Wie sieht die Welt von Morgen aus? Und wie sieht das "Andere", das "Fremde" aus? Diese Fragen stellte vor kurzem die Retrospektive der Berlinale "Future Imperfect". Und gab Antworten, die in die Gegenwart führen.
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Berlinale-Retrospektive: Reise in die Zukunft
"Future Imperfect" heißt die diesjährige große filmhistorische Retrospektive der Berliner Filmfestspiele. Die Science Fiction-Fans durften sich in der deutschen Hauptstadt in mancherlei Hinsicht überraschen lassen.
Bild: 1997 Gaumont / Collection Musée Gaumont / Jack English
Das fünfte Element
Was Hollywood kann, das kann ich erst recht, dachte sich der französische Regisseur Luc Besson 1997 und schickte die attraktive Außerirdische Leeloo (Milla Jovovich) auf die Erde, um diese zu retten. Die französische Produktion "Das fünfte Element" überzeugte mit perfekten Tricks, ausgeklügeltem Szenen-Design und den Kostümen von Jean-Paul Gaultier.
Bild: 1997 Gaumont / Collection Musée Gaumont / Jack English
Dark City
Wie "Das fünfte Element" zitiert auch die ein Jahr später entstandene australisch-amerikanische Produktion "Dark City" den deutschen Stummfilm "Metropolis". Regisseur Alex Proyas entwirft das düstere Bild einer Zukunft, in der die Welt von Außerirdischen bedroht ist, die sich in das Bewusstsein der Menschen einnisten.
Bild: New Line Productions
Die Außerirdischen erscheinen in Tokio
In den 1950er Jahren boomte das Genre nicht nur in Hollywood. Das Thema Aliens faszinierte die Menschen - auch in Japan. Dort drehte Koij Shima 1956 "Die Außerirdischen erscheinen in Tokio". Eigentlich erscheinen diese in friedlicher Absicht auf der Erde, doch die Menschen erkennen das nicht. Dem Fremden erst einmal grundsätzlich misstrauen - ein Thema, das auch heute noch hochaktuell ist.
Bild: KADOKAWA CORPORATION 1956
Kampf der Welten
Natürlich gab es im Genre im gleichen Jahrzehnt aber auch viele Filme, in denen die Außerirdischen tatsächlich mit bösen Absichten die Erde heimsuchten. Ein Klassiker war die Verfilmung des berühmten Romans von H.G. Wells im Jahre 1953: "Kampf der Welten". Diese Filme waren auch Ausdruck der grassierenden Angst vor der atomaren Apokalypse.
Bild: Courtesy of Park Circus/Paramount
Unheimliche Begegnung der dritten Art
Zwei Jahrzehnte später setzte Steven Spielberg mit seinem Film "Unheimliche Begegnung der dritten Art" ein kräftiges Ausrufezeichen für das Genre. Gemeinsam mit George Lucas ("Star Wars") hauchte er dem Science Fiction-Film wieder neues Leben ein. Auch gab er dem Genre einen humanen Anstrich, in dem er die Außerirdischen wieder friedlich darstellte.
Bild: Courtesy of Park Circus/Sony
Eolomea
Die Retrospektive der Berlinale überraschte auch mit einigen selten gezeigten Genrefilmen. Wer hätte zum Beispiel gedacht, dass auch in der DDR Science Fiction-Filme gedreht wurden? In "Eolomea" von Hermann Zschoche (1972) heißt die Raumstation "Margot" und bietet "Aufbruchsfantasien und psychedelische Farbspiele zu Easy-Listening-Klängen", wie die Retro-Kuratoren schreiben.
Bild: DEFA-Stiftung/Alexander Kühn
Der Mann, der zweimal lebte
Mit extremen Weitwinkelaufnahmen arbeiteten 1966 Regisseur John Frankenheimer und sein Kameramann James Wong Howe für den Film "Der Mann, der zweimal lebte". Erzählt wird die Geschichte eines Bankangestellten, der sich mit Hilfe plastischer Chirurgie eine neue Identität verschafft. Doch die entpuppt sich als heimtückisch. Ein Film, der heute sehr aktuell erscheint.
