stoff nähern, basiert auch "Die neue Zeit" auf vielen Fakten, historischen Recherchen - und einem Teil dichterischer Freiheit.

Das Paar steht im Zentrum der Serie: Walter Gropius und Dörte Helm Bild: ZDF/Anke Neugebauer

"Es ist genauso erzählt, wie es sich auch zugetragen hat", legt Lars Kraume Wert auf den Anteil historisch belegter Fakten innerhalb der Serie, die neben den historischen Debatten über Architektur und Kunst aber eben auch das Verhältnis zwischen Lehrer und Schülerin ins Zentrum stellt: "Gropius erklärte mit der Gründung des Bauhauses das Ziel der Gleichberechtigung." Das habe Gropius aber dann "unter dem Druck der konservativen Bürgerschaft Weimars, der das alles zu weit ging", nicht durchgehalten.

Walter Gropius kämpfte an mehreren Fronten

Als Direktor der Kunstschule saß Walter Gropius zwischen mehreren Stühlen. Das arbeitet die Serie sehr klar heraus. Durch die an verschiedenen Protagonisten festgemachte Ideologien und Ideen der damaligen Zeit lässt sich der gewaltige ästhetische Umbruch für den Zuschauer nachvollziehen: Auf der einen Seite standen Politik und Gesellschaft, von der Gropius - vor allem auch finanziell - abhängig war. Auf der anderen Seite die für die damalige Zeit radikalen Ansichten der Lehrerschaft - und eben die Frauen, die anfingen ihren Platz in Kunst und Architektur zu erobern.

Die Bauhauslehrer müssen sich vor den konservativen Stadtvätern Weimars rechtfertigenBild: ZDF und Anke Neugebauer

"Das ist ein Hin und Her im Geschlechterkampf, das war interessant - und das ist eben auch der Kern meiner Erzählung", erklärt Kraume. Der Regisseur zeigt auch, wie weit dieser "Geschlechterkampf" damals seiner Zeit voraus war - und erst noch einmal zahlreiche Rückschläge zu verkraften hatte: Weil "diese Generation am Ende des Tages natürlich doch noch immer der Meinung war, dass Männer das starke und Frauen das schöne Geschlecht waren." Die Männer seien damals noch der Überzeugung gewesen, "dass Frauen eben nicht logisch denken können."

Dörte Helm stand beim Bauhaus an der Spitze der Emanzipationsbewegung

Anna Maria Mühe verkörpert eindrucksvoll die Malerin Dörte Helm. Die habe nicht am damals verankerten Rollendenken festhalten wollen, erklärt Kraume: "Sie wollte das einfach nicht mitmachen, die hat das einfach nicht akzeptiert - und hat so lange rumrebelliert, bis Gropius sie dann als erste Frau in die Klasse vom Oskar Schlemmer (einer der Lehrer am Bauhaus, A.d.R.) gelassen hat."

Formale Klammer der Serie: Der alte Gropius wird von der Journalistin Stine (Trine Dyrholm) interviewtBild: ZDF und Julia Terjung

Als erzählerische Klammer der Serie dient Kraume ein langes Interview, dass eine Journalistin 1963 zum 80. Geburtstag von Walter Gropius in New York mit dem inzwischen ergrauten Star-Architekten führt. Gropius blickt auf die bewegten Jahre der Bauhaus-Gründung zurück, erinnert sich an den Aufbruch der Moderne, den Kampf zwischen konservativen Kräften und künstlerischer Avantgarde.

In "Die neue Zeit" geht es um die Weimarer Bauhaus-Jahre vor dem Umzug nach Dessau

Der Regisseur hat sein Augenmerk speziell auf die Gründerjahre der Kunst- und Architekturschule gerichtet, die 1919 in Weimar entstand. Als er angefangen habe, sich mit dem Thema zu beschäftigen, war da "vor allem eine grobe Idee vom Bauhaus in Dessau", erzählt Kraume: "Aber überhaupt keine vom Bauhaus in Weimar, schon gar nicht von diesem Kulturkampf, der dieser Zeit grundsätzlich stattfindet, nicht nur in der Kunst, sondern auch in der Politik."

Lars Kraume bei den Dreharbeiten Bild: ZDF und Anke Neugebauer

Und so schlägt die Serie auch einen Bogen ins Jahr 2019: "Dieser ganze Komplex, der Kulturkampf in der Weimarer Republik: Das hat mich grundsätzlich interessiert, das zu verstehen und auch zu sehen, wie aktuell das eigentlich noch ist und wie sehr wir heute noch über dieselben Dinge diskutieren."

Das "Bauhaus" hat nichts von seiner Aktualität verloren

Regisseur Lars Kraume zeigt sich im Interview überzeugt, dass sich in der Einstellung der Menschen gar nicht so viel verändert habe: Man müsse heute "nur durch jedes Museum für zeitgenössische Kunst gehen und die fragenden Gesichter, die kopfschüttelnden Leute angucken, die immer noch der Meinung sind, dass das keine Kunst ist." Blicke man auf die damalige Zeit, dann spüre man noch heute, "wie aktuell der Aufbruch der Kunst und der Avantgarde" damals war.

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