Die Party geht weiter
30. April 2015Hilmar Zeissig steht am Hafen von Galveston, einige Kilometer südlich der Ölmeteropole Houston in Texas. Seit 1978 ist der Jurist aus Deutschland hier, als Geschäftsmann in Sachen Öl, als Berater, als Lobbyist. In Texas dreht sich viel ums Öl, und Zeissig glaubt: Das wird auch so bleiben.
In Deutschland wird die Energiewende beschworen, das Ende des Ölzeitalters. "Das wird nicht in dieser Generation passieren, auch nicht in der unserer Kinder, auch nicht in der unserer Enkelkinder", sagt Zeissig dazu und zeigt einer Gruppe von Journalisten aus Deutschland zwei riesige Bohrplattformen, die gerade gewartet werden, hereingeschleppt aus dem nahen Golf von Mexiko.
Gerade erlebt Texas wieder einmal einen Boom in Sachen Öl und Gas. Die Hälfte aller Bohranlagen der USA steht hier, es gibt 150.000 produzierende Öl - und 100.000 produzierende Gasanlagen. Zum Vergleich. In Deutschland sind es gerade einmal 30.
In Deutschland verpönt, in den USA ganz normal
Und der Boom hat einen Namen: Fracking. Bei dieser Fördermethode werden aus tiefen Schieferschichten Öl und Gas durch Wasser und Chemikalien unter hohen Druck gelöst und dann gefördert. So können Gesteinsschichten ausgebeutet werden, die lange unzugänglich waren, auf dem Land, auf dem Meer. Vor allem das horizontale Fracking hat eine Revolution ausgelöst: Erst wird in die Tiefe gebohrt, dann viele hundert Meter nach links und rechts.
In Deutschland ist das verpönt. Experten sprechen von Erdbebengefahren, von einer drohenden Verseuchung des Grundwassers durch den Chemiemix. Die Regierung in Berlin hat gerade ein Gesetz beschlossen, das so viele Auflagen für das Fracking vorsieht, dass es quasi verboten ist. Zeissig kann darüber nur den Kopf schütteln.
Das Fracking hat die Energiepolitik der USA grundlegend verändert. Die Importe sind in den letzten zehn Jahren um 32 Prozent gesunken, die aus Saudi-Arabien sogar um die Hälfte. Politiker und Industrielle in den USA träumen davon, dass sich das Land bald komplett allein mit Energie versorgen kann.
Alles eine Frage des Marktes
Aber zuletzt gab es Probleme. Wegen des vielen neuen Öls ist der weltweite Preis gesunken, um die Hälfte seit Mitte letzten Jahres. Dadurch sind schon wieder viele tausend der neuen Jobs verlorengegangen. Die OPEC mit Saudi-Arabien hat nicht wie in der Vergangenheit mit einer Drosselung der Ölmengen reagiert, um den Preis zu heben.
"Die Saudis haben nicht mehr die Macht wie früher, die sorgen sich jetzt vor allem im ihre Marktanteile", sagt Jim Krane, der am James-Baker Institut der Rice-Universität von Houston zu Energiefragen forscht. "Wir sehen eine Veränderung des globalen Ölmarktes, hin zum Westen: Die USA, auch Venezuela und Mexiko werden ihre Produktion steigern." Und was ist mit dem Klimaschutz? Müssen wir nicht weg vom Öl? Krane zuckt mit den Achseln. Alles eine Frage des Marktes.
Der Markt und seine Realität
In Texas sind Öl und Gas allgegenwärtig: Raffinerien, Bohrtürme, chemische Industrie. Nach Öl oder Gas zu suchen, liegt den Menschen hier in den Genen. Wer das macht, investiert erst einmal viele Millionen Dollar quasi auf Verdacht, bevor er Geld sieht. Viele scheitern, weil die Bohrung nicht ergiebig genug ist. Aber wer es schafft, verdient Geld, viel Geld.
Die Gefahren durch das Fracking werden durchaus gesehen, in einigen Kommunen gab es heftige Proteste, aber die Mehrheit lebt mit dem Öl. "Die Kinder spielen hier neben den Pipelines, sie wachsen damit auf, als Bedrohung wird das nicht empfunden", sagt die bekannte Energiejournalistin Barbara Shook dazu.
Europa, vor allem Deutschland, mit seinen Sorgen um das Klima sind weit weg. Auf sechs Spuren wälzt sich der gigantische Autoverkehr auf zwei Highway-Ringen um die viertgrößte Metropole der USA, bald wird es einen dritten Ring gebe, weiter draußen rund um die Stadt. Einsam rattert währenddessen eine einzige Straßenbahnlinie durch die Innenstadt, die von den meisten Menschen hier belächelt wird.
Es gibt auch erneuerbare Energien in Texas, viele Windanlagen sogar. An der Dominanz der Öl-und Gasindustrie ändert das nichts. Und die Reserven am Schwarzen Gold sind eher größer geworden, weil die Methoden, es zu fördern, immer effektiver werden. Die Deutschen steigen währenddessen aus der Atomkraft aus und wollen Wind-und Sonnenstrom den Vorrang geben. "Das ist doch nur Politik, Ideologie, mit dem Markt und seiner Realität hat das nichts zu tun", kommentiert das Hilmar Zeissig.
Bis auch in Texas das solare Zeitalter beginnt, werden noch viele Jahre vergehen