Die Philippinen als "Argentinien Asiens"
22. Juli 2005Die wegen einer Wahlbetrugsaffäre bedrängte philippinische Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo will die Vorwürfe von einer Wahrheitskommission prüfen lassen. Dabei gehe es um "moralische Verantwortung und die Notwendigkeit, Vertrauen wiederherzustellen", schrieb die Staatschefin am Dienstag (19.7.2005) in einem offenen Brief an die philippinische Bischofskonferenz. Die Mitglieder der Kommission könnten noch vor Arroyos Bericht zur Lage der Nation am 25. Juli benannt werden, fügte ihr Sprecher hinzu.
Hohe Politikverdrossenheit
Die Präsidentin ist politisch zwar angeschlagen, aber nicht am Boden. Der kollektive Rücktritt von zehn Kabinettsmitgliedern, die Rücktrittsforderung des einflussreichen Unternehmerverbandes Makati Business Club sowie die Abkehr der mitregierenden Liberalen Partei haben die Administration zwar geschwächt. Die Neutralität der katholischen Kirche und des Militärs sichern jedoch das politische Überleben Frau Arroyos. Auch die philippinischen Massen sind eher passiv, ja politikverdrossen. Somit, betont der philippinische Journalist Gabino Tabunar, der seit Jahrzehnten die Innenpolitik seines Landes verfolgt, sei die Situation heute ganz anders als 1986 und 2001, als gewaltige Volksaufstände zunächst die Diktatur von Ferdinand Marcos, später die Präsidentschaft von Josef Estrada vorzeitig beendeten. "Der Unterschied ist, dass die Menschen heute teilnahmslos und gleichgültig sind, und sie sind durch nichts angesteckt worden, was die vulkanische Wut auslösen könnte, die wir 1986 und selbst 2001 erlebt haben", sagt Tabunar.
Dennoch bleibt die politische Atmosphäre gespannt. Kaum ein Tag vergeht ohne neue Enthüllungen, Beschuldigungen und Demonstrationen. Aus der Sicht der Regierung - so Minister Defensor - befinde sich das Land lediglich einen einzigen Schritt vor dem Ausbruch von Gewalt.
Finanzexperten sind besorgt
Als Reaktion auf die anhaltende politische Krise haben Mitte Juli gleich drei internationale Rating-Agenturen ihren Ausblick für die Philippinen von "stabil" auf "negativ" heruntergestuft. Für das hoch verschuldete Entwicklungsland - die Staatsverschuldung beläuft sich auf knapp 70 Milliarden US-Dollar - bedeutet die Herabstufung noch höhere Kosten für den Schuldendienst.
Bereits heute wandert ein Drittel des philippinischen Staatshaushaltes in den Schuldendienst. Die Herabsetzung der Bonität hat dazu geführt, dass Manila höhere Risikozuschläge an die Banken zahlen muss. Das hat zur Folge, dass die Regierung immer weniger Geld produktiv im Land investieren kann. Längst bezeichnen Analysten und Finanzexperten die Philippinen sorgenvoll als das "Argentinien Asiens". Das Lateinamerikanische Land steckt seit Jahren in einer schweren Finanzkrise. In Manila regen sich zunehmend Stimmen, die eine Neubewertung der Auslandsschulden oder gar deren komplette Streichung verlangen.
Arroyo ist weiterhin zuversichtlich
Die angeschlagene Präsidentin will von all dem jedoch nichts wissen. Ihre Regierung ist - ganz im Gegenteil - nach Kräften bemüht, das Vertrauen der aufgescheuchten Investoren wiederherzustellen. "Wir sind durch diese Situation beschädigt, und wir müssen etwas unternehmen, um das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit vor allem in Finanzkreisen und in der Wirtschaft wiederherzustellen", sagt Mike Defensor, Umweltminister und Frau Arroyos engster Vertrauter.