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Die Rechte in Griechenland vor der Wahl

Kaki Bali Athen
10. Mai 2023

15 Parteien am rechten Rand wollten an den griechischen Parlamentswahlen am 21. Mai teilnehmen. Doch fast die Hälfte ist am Obersten Gericht gescheitert, darunter die Nachfolgepartei der Goldenen Morgenröte.

Bei Protesten in Griechenland wegen des Zugunglücks vom 8.03.2023 wird ein Bild von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis hochgehalten, das mit dicken roten Balken durchgestrichen ist
Proteste in Griechenland gegen Ministerpäsident Kyriakos Mitsotakis Bild: Alexandros Avramidis/REUTERS

Kurz vor den Wahlen in Griechenland herrscht viel Unruhe im rechten bis rechtsextremen Lager. 50 Listen haben einen Antrag auf Teilnahme an den bevorstehenden Wahlen gestellt, 15 von ihnen stehen rechts von der regierenden konservativen Nea Dimokratia. Doch nicht alle wurden zu den Wahlen zugelassen. Zu denen, die nicht antreten dürfen, gehört die prominenteste rechtsextreme Partei, die Liste "Ethniko Komma-Ellines" (Nationale Partei-Griechen). Sie wurde gegründet von dem ehemaligen Abgeordneten Ilias Kasidiaris, der für die neofaschistische Partei Goldene Morgenröte im Parlament saß und lange als deren nächster Anführer gehandelt wurde.

Der bekennende Antisemit und Holocaustleugner, der am Arm das Tattoo eines Hakenkreuzes trägt, wurde im Oktober 2020 wegen Führens einer kriminellen Vereinigung zu einer Haftstrafe von 13 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Das hindert ihn aber nicht daran, aus dem Gefängnis heraus mit seinen Anhängern zu kommunizieren, Stimmung für seine Partei zu machen und Youtube-Videos zu verbreiten.

Oberstes Gericht schließt Rechtsextreme aus

Doch Anfang Mai 2023 machte das Oberste Gericht Griechenlands Kasidiaris' Ambitionen einen Strich durch die Rechnung und schloss die Partei von den Wahlen aus. In seiner 400 Seiten umfassenden Entscheidung wird ausführlich dokumentiert, dass Ilias Kasidiaris wegen Führung einer kriminellen Vereinigung verurteilt wurde, die ihm die Teilnahme am Wahlprozess verbietet. Außerdem rufe er zur Anwendung von Gewalt auf, fördere eine Politik, die die Demokratie nicht respektiere und darauf abziele, den demokratischen Staat und die rechtsstaatlichen Institutionen zu schwächen und zu zerstören, so die Begründung der Richter.

Ilias Kasidiaris vor dem Berufungsgericht in Athen am 21.10.2020Bild: LOUISA GOULIAMAKI/AFP

Es ist das erste Mal seit 1974, dass das Oberste Gericht eine Partei aus inhaltlichen und nicht nur formalen Gründen von der Teilnahme an den Wahlen ausgeschlossen hat.

Neonazis bleiben draußen 

Nach dieser Entscheidung ist klar: Keine militante rechtsextreme Partei wird es ins Parlament schaffen. Denn außer Ethniko Komma-Ellines sind weitere 13 Parteien von den Wahlen ausgeschlossen worden, einige von ihnen ebenfalls aus dem rechten politischen Spektrum.

"Ein Nachfolger der Goldenen Morgenröte wird nicht im nächsten Parlament sitzen. Das bedeutet aber nicht, dass es keine Nachfrage nach so einer rechtsradikalen Partei mehr gibt. Die Wähler dafür sind da", erklärt die Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Panteion in Athen, Vassiliki Georgiadou.

Ausschreitungen in Athen während eines Prozesses gegen Anführer der neofaschistischen Partei Goldene Morgenröte am 7.10.2020Bild: Costas Baltas/Reuters

Die Expertin für rechtsradikale Parteien rechnet damit, dass ein Teil dieser Wähler jetzt zu Hause bleiben wird, einige werden andere rechtsextreme Splitterparteien suchen, die ihren Ideen nahe stehen. Mindestens drei von ihnen wurden nicht zugelassen, allerdings aus rein formalen Gründen, z.B., weil sie voneinander Teile der Namen kopiert haben. Im rechten Spektrum wollen alle "hellenisch" und "patriotisch" heißen, alle versuchen, Stimmen u.a. mit Parolen gegen Migranten und gegen jeden Dialog mit der Türkei zu gewinnen. 

