Die Opposition in Polen schürt die Angst vor Migranten
9. Oktober 2025
Der polnische Präsident Karol Nawrocki hat bekannt gegeben, dass er den Migrationspakt der Europäischen Union nicht mitträgt. Er habe "der deutschen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen" einen Brief geschrieben, in dem er nachdrücklich fordere "unser Heimatland vom EU-Projekt zur Umsiedlung illegaler Migranten auszuschließen", teilte er auf dem Kurznachrichtendienst X mit. Er beendet seine Nachrichten mit den Worten: "Polen zuerst, die Polen zuerst!"
Nawrocki bekräftigt damit die Politik, die die rechtskonservative polnische Opposition voranzutreiben versucht. Für den kommenden Samstag (11.10.2025) hat sie zu einem Protestmarsch gegen Migranten in der Hauptstadt Warschau aufgerufen.
Auch der Vorsitzende der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), Jaroslaw Kaczynski, verschärfte seinen Ton gegenüber der polnischen Regierung unter Ministerpräsident Donald Tusk und gegen die Politik der Europäischen Union. "Das Böse begegnet uns auf Schritt und Tritt", schrieb er in dieser Woche auf X. "Der (EU)-Migrationspakt stellt eine echte Gefahr dar", mahnte er, um seine Anhänger damit zur Teilnahme an dem geplanten Protest zu ermuntern.
Die Idee zu dem Marsch in der polnischen Hauptstadt war bereits im Sommer entstanden, als das rechtskonservative Lager in Polen nach dem Wahlsieg seines Kandidaten Karol Nawrocki bei der Präsidentenwahl neuen Wind in den Segeln spürte und eine Offensive gegen die proeuropäische Regierungskoalition von Tusk startete.
"Es geht um die illegale Migration, die den Frieden von Millionen Menschen gestört und dazu geführt hat, dass viele westliche Städte nicht mehr normal funktionieren können; es gibt Zonen, zu denen die Polizei keinen Zutritt hat", argumentierte Kaczynski damals und warnte vor ähnlichen "No-Go-Areas" in Polen. Die Zeitung Gazeta Wyborcza kommentierte das ironisch, dass für Kaczynski Migranten "so gefährlich wie Putin" seien.
Der Protest am Samstag richtet sich auch gegen das Mercosur-Freihandelsabkommen, von dem vor allem die polnischen Landwirte Nachteile befürchten. Das Abkommen zwischen der EU und den südamerikanischen Staaten Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay wurde nach einem Jahrzehnte dauernden Verhandlungsprozess kürzlich von der EU beschlossen, muss aber noch von den Regierungen abgesegnet und von den Parlamenten der EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert werden.
Hetze gegen Fremde bringt politische Vorteile
Doch die Anti-Migrationspolitik soll nicht nur auf die Straße getragen werden. Mit der Angst vor den Fremden konnte man in Polen, das bis zur demokratischen Wende 1989 ein fast national-homogenes Land war, in der Vergangenheit punkten. Die Kritik an der europäischen Migrationspolitik, vor allem am Prinzip der Verteilung der Flüchtlinge in den EU-Staaten, trug 2015 wesentlich zum Wahlsieg der PiS bei. Die rechten polnischen Medien hetzten gegen die Kriegsflüchtlinge aus Syrien und dem Irak und setzten sie pauschal mit Terroristen und Vergewaltigern gleich. Kaczynski warnte sogar vor einer Ansteckungsgefahr durch Bazillen, die die Migranten angeblich nach Polen einschleppen könnten.
Nach dem Verlust der Macht vor zwei Jahren an die Mitte-Links-Koalition unter Führung von Donald Tusk verstärkte die PiS ihre Rhetorik. "Die Migranten-Lawine ist angekommen. Polen spüren Angst. Die Menschen haben Angst, die Häuser zu verlassen", titelte im vergangenen April ein rechtes Politmagazin. PiS-Politiker sammeln Unterschriften für ein Referendum gegen die "illegale Migration" und organisieren Proteste gegen die Entstehung von Integrationszentren, die die Migranten beraten sollen.