Bild: Courtesy of Park Circus/Paramount
Ikarie XB 1
Manche Bilder und Einstellungen aus dem tschechischen Film "Ikarie XB 1" von 1963 mögen dem ein oder anderen Zuschauer bekannt vorkommen. Kein Wunder, denn kein geringerer als Regie-Genie Stanley Kubrick schaute sich den Film von Regisseur Jindřich Polák an, um sich inspirieren zu lassen: für sein Meisterwerk "2001: A Space Odyssey".
Bild: National Film Archive, Czech Republic
Blade Runner
Neben den Entdeckungen aus Osteuropa oder Wiederausgrabungen selten gezeigter Filme etwa aus Hollywood oder Japan zeigte die Berlinale-Retrospektive aber auch Klassiker des Genres. So ist der Science Fiction-Film "Blade Runner" von Ridley Scott aus dem Jahre 1982 noch heute ein Genuss für jeden Zuschauer - vor allem, wenn man ihn wieder einmal auf großer Leinwand sehen kann.
Bild: 2007 Warner Bros. Entertainment Inc.
Alien - Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt
Gleiches gilt für "Alien - Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt" vom gleichen Regisseur. "Blade Runner" und "Alien" sind Klassiker des Genres - und von beiden kommen in den nächsten Monaten Neuauflagen in die Kinos. Insofern war die Retrospektive "Future Imperfect" der 67. Berlinale auch eine gute Vorbereitung für die neue Kinosaison.
Bild: Courtesy of Park Circus / Twentieth Century Fox Film Corporation
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"Die perfekte Zukunft ist erzählerisch das Langweiligste, was man sich vorstellen kann“, sagt Reiner Rother, Leiter der Berliner Kinemathek. Und so waren bei der Berlinale vor allem Filme zu sehen, die eine düstere Zukunft schildern: "Science-Fiction profitiert von der Qualität der Untergangsbedrohung, von gesellschaftlichen Fehlentwicklungen, von Katastrophen, die zu überstehen sind oder gerade überstanden wurden." Erst dann könne sich in einem populären Medium wie dem Film eine Geschichte entfalten, die das Publikum auch emotional packt, meint Rother.
Hollywood, aber auch andere Kinonationen haben schon immer in die Zukunft geblickt
27 Beispiele des bis heute ungemein populären Filmgenres Science Fiction haben die Kuratoren ausgegraben, Werke aus aller Welt, natürlich aus Hollywood, aber auch aus Japan und Frankreich, aus Deutschland und aus einigen osteuropäischen Ländern.
Und wer nun meint, das Genre sei nur etwas für groß gebliebene Kinder, für Träumer und Phantasten, der irrt. Science Fiction hat auch immer sehr viel mit Gegenwart und Aktualität zu tun, intelligente Science-Fiction-Filme zumindest. "Die möglichen Welten auf der Erde oder im All eröffnen einen weiten Raum, um Fragen nach kollektiven Visionen und Ängsten immer wieder neu zu verhandeln", ist Festivaldirektor Dieter Kosslick überzeugt. Als Spiegel gesellschaftlicher Debatten seien Science-Fiction-Filme deshalb hochaktuell.
Der Zukunftsfilm hat in der Vergangenheit oft Visionäres beigesteuert
Erinnern gerade in diesen Tagen die vielen Populisten und Nationalisten weltweit nicht an die zahlreichen Science-Fiction-Phantasien in Film und Literatur? Auch die Tatsache, dass ausgerechnet George Orwells Roman "1984" gerade jetzt wieder die Bestsellerlisten erstürmt, ist Beleg dafür. Michael Andersons Filmversion aus dem Jahre 1956 war innerhalb der Retrospektive in Berlin zu sehen. Doch nicht nur der Blick in eine zumeist düstere (und nur ganz selten positiv besetzte) Zukunft war Thema der Retrospektive der 67. Berlinale.
