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Politik

Die Republik Moldau am Scheideweg

Robert Schwartz
29. Oktober 2016

An diesem Sonntag wird in Moldau ein neuer Präsident gewählt - nach anderthalb Jahrzehnten wieder direkt vom Volk. Vom Ergebnis hängt es ab, ob die Ex-Sowjetrepublik auf Europa-Kurs bleibt.

Moldau Wahlen Plakate
Bild: picture-alliance/dpa/D. Doru

Es war das Verfassungsgericht, das Anfang des Jahres den Weg frei machte für die Direktwahl des moldauischen Präsidenten. Die bisherige Wahl durch das Parlament mit einer Dreifünftel-Mehrheit der Abgeordneten wurde für verfassungswidrig erklärt. Dies scheint aber auch das einzige Novum bei den Präsidentschaftswahlen am 30. Oktober zu sein. Denn wie bisher immer wieder seit der Unabhängigkeit der ehemaligen Sowjetrepublik vor 25 Jahren dreht sich alles um die Kernfrage: Quo vadis, Moldova? Annäherung an Moskau oder europäische Integration?

"Arena für Machtspiele"

In allen Umfragen liegt der pro-russische Sozialistenführer Igor Dodon vorn. Das Lager der pro-europäischen Parteien ist zerstritten und konnte sich erst wenige Tage vor der Wahl auf eine gemeinsame Kandidatin einigen: Maia Sandu, die frühere Bildungsministerin und eine der Speerspitzen im Kampf gegen die Korruption und Übermacht der Oligarchen.

Maia Sandu gilt als Verfechterin der pro-europäischen ReformenBild: picture-alliance/dpa/d. Doru

Bereits im Sommer 2015, als Zehntausende Moldauer gegen die korrupten Eliten auf die Straße gingen, hatte sich Sandu mit einer klaren Botschaft an die Demonstranten gewandt. Die moldauische Politikszene, sagte sie, sei "eine Arena für die Machtspiele unterschiedlicher Personen, die über die Ressourcen des Landes nach eigenem Gutdünken verfügen". Allein die Zivilgesellschaft könne diesen Zustand beenden und das Land wieder zukunftsfähig machen.

An diesem Sonntag können die Moldauer nun entscheiden, wem sie ihr Vertrauen schenken. Maia Sandu hat als Verfechterin pro-europäischer Reformen einen schweren Stand. Unter dem Deckmantel des Europa-Kurses haben die sogenannten pro-europäischen Regierungen das Land abgewirtschaftet und in eine schwere Finanz- und Wirtschaftskrise geführt. Trotz des Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Union steht die Republik Moldau kurz vor dem Kollaps. Als Strippenzieher hinter den Parteien gilt der umstrittene Geschäftsmann und Politiker Vlad Plahotniuc. Viele Moldauer - vor allem die junge Generation - trauen Maia Sandu zu, das Land aus dem Würgegriff der Oligarchen zu befreien.

Abkehr von Europa?

Der Chef der oppositionellen Sozialisten, Igor Dodon, sieht sich in seiner Politik bestätigt. Misswirtschaft und Korruption seien aus geopolitischen Gründen von der EU schweigend hingenommen worden, wiederholt er fast schon gebetsmühlenartig. In mehreren Interviews mit russischen Medien erklärte er, das Assoziierungsabkommen mit der EU sei ein schwerer Fehler gewesen. Er wolle als Präsident das Abkommen aufkündigen und sein Land näher an die Russische Föderation anbinden.

Igor Dodon will sein Land stärker an Russland anbindenBild: DW/J. Semenova

Sein zweites Hauptanliegen: Die Föderalisierung der Republik Moldau mit Einbeziehung der separatistischen Republik Transnistrien. Die abtrünnige Region gehört "de jure" noch zur Republik Moldau, ist aber seit 1992 "de facto" abgespalten und hat die Eingliederung in die Russische Föderation beantragt. Inzwischen wünscht sich knapp ein Drittel der transnistrischen Bevölkerung einen Wiederanschluss an die Republik Moldau. Mit einer Föderalisierung der Republik Moldau wäre auch der Traum der "Unionisten" in Chisinau und Bukarest über eine mögliche Wiedervereinigung der Moldau mit Rumänien endgültig geplatzt.

Ein dritter Punkt in seinem Programm: die Neutralität der Republik Moldau. Dodon lehnt jegliche Zusammenarbeit seines Landes mit der NATO ab. Mehrmals kritisierte er die gemeinsamen Manöver der moldauischen Armee mit der Allianz und erklärte, er wolle die Sicherheitsstrategie seines Landes grundlegend ändern. "Auf dem Gebiet unseres Landes werden wir weder NATO-Truppen, noch Soldaten aus anderen Staaten dulden", sagt er. Dass er dabei die Präsenz russischer Truppen in der separatistischen Region Transnistrien nicht erwähnt, dürfte nicht weiter verwunderlich sein.

Unklare Umfragen

In den jüngsten Umfragen liegt Igor Dodon mit 27 Prozent an der Spitze der Wählergunst. An zweiter Stelle folgt Maia Sandu mit rund 10 Prozent. Das Ergebnis täuscht allerdings, weil die Umfragen vor der Entscheidung der pro-europäischen Parteien durchgeführt wurden, einen gemeinsamen Kandidaten ins Rennen zu schicken. Zählt man die Werte des pro-europäischen Lagers zusammen, würde Sandu über 20 Prozent erreichen. Ob diese Rechnung aufgeht, wird sich am Wahlsonntag zeigen.

Es ist ohnehin fraglich, ob einer der beiden Kandidaten im ersten Wahlgang mindestens 50 Prozent der abgegebenen Stimmen erreichen kann. Sollte dies nicht der Fall sein, wird der Gewinner in einer Stichwahl am 13. November ermittelt. Es bleibt also spannend in der Republik Moldau.