Die einzige "hellenische" Partei, die im Rennen geblieben ist und über die Dreiprozent-Hürde springen kann, ist die Elliniki Lisi (Griechische Lösung) von Kyriakos Velopoulos.

Ein TV-Verkäufer macht Politik

Elliniki Lisi sitzt seit 2019 im griechischen Parlament und hat viele Ähnlichkeiten mit der Alternative für Deutschland (AfD). "Die Partei von Velopoulos gehört zur Familie der populistischen radikalen Parteien der extremen Rechten, die gegen Einwanderung, Multikulturalismus und Globalisierung sind", erklärt Politikwissenschaftlerin Georgiadou.

Velopoulos präsentiert sich als wertkonservativer Euroskeptiker. In wirtschaftlichen Fragen steht er für den freien Markt, aber auch für einen starken Sozialstaat. Elliniki Lisi setzt sich für die Unterstützung der unteren sozialen Schichten ein, allerdings nur für Griechen, nicht für Zuwanderer.

Der Oberste Gerichtshof Griechenlands, der Areopag, entscheidet, welche Parteien zu den Wahlen zugelassen werden Bild: Wassilis Aswestopoulos/imago

Velopoulos begann seine politische Karriere im Trash-TV, als Verkäufer für alles Mögliche, von Salben, die jede Krankheit heilen, bis zu angeblichen Briefen von Jesus Christus. Seine Salben verkauft er auch heute noch auf mehreren Fernsehkanälen, inzwischen aber ohne heilige Korrespondenz. Während der Pandemie behauptete er sogar, dass seine Salben gegen Covid19 wirkten und man sich daher nicht impfen lassen müsse. Auch seine Bewunderung für die großen orthodoxen Brüder in Russland verbarg Velopoulos nie. Seit 15 Jahren sitzt er im Parlament, ursprünglich als Abgeordneter der rechtsextremen Partei LAOS, die mittlerweile mit der regierenden Nea Dimokratia praktisch verschmolzen ist und drei wichtige Minister in die Regierung Mitsotakis mitgebracht hat. Im Jahr 2016 gründete er seine eigene Partei.

Der Kampf um die Stimmen vom rechten Rand

Im rechten Parteienspektrum ist Velopoulos im Moment der größte Rivale der Nea Dimokratia (ND). Jede Stimme, die er bekommt, wird der Partei von Kyriakos Mitsotakis fehlen. Also ist es wichtig für die ND, die sehr konservativen Wähler für sich zu gewinnen. Auch mit Hilfe der Flüchtlingsfrage.

Der griechische Ministerpräsident besucht im Wahlkampf die Sperranlage am Grenzfluss EvrosBild: Dimtiris Papamitsos/Greek Prime Minister's Office/AP/dpa/picture alliance

Seit 2020 präsentiert sich Premierminister Mitsotakis als derjenige, der die Grenzen Griechenlands und Europas gegen die "Invasion von Migranten" schützt. Kurz vor den Wahlen ließ er sich vor dem Zaun am Fluss Evros an der Grenze zur Türkei fotografieren - ähnlich wie Donald Trump vor dem Zaun an der amerikanisch-mexikanischen Grenze. Außerdem entschied sich der Regierungschef, in der Evros-Region zu kandidieren. Der Schutz der Grenzen sei seine Priorität. Kann er Velopoulos mit dieser Taktik Wähler streitig machen? 

"Das Foto von Mitsotakis neben dem Zaun am Evros spielt natürlich eine Rolle", so Vassiliki Georgiadou. Es entziehe der extremen Rechten Stimmen. Die Professorin ist aber davon überzeugt, dass diese Botschaft von Mitsotakis nicht nur die Wähler der Rechten anspricht, sondern darüber hinaus einen großen Teil der griechischen Wählerschaft. "Nicht nur konservative und nationalistisch orientierte Wähler haben eine negative Haltung gegenüber Einwanderung", erläutert sie. Es sei eine Haltung, die sich seit den 90er-Jahren verfestigt habe. "Obwohl in unserem Land jetzt albanische Migranten in der dritten Generation leben, sehen wir aus Umfragen, dass anti-albanische Ressentiments in der griechischen Gesellschaft breite Resonanz finden."