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Politik

Rechtsextreme Gefahr: "Goldene Morgenröte"

Jannis Papadimitriou
21. Januar 2020

Der jüngste Angriff auf den DW-Journalisten Thomas Jacobi führt deutlich vor Augen: In Griechenland sind die Rechtsextremen immer noch eine latente Gefahr. Im Fokus ist vor allem die "Goldene Morgenröte".

Griechenland Athen Demo Rechtsextreme
Bild: picture-alliance/abaca/P. Tzamaros

Vergeblich sucht man die Zentrale der griechischen Neonazi-Partei "Goldene Morgenröte" an der vielbefahrenen Mesogeion-Allee im Norden Athens. Das einstige Prachthaus steht leer, in der Nachbarschaft eröffnen Discountshops, die Rechtsextremen sind längst ausgezogen. Der Grund: Seit ihrer Wahlniederlage im vergangenen Juli ist die "Goldene Morgenröte" nicht mehr im Athener Parlament vertreten, ihre Finanzquellen versiegen, selbst für die Büromiete reicht das Geld nicht.

Die Neonazis waren in Krisenzeiten zur drittgrößten Kraft in Hellas aufgestiegen, doch nun stehen sie scheinbar vor dem Aus - nicht zuletzt auch deshalb, weil sich die Schwergewichte der Partei vor Gericht wegen "Bildung einer verbrecherischen Organisation" verantworten müssen. Der Strafprozess begann 2014, nachdem ein Parteimitglied den Musiker und Aktivisten Pavlos Fyssas in der Hafenstadt Piräus erstochen hatte. Auch weitere, zum Teil ausländerfeindliche Straftaten beschäftigen derzeit das Gericht. Nach mehreren Verzögerungen wird das Urteil im Mai erwartet. 

DW-Journalist Thomas Jacobi nach der Prügelattacke am 19. Januar in Athen.Bild: AFP/L. Gouliamaki

Und dann das: In ihrem Vorschlag für das Urteil erklärt die Athener Staatsanwältin Ende 2019, es läge doch kein genügender Beweis für eine "verbrecherische Organisation" vor. Das bedeutet nicht, dass die Täter straflos wegkommen. Doch nach Ansicht der Staatsanwaltschaft handelt es sich lediglich um einzelne Straftaten, die eine Einstufung der Partei als verbrecherische Organisation kaum rechtfertigen. Juristische Laien sind entsetzt. Parteichef Nikos Michaloliakos freut sich über die angebliche Rehabilitierung. Prompt erscheint der Kalender 2020 der "Goldenen Morgenröte" mit einem fett gedruckten Triumph-Spruch auf dem Cover: "Wir kommen zurück - und die Erde wird zittern". Am Sonntag (19.1.) meldeten sich die Rechtsextremen in der Tat zurück: Hunderte demonstrieren in Athen gegen die Flüchtlingspolitik der griechischen Regierung. An diesem Tag wird der deutsche Journalist Thomas Jacobi, der für französische Medien und für die Deutsche Welle arbeitet, attackiert und brutal zusammengeschlagen. Ein Comeback der Rechten?

Noch werden die Täter gesucht

Dass Rechtsextreme den Journalisten angegriffen haben, scheint außer Zweifel. Ob es Mitglieder der Goldenen Morgenröte waren, ist noch nicht erwiesen, zumal die Polizei nicht in der Lage war, sofort einzugreifen und die Täter ausfindig zu machen. Jacobi selbst berichtete gegenüber der DW, eine Gruppe von jungen Männern habe ihn angegriffen und dabei gesagt, sie hätten ihn als derjenigen wiedererkannt, der eine Dokumentation über die "Goldene Morgenröte" gefilmt hat. Es handelt sich um den preisgekrönten Film "Goldene Morgenröte - eine persönliche Angelegenheit", den Jacobi gemeinsam mit seiner griechisch-französischen Kollegin Angelique Kourounis gedreht hat, um die verbrecherischen Strukturen der Partei öffentlich zu machen. Derzeit arbeiten die beiden Filmemacher an einer Fortsetzung ihrer Dokumentation.

Aggressiv auch im griechischen Parlament: Abgeordneter der "Goldenen Morgenröte" im Mai 2016. Bild: picture-alliance/dpa/P. Saitas

Sind die Ewiggestrigen erneut auf dem Vormarsch in Hellas? Politikwissenschaftlerin Vassiliki Georgiadou, die über Rechtsextremismus forscht, bemüht sich um Sachlichkeit: "Ein Wiedererstarken der Goldenen Morgenröte ist zwar nicht zu erkennen", so Georgiadou im Gespräch mit der DW. Allerdings sei diese Partei immer noch eine dominierende Kraft innerhalb der rechtsextremen Bewegungen. Und: Es gebe ein breites Spektrum an rechtsextremistischen Positionen, das nicht durch die "Goldene Morgenröte" vertreten werde. In der Regel stünden Akteure in diesem Milieu in Konkurrenz zueinander, was jedoch nicht ausschließe, dass sie in Kontakt treten, erklärt sie. Gemeinsam mit ihren Kollegen Kostas Roumanias und Lambrini Rorri hat die Politikwissenschaftlerin Aktivitäten rechtsextremer Gruppierungen in Griechenland dokumentiert und statistisch ausgewertet. Fazit: "Einen Höhepunkt rechtsextremer Gewalt gab es im Wahljahr 2012, als die "Goldene Morgenröte" erstmals den Sprung ins Parlament schaffte. Direkt nach dem Prozessauftakt 2014 ließ die Zahl rechtsextremer Gewalttaten deutlich nach, doch in den nächsten Jahren verzeichnen wir einen weiteren Anstieg - und zwar kontinuierlich bis 2018".

Gewalt auf den griechischen Inseln

Besonders beunruhigend ist die steigende Zahl rechtsextremer Gewalttaten auf mehreren Inseln der Ägäis, in denen Flüchtlinge und Migranten ankommen. Über die genaue Identität der Täter kann man nur spekulieren. In früheren Jahren hat die "Goldene Morgenröte" offen zur Gewalt aufgerufen und gelegentlich sogar tätliche Angriffe auf Ausländer dokumentiert und ins Netz gestellt. Das ist nicht mehr der Fall. "In einigen Fällen berichten Lokalmedien auf den Inseln über angebliche Sympathisanten der Rechtsextremen, die gegen Flüchtlinge vorgehen", sagt Georgiadou. Die Partei selbst schweigt zu den Vorfällen. Fazit der Expertin: "Entweder sind neue Gruppierungen im rechten Spektrum aktiv oder die Mitglieder der "Goldenen Morgenröte" wollen ihre wahre Identität verbergen".

Rechtsextreme protestieren gegen Flüchtlinge im Februar 2016. Bild: DW/P. Zafiropoulos
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