Things to Come - Science Fiction in Berlin
Wie sieht die Welt von Morgen aus? Werden die Menschen andere Planeten betreten? Und werden sie dort auf fremde Lebewesen stoßen? Keine andere Kultursparte lotet diese Fragen so kühn und phantasievoll aus wie das Kino.
Bild: Johan Paulin, SVT und Matador Film Produktion
Lebendige Menschen?
Sind die echt? Und was heißt hier überhaupt echt? Gute Science-Fiction-Filme stellen immer grundlegende Fragen. In jüngster Zeit machen das auch wieder Fernsehserien - wie die schwedische Serie "Real Humans". Das "Museum für Film und Fernsehen" blickt in ihrer Ausstellung auf das Genre Science Fiction - und hat dabei glücklicherweise nicht nur die großen und bekannten Klassiker im Sinn.
Bild: Johan Paulin, SVT und Matador Film Produktion
Die sind wirklich echt ...
Zumindest sind es Schauspieler, lebender Bestandteil einer legendären Science-Fiction-Saga. "Star Trek" feiert 2016 fünfzigjähriges Jubiläum - und ist immer noch populär und beliebt. Erst vor kurzem kam der 13. Star-Trek-Kinofilm in die Lichtspielhäuser. Angefangen hatte es 1966 mit einer TV-Serie. Die Originalbesetzung ist auch in Berlin dabei - zumindest auf Fotos und Filmmaterial.
Bild: CBS Studios Inc. All Rights Reserved.
Angefangen hat es in Schwarz-Weiß
Heute ist Science Fiction bunt und digital, oft Pop und Kult. Früher war das anders. Auch der Science-Fiction-Film begann in Schwarz-Weiß und stumm. Dafür war er von Anfang an dabei, als es los ging mit dem Kino. Frühe Entwürfe für den französischen Film "Die Reise zum Mond" von Georges Méliès (1902) zeugen von dieser Tradition.
Bild: Collection Cinémathèque française, Paris
Traumbild vom Mond
Der Mond blieb lange ein Sehnsuchtsort der Menschen, und somit auch der Filmregisseure. Bis es 1969 den Amerikanern gelang den Planeten erstmals zu betreten. Bis dahin träumte man im Kino, wie es wohl sein würde auf dem Himmelsstern. In den 1950er Jahren boomte das Genre, hier ein Ausschnitt aus dem Hollywoodfilm "Destination Moon".
Bild: Deutsche Kinemathek
Traumwelten auch in der Bundesrepublik
Doch nicht nur die Amerikaner träumten. Auch in der Bundesrepublik der 1960er Jahre wurde phantasiert. Besonders originell in der legendären Fernsehserie "Raumpatrouille - Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffes Orion" (1966). Damals ein Straßenfeger - heute Kult.
Bild: BAVARIA GmbH
Science Fiction à la DDR
Was der Klassenfeind kann, das können wir schon lange, dachte sich die Produktionsfirma DEFA im anderen Teil Deutschlands. Auch in der DDR entstanden phantasievolle Science-Fiction-Filme - oft mit unterschwellig sozialistischer Botschaft. Wie sich die Bilder gleichen! Die Besatzung des Raumschiffes in "Im Staub der Sterne" (1976) hätte auch in einem westlichen Cockpit Platz nehmen können.
Bild: DEFA-Stiftung/Heinz Pufahl
Blick auf die Ränder
Die Berliner Ausstellung zeigt die großen Erfolge des Genres, bietet aber auch dem weniger Bekannten Raum und Platz. Ein sogenannter Doku-Fictionfilm aus Dänemark ist nicht gerade das, was man mit Science Fiction in Verbindung bringt. Doch "The Visit" von Michael Madsen stellt die Frage, was passiert, wenn Außerirdische unsere Welt betreten. Eine entscheidende Frage des Genres.
