1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Die neuen Partner

Ayhan Simsek 4. Dezember 2012

Beim Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin in der Türkei haben beide Seiten ihre Gemeinsamkeiten betont. Unstimmigkeiten über den Syrien-Konflikt dagegen werden heruntergespielt.

Russlands Präsident Putin trifft den türkischen Premier Erdogan (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Auf eine gemeinsame Vorgehensweise zur Beendigung des Bürgerkriegs in Syrien konnten sich Russland und die Türkei beim Besuch von Präsident Wladimir Putin in Istanbul nicht einigen. Die beiden Länder streben aber in anderen Bereichen eine engere Zusammenarbeit an. "Wir sind uns einig, dass der Konflikt in Syrien beendet werden muss, aber wir haben unterschiedliche Vorstellungen davon, wie die Zukunft des Landes aufgebaut werden soll", erklärte Putin auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem Gastgeber Erdogan. Man habe neue Ansätze erarbeitet, die nun weiterer "Analyse und Planungen" erforderten.

Auch Erdogan spielte die Unterschiede zwischen der Türkei und Russland in der Syrien-Frage herunter. Stattdessen wies der türkische Ministerpräsident auf den schnell wachsenden Handel mit Russland und die immer engere Zusammenarbeit in der Energiebranche hin. "Unser Ziel ist es, ein Handelsvolumen von 100 Milliarden Dollar zu erreichen." Insgesamt elf Abkommen unterzeichneten die Türkei und Russland in den Bereichen Handel, Energie, Sicherheit, Kultur und Bildung. Außerdem kündigte Putin an, den Bau des ersten türkischen Atomkraftwerks in Akkuyu zu finanzieren. Die Kosten dafür werden auf 22 Milliarden Dollar geschätzt.

"Glorreichste Periode aus 500 Jahren Beziehung"

"Wir sind Zeugen der glorreichsten Periode in 500 Jahren türkisch-russischer Beziehungen", kommentiert Huseyin Kanbolat das Treffen und seine Ergebnisse. "Die enge Beziehung zwischen der Türkei und Russland ist auf einer soliden Basis begründet." Der Direktor des Think Tanks ORSAM in Ankara betont im Interview mit der Deutschen Welle, dass er nicht davon ausgehe, dass die Unstimmigkeiten über Syrien zu weiteren Belastungen führen werden.

Russland liefert Gas in die TürkeiBild: DW

In der Zeit des Osmanischen Reichs führten Türken und Russen blutige Kriege, die zu einem tiefen Misstrauen zwischen den Nationen führten. Als NATO-Mitglied schützte die Türkei dann während des Kalten Krieges die südliche Flanke der westlichen Allianz vor der Sowjetunion. Trotz einer langen Geschichte der Konfrontation haben sich die Türkei und Russland in den vergangenen Jahren angenähert, vor allem durch eine verstärkte Zusammenarbeit im Energiebereich und im Handel.

Russland ist heute der größte Handelspartner der Türkei, die fast zwei Drittel ihres Gases und ein Drittel ihres Öls aus Russland bezieht. Kanbolat unterstreicht den Stellenwert der Wirtschaftsbeziehungen: "Die türkischen Exporte nach Russland liegen bei rund fünf Milliarden Dollar, während die Importe aus Russland bei rund 30 Milliarden Dollar liegen."

Gemeinsamkeiten in Regionalfragen

Auch Huseyin Bagci bewertet die Zukunft der türkisch-russischen Beziehungen positiv. Zwar werde Putin hinter Assad im Syrienkonflikt stehen, bis dieser gestürzt ist, ist sich der Professor für Internationale Beziehungen an der "Middle East Technical University in Ankara" sicher. "Nach dem Fall des Assad Regimes in sehr naher Zukunft werden Russland und die Türkei aber gemeinsam über die Zukunft Syriens nachdenken." Beide Länder hätten gemeinsame Interessen, die stärker sind als ihre Uneinigkeit über Syrien. "In wichtigen regionalen Angelegenheiten fährt die Türkei häufig eine ähnliche Linie wie Russland, was westliche Verbündete teilweise mit Besorgnis sehen."

Der Syrien-Konflikt reißt kein zu großes Loch in ein sonst gutes VerhältnisBild: picture-alliance/dpa

Erdogan dankte Putin für Russlands Unterstützung bei der UN-Generalversammlung, die den Palästinensern Ende November den Status eines Beobachterstaats zuerkannt hatte. Außerdem wies der türkische Ministerpräsident auf die engen russisch-türkischen Beziehungen in der Schwarzmeerregion hin und betonte, dass "das multi-dimensionale Abkommen zwischen der Türkei und Russland über das Schwarze Meer das beste Beispiel für die strategische Perspektive zwischen den zwei Ländern ist". Das NATO-Mitglied Türkei wehrt sich seit langem dagegen, dass das Bündniss in der Schwarzmeerregion eine stärkere Rolle spielen will - trotz eines stark bekundeten Interesses der US-Regierung.

Trotz aller Sympathie in außenpolitischen Fragen: Die Partnerschaft der Türkei mit Russland konzentriert sich auf Energie und Handelsverbindungen, betont Huseyin Bagci. Eine enge militärische Zusammenarbeit sei aber noch unwahrscheinlich, obwohl es einige gemeinsame Rüstungssprojekte gibt.

"In Europa sollten zwei Länder gute Beziehungen zu Russland haben: die Türkei und Deutschland", meint Huseyin Bagci und spielt damit auf einen Ausspruch von Reichskanzler Otto von Bismarck an. Der soll auf die Frage nach dem Geheimnis der Politik gesagt haben: "Schließe immer gute Verträge mit Russland ab."

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen