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Die Ohnmacht des Adressaten

Vera Tellmann
15. August 2018

Hasserfüllte Parolen im Netz richten sich gegen Individuen, Gruppen und ganze Völker. Weltweit und in nahezu allen Lebensbereichen. Wie können Opfer sich wehren? Auch beim GMF gab es keine überzeugende Antwort.

Bild zum Artikel: H | Hate Speech; Weltzeit 2|2018
Bild: Unsplash/Jack Sharp

Hate Speech im Internet richtet sich gegen Individuen und Gruppen, auch gegen ganze Völker. Adressaten hasserfüllter Parolen gibt es überall auf der Welt und in nahezu allen Lebensbereichen. Gibt es ein Gegenmittel? Wie können Opfer sich wehren? Richard Gutjahr, Rokhaya Diallo und Yin Yadanar Thein diskutierten beim Global Media Forum. Doch es waren eher Appelle als überzeugende Antworten. 

Diskriminiert werden Sinti und Roma, die LGBT-Community, Muslime und Juden, Menschen mit Behinderung, afrikanische und mexikanische Migranten. Und immer wieder Frauen – wie beispielsweise während der Fußball-WM in Russland die ZDF-Kommentatorin Claudia Neumann. 

Aus eigener Erfahrung gegen Hassrede: Journalist Richard GutjahrBild: DW/P. Böll

Der deutsche Journalist Richard Gutjahr, der bei den Terrorangriffen in Nizza und München im Sommer 2016 zufällig vor Ort war und spontan via Smartphone die Berichterstattung aufnahm, erlebte Beleidigungen und Verleumdungen, die sich auch gegen seine Familie richteten. Er wurde beschuldigt, Mitarbeiter eines Geheimdienstes zu sein und von den Attentaten gewusst zu haben. Gutjahr sagte in Bonn, er habe erst lernen müssen, dass die vorwiegend antisemitischen Online-Angriffe „nicht mir als Person gelten, sondern dem, was ich repräsentiere, wofür ich stehe“.

„Sie wissen genau, was sie tun.“

Die Menschen, die ihn im Netz verfolgen, hätten in der Gesellschaft vorhandene Ängste erkannt und nutzten sie auf sehr professionelle Weise. „Sie haben die Regeln gelernt, ihre Arbeit perfektioniert.  Sie wissen genau, was sie tun“, so Gutjahr. „Sie organisieren sich und orchestrieren Attacken. Der Rest von uns hatte keine Ahnung, dass sie so fortschrittlich und uns so weit voraus sind. Ich kenne keinen Journalisten, der technisch so versiert ist.“ Anbieter Sozialer Netze müssten ihre Verantwortung erkennen und entschieden gegen die Verbreitung von Hass und Lügen vorgehen, so Gutjahr.

„Nutzer brauchen Nachhilfe in Zivilcourage, Mitgefühl und digitalem Einfühlungsvermögen.“

Die Politik halte nicht Schritt mit der digitalen Revolution und überlasse die Rechtsprechung „verrückterweise“ den Plattform-Betreibern. „Nutzer brauchen Nachhilfe in Zivilcourage, Mitgefühl und digitalem Einfühlungsvermögen“, so der Journalist. Allerdings sei die Lösung so komplex wie das Internet. 

Dieser Beitrag stammt aus dem DW-Magazin Weltzeit 2|2018Bild: DW

Eines ist Gutjahr zufolge klar: Hassrede sei ein „sich selbst erhaltendes Monster, das sich nicht verzieht, wenn es ignoriert wird, sondern jeden Tag stärker wird“. 

Opfern von Hate Speech stehen bislang nicht viele Mittel und Wege zur Verfügung, um sich zur Wehr zu setzen. Strafanzeige gegen Unbekannt, das ist der erste Schritt, um über die IP-Adresse den Absender ausfindig machen zu lassen. Über die Meldesysteme einzelner Medien können Betroffene die Löschung von Einträgen innerhalb von 24 Stunden beantragen. 

Richard Gutjahr: „Jeder von uns hält eine ‚Waffe‘ in der Hand – mit nur einem Tweet kann man ein ganzes Leben zerstören. Nicht nur Kinder müssen den richtigen Umgang lernen. Wir alle sind Teil des Problems – und der Lösung.“ Deshalb müsse man definieren, was das Internet sein soll. „Soll es ein Werkzeug der Freiheit sein oder soll es Menschen unterdrücken?“

 

Bild: privat


Yin Yadanar Thein
Gründerin der Organisation „Free Expression Myanmar”, die sich für Gesetzesreformen zugunsten von Medien-, Meinungs- und Demonstrationsfreiheit sowie Geschlechtergerechtigkeit stark macht. „In Myanmar haben wir noch kein Anti-Diskriminierungsgesetz. Das ist eine Schwäche und zugleich eine Chance. Wir können das Problem Hate Speech proaktiv angehen, bevor es zu Straftaten kommt“, sagte sie auf der DW-Medienkonferenz in Bonn.

Rokhaya Diallo 
Journalistin und Aktivistin, setzt sich für Gleichberechtigung ein – der Religionen, der Ethnien und der Geschlechter. Die in Frankreich geborene Tochter senegalesischer Eltern machte intensive persönliche Erfahrungen mit Hate Speech. Sie begegnet ihr auf überraschende Weise mit Humor und Ironie. Aber: „Niemand steht über dem Gesetz“, so Diallo beim GMF.

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