Die Antimigrantenkampagne soll auch eine wichtige Rolle bei der geplanten Rückeroberung der Macht durch die PiS bei der Parlamentswahl in zwei Jahren spielen. Die Weichen dafür sollen beim Programmkongress Ende Oktober in Katowice (Kattowitz) gestellt werden - der Protest am Samstag ist als Auftakt gedacht.
Tusk-Regierung setzt restriktive Migrationspolitik fort
Ob diese Strategie sich aber auch diesmal als erfolgreich erweisen wird, bleibt offen. Denn die Tusk-Regierung betreibt seit der Machtübernahme im Dezember 2023 eine restriktive Migrationspolitik, die sich vom Kurs der Vorgängerregierung kaum unterscheidet.
So wurde die Sperre an der Grenze zu Belarus ausgebaut, und an den Grenzen zu Deutschland und Litauen wurden Kontrollen eingeführt, die bis Anfang April 2026 verlängert wurden. Das Asylrecht im Osten des Landes ist auf unbestimmte Zeit ausgesetzt worden. Freiwillige, die im Grenzgebiet zu Belarus Flüchtlingen helfen, werden festgenommen und vor Gericht gestellt.
Tusk kündigte auch an, dass er den Migrations- und Asyl-Pakt der EU nicht umsetzen wird. Der polnische Regierungschef verweist als Begründung auf etwa eine Million ukrainische Kriegsflüchtlinge, die sich im Land aufhalten und soziale Leistungen in Anspruch nehmen. "Flüchtlinge ja, nur nicht in Polen", beschreibt der Europaabgeordneter Michal Kobosko von der mitregierenden Partei Polen2050 die Migrationspolitik der Regierung.
Schreckgespenst der polnischen Rechten: Die Deutschen
Ob Tusk mit seiner neuen Härte gegen Migranten und Flüchtlinge den Rechtskonservativen den Wind aus den Segeln nehmen kann, ist fraglich. Denn das rechte Lager verknüpft das Migrationsthema mit einem anderen Schreckgespenst: den Deutschen. Seit Monaten wiederholen PiS-Politiker den Vorwurf wie ein Mantra, dass die deutschen Behörden illegale Migranten massenweise über die Grenze nach Polen schleusen.
Kaczynski reist seit Wochen durch die polnischen Westgebiete, die vor 1945 zu Deutschland gehörten, und schürt Angst vor der "Re-Germanisierung" dieser Landstriche. "Wir müssen sehr vorsichtig sein. Die Deutschen wollen eine Weltmacht sein", sagte Kaczynski in der vergangenen Woche in Wroclaw (Breslau). "Seit vielen Jahren gibt es eine langsame Re-Germanisierung, die in letzter Zeit intensiver geworden ist", warnte der PiS-Chef. Als Beweis nannte er die Pläne, an einer der Stadtbrücken von Wroclaw ein Schild mit dem alten Namen "Kaiser-Brücke" anzubringen. Die historische Brücke war im Jahr 1910 durch Kaiser Wilhelm II. eröffnet worden. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs hatte die Stadt eine mehrheitlich deutsche Bevölkerung.
Aus Anlass des 86. Jahrestages des Kriegsausbruchs am 1. September hatte Kaczynski Deutschland einen "Post-Nazi-Staat" genannt, der die Kriegsverbrecher nicht bestraft und die Opfer nicht entschädigt habe.
Die katholische Kirche beunruhigt über Antimigrantenrhetorik
Die Antimigrantenrhetorik der PiS beunruhigt sogar Teile der katholischen Kirche, die gewöhnlich die Kaczynski-Partei unterstützt. "Ich sehe keine Demonstrationen der Ausländer, der Muslime, mit denen man uns Angst macht, sondern sehr besorgniserregende Märsche, bei denen Sprüche voller Hass und Konfrontation fallen", sagte kürzlich Bischof Krzysztof Zadarko, der in der polnischen Bischofskonferenz für Migranten zuständig ist. Die Aufnahme von Migranten sei eine moralische Pflicht, die sich aus der Kirchenlehre ergebe, mahnte der Geistliche.