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Die perfekte Zukunft ist langweilig

Jochen Kürten
3. März 2017

Wie sieht die Welt von Morgen aus? Und wie sieht das "Andere", das "Fremde" aus? Diese Fragen stellte vor kurzem die Retrospektive der Berlinale "Future Imperfect". Und gab Antworten, die in die Gegenwart führen.

Filmstill THX 1138
Verstörende Blicke in die Zukunft: Der Film "THX 1138" von Star-Wars-Regisseur George Lucas

"Die perfekte Zukunft ist erzählerisch das Langweiligste, was man sich vorstellen kann“, sagt Reiner Rother, Leiter der Berliner Kinemathek. Und so waren bei der Berlinale vor allem Filme zu sehen, die eine düstere Zukunft schildern: "Science-Fiction profitiert von der Qualität der Untergangsbedrohung, von gesellschaftlichen Fehlentwicklungen, von Katastrophen, die zu überstehen sind oder gerade überstanden wurden." Erst dann könne sich in einem populären Medium wie dem Film eine Geschichte entfalten, die das Publikum auch emotional packt, meint Rother.

Hollywood, aber auch andere Kinonationen haben schon immer in die Zukunft geblickt 

27 Beispiele des bis heute ungemein populären Filmgenres Science Fiction haben die Kuratoren ausgegraben, Werke aus aller Welt, natürlich aus Hollywood, aber auch aus Japan und Frankreich, aus Deutschland und aus einigen osteuropäischen Ländern.

Angst vor dem Fremden beherrscht viele Science-Fiction-Filme: "Invasion of the Body Snatchers"Bild: Courtesy of Park Circus/Paramount

Und wer nun meint, das Genre sei nur etwas für groß gebliebene Kinder, für Träumer und Phantasten, der irrt. Science Fiction hat auch immer sehr viel mit Gegenwart und Aktualität zu tun, intelligente Science-Fiction-Filme zumindest. "Die möglichen Welten auf der Erde oder im All eröffnen einen weiten Raum, um Fragen nach kollektiven Visionen und Ängsten immer wieder neu zu verhandeln", ist Festivaldirektor Dieter Kosslick überzeugt. Als Spiegel gesellschaftlicher Debatten seien Science-Fiction-Filme deshalb hochaktuell.

Der Zukunftsfilm hat in der Vergangenheit oft Visionäres beigesteuert

Erinnern gerade in diesen Tagen die vielen Populisten und Nationalisten weltweit nicht an die zahlreichen Science-Fiction-Phantasien in Film und Literatur? Auch die Tatsache, dass ausgerechnet George Orwells Roman "1984" gerade jetzt wieder die Bestsellerlisten erstürmt, ist Beleg dafür. Michael Andersons Filmversion aus dem Jahre 1956 war innerhalb der Retrospektive in Berlin zu sehen. Doch nicht nur der Blick in eine zumeist düstere (und nur ganz selten positiv besetzte) Zukunft war Thema der Retrospektive der 67. Berlinale.

Ein zweiter Schwerpunkt der historischen Filmschau war "das Fremde": Außerirdische bedrohen die Welt, ein klassischer Topos des Genres. Aber auch: Außerirdische kommen in friedlicher Absicht - was im Übrigen von den Menschen (in den Filmen) eher selten registriert wird. Auch das weckt Bezüge zum Hier und Jetzt. "Beim Konzept des 'Anderen' ist interessant zu sehen, dass 'das Andere' ja nicht immer nur in Gestalt einer aggressiven Invasion daherkommt, wie es zum Beispiel der 50er-Jahre-Klassiker 'The War of the Worlds' (USA 1953) darstellt," sagt Rainer Rother. "Am Fremden entscheidet sich auch, wie das Eigene definiert wird."

Teurer Science Fiction - phantasiereicher Science Fiction

Interessant ist es natürlich auch, wie die Regisseure sich stilistisch dem Genre genähert haben. In Hollywood wurde oft viel Geld in die Produktionen gepumpt, gerade Science Fiction-Filme sind wegen der aufwändigen Studiobauten und tricktechnischer Raffinessen oft teuer. Im Zeitalter des Digitalen wird zwar am Set nicht mehr so viel gebastelt, doch die Arbeit am Computer macht die Produktionsbudgets nicht kleiner. Noch heute zählen die Science Fiction-Blockbuster zu den teuersten Produktionen überhaupt in Hollywood.

Rainer Werner Fassbinder als Darsteller in "Kamikaze 1989"Bild: Ziegler Film/Ursula Röhnert

Im europäischen Film war nie so viel Geld im Spiel. Doch der Phantasie waren und sind auch hier keine Grenzen gesetzt. "Spannend sind gerade jene Science Fiction-Filme, die das Technische eher außen vor lassen", meint Rother: "Das ist bei europäischen Autorenfilmen häufiger der Fall als bei großen Hollywood-Produktionen. Also bei Filmen wie dem deutschen Großstadtthriller 'Kamikaze 1989' (BRD 1982) oder der polnischen Endzeitvision 'Das Ende der Zivilisation' (Polen 1985)."

Science Fiction: Philosophische Implikationen

Das seien Filme, so Rother, die eine gewisse Zurückhaltung gegenüber dem Materialaufwand aufwiesen, der sonst für die Ausmalung glaubwürdiger Zukunftsstädte betrieben werde. Stattdessen werde mehr auf die philosophischen Implikationen solcher Zukunftsszenarien gesetzt. "Solche Filme sind oft auch düstere Filme. Da reflektieren Gesellschaften Zukunftsängste, die aus der eigenen Entwicklung hervorgehen."

Bild: Bertz Verlag

Bis zum 23. April zeigt die Deutsche Kinemathek/Museum für Film und Fernsehen noch die Ausstellung "Things to Come. Science Fiction-Film" - für alle Berlinale-Zuschauer war das die perfekte Ergänzung zur Filmschau. Das "Museum of Modern Art" in New York, seit sechs Jahren Partner der Berlinale-Retrospektive, wird im Sommer 2017 ein erweiterte Schau zum Science Fiction-Film präsentieren. 

Zur Retrospektive ist beim Verlag "Bertz + Fischer" der Band "Future Imperfect" von Rainer Rother und Annika Schaefer (Hrsg.) in englischer Sprache mit fünf Essays renommierter Autoren erschienen, 132 Seiten, zahlreiche Abbildungen, ISBN 978-3-86505-249-0.

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