Bild: Heikki Färm
Begegnung fremder Welten
Die Ausstellung "Things to Come" im Berliner Film- und Fernsehmuseum (bis 23. April 2017) bietet vieles: einen Blick zurück auf 120 Jahre Science-Fiction-Film in Ost und West, eine Beschäftigung mit Kunst und Wissenschaft und dem Zusammenprall zwischen Realität und Fiktion. 300 Exponate sind zu sehen, darunter auch das Wesen von einem anderen Stern aus Wolfgang Petersens "Enemy Mine".
Bild: Marian Stefanowski, 2016
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Ein zweiter Schwerpunkt der historischen Filmschau war "das Fremde": Außerirdische bedrohen die Welt, ein klassischer Topos des Genres. Aber auch: Außerirdische kommen in friedlicher Absicht - was im Übrigen von den Menschen (in den Filmen) eher selten registriert wird. Auch das weckt Bezüge zum Hier und Jetzt. "Beim Konzept des 'Anderen' ist interessant zu sehen, dass 'das Andere' ja nicht immer nur in Gestalt einer aggressiven Invasion daherkommt, wie es zum Beispiel der 50er-Jahre-Klassiker 'The War of the Worlds' (USA 1953) darstellt," sagt Rainer Rother. "Am Fremden entscheidet sich auch, wie das Eigene definiert wird."
Interessant ist es natürlich auch, wie die Regisseure sich stilistisch dem Genre genähert haben. In Hollywood wurde oft viel Geld in die Produktionen gepumpt, gerade Science Fiction-Filme sind wegen der aufwändigen Studiobauten und tricktechnischer Raffinessen oft teuer. Im Zeitalter des Digitalen wird zwar am Set nicht mehr so viel gebastelt, doch die Arbeit am Computer macht die Produktionsbudgets nicht kleiner. Noch heute zählen die Science Fiction-Blockbuster zu den teuersten Produktionen überhaupt in Hollywood.
Im europäischen Film war nie so viel Geld im Spiel. Doch der Phantasie waren und sind auch hier keine Grenzen gesetzt. "Spannend sind gerade jene Science Fiction-Filme, die das Technische eher außen vor lassen", meint Rother: "Das ist bei europäischen Autorenfilmen häufiger der Fall als bei großen Hollywood-Produktionen. Also bei Filmen wie dem deutschen Großstadtthriller 'Kamikaze1989' (BRD 1982) oder der polnischen Endzeitvision 'Das Ende der Zivilisation' (Polen 1985)."
Science Fiction: Philosophische Implikationen
Das seien Filme, so Rother, die eine gewisse Zurückhaltung gegenüber dem Materialaufwand aufwiesen, der sonst für die Ausmalung glaubwürdiger Zukunftsstädte betrieben werde. Stattdessen werde mehr auf die philosophischen Implikationen solcher Zukunftsszenarien gesetzt. "Solche Filme sind oft auch düstere Filme. Da reflektieren Gesellschaften Zukunftsängste, die aus der eigenen Entwicklung hervorgehen."
Bis zum 23. April zeigt die Deutsche Kinemathek/Museum für Film und Fernsehen noch die Ausstellung "Things to Come. Science Fiction-Film" - für alle Berlinale-Zuschauer war das die perfekte Ergänzung zur Filmschau. Das "Museum of Modern Art" in New York, seit sechs Jahren Partner der Berlinale-Retrospektive, wird im Sommer 2017 ein erweiterte Schau zum Science Fiction-Film präsentieren.
Zur Retrospektive ist beim Verlag "Bertz + Fischer" der Band "Future Imperfect" von Rainer Rother und Annika Schaefer (Hrsg.) in englischer Sprache mit fünf Essays renommierter Autoren erschienen, 132 Seiten, zahlreiche Abbildungen, ISBN 978-3-86505-249-0.