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Die große Schuldenpulle

Bernd Gräßler29. Januar 2009

Bankenrettung und Konjunkturpakete kommen den Steuerzahler teuer zu stehen. Die Regierung verspricht schnelle Tilgung mit möglichen Bundesbankgewinnen, verheddert sich dabei aber in den Zahlen.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrueck mit erhobenem Zeigefinger am Rednerpult im Bundestag in Berlin. (AP Photo/Michael Sohn) ---
Peer Steinbrück: Kein Freund der unbefleckten Empfängnis in Sachen KonjunkturBild: AP

Kaum hatte die deutsche Regierung in Berlin Mitte Januar 2009 ihr 50-Milliarden-Konjunkturpaket beschlossen, schritt der Chef des Bundes der Steuerzahler, Karl-Heinz Däke, zur Tat. Er stellte die Schuldenuhr am Sitz der Organisation in der Französischen Straße in Berlin um. Seitdem zeigt sie pro Sekunde 4439 Euro neue Staatsschulden an.

Der Steuerzahlerbund geht in diesem Jahr von einer Rekord-Neuverschuldung des Staates in Höhe von 140 Milliarden Euro aus. 55 Milliarden gehen allein zu Lasten des Bundes, 15 Milliarden auf das Konto von Ländern und Kommunen. Außerdem stellt der Bund 70 Milliarden für kriselnde Banken bereit, wobei bisher allerdings erst 18 Milliarden von der Commerzbank in Anspruch genommen wurden.

Keine "unbefleckte Empfängnis"

Nicht nur der Steuerzahlerbund macht seine Bedenken öffentlich. Oppositionsführer Guido Westerwelle, FDP, orakelte vorwurfsvoll im Bundestag in Richtung Regierungsbank: "Die wenigsten, die hier sitzen, werden noch erleben, dass das zurückgezahlt ist, was Sie hier beschließen." Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, SPD, begegnet solchen Attacken zwar kühl. Doch das Erstaunen darüber, dass die Konjunkturprogramme mit höherer Neuverschuldung einhergehen, sei schon merkwürdig: "Man wird keine unbefleckte Empfängnis von Konjunkturprogrammen haben können."

Trotzdem: Nachdem Politiker, Journalisten und Wirtschaftsexperten die Regierung gedrängt hatten, gehörig viel Geld in die Hand zu nehmen, um die Konjunktur anzukurbeln, und diese schließlich den kräftigen Schluck aus der Schuldenpulle genommen hat, herrscht angesichts des wachsenden Schuldenberges jetzt im politischen Berlin Katerstimmung.

Merkels schwere Entscheidung

Bundeskanzlerin Angela Merkel, die lange gezögert hatte, bevor sie grünes Licht für ein zweites Konjunkturpaket gab, spricht von der schwersten innenpolitischen Entscheidung ihrer Amtszeit. Man werde alles tun, die neuen Schulden so schnell wie möglich wieder zu tilgen. Und außerdem: Es soll ganz bestimmt nie, nie wieder vorkommen! So wenigstens hören sich die Ankündigungen der Regierung an, eine Schuldenbremse in die Verfassung einbauen.

Bund und Länder sollen verpflichtet werden, entweder gar keine oder nur eine geringe Neuverschuldung einzugehen. Eine entsprechende Vereinbarung könnte die Föderalismuskommission auf ihrer Sitzung am 5. Februar treffen, wenn man sich einig wird.

Turbotilgung mit Sonderfonds?

Einen Teil der neuen Schulden, nämlich rund 21 Milliarden Euro, will die Regierung als Sonderfonds deklarieren. Dieser soll, als Signal festen Willens, durch Bundesbankgewinne besonders zügig getilgt werden. Als Paradebeispiel, wie so etwas geht, nannten Kanzlerin Merkel und Vizekanzler Steinmeier im Bundestag stolz den sogenannten Erblastentilgungsfonds, in dem seit 1995 Schulden aus der deutschen Vereinigung in Höhe von 170 Milliarden Euro getilgt worden seien, und zwar binnen 14 Jahren.

Die FDP wies mittlerweise allerdings nach, dass lediglich die Hälfte jener Schulden tatsächlich abgetragen wurden - vor allem durch Bundesbankgewinne und die Versteigerung von UMTS-Lizenzen. Die restlichen 85 Milliarden Tilgung wurden schlicht aus dem Bundeshaushalt bezahlt, und zwar indem neue Kredite aufgenommen wurden. Umschuldung statt Tilgung also. Für FDP-Chef Guido Westerwelle ein Beweis dafür, wie wenig den Zahlen der Regierung zu trauen sei.

Doch selbst wenn eines Tages die Wirtschaft wieder brummt, der Staat keine neuen Schulden mehr macht und er beginnt, alte Verpflichtungen abzutragen: Die Aufgabe ist immens. Derzeit ist der deutsche Staat bei seinen Gläubigern in In- und Ausland mit mehr als 1,5 Billionen (1500 Milliarden) Euro verschuldet, jeder einzelne Deutsche steht statistisch gesehen mit fast 19.000 Euro in der Kreide.

In 138 Jahren schuldenfrei

Der Steuerzahlerbund hat ausgerechnet: Würden ab sofort keine Schulden mehr aufgenommen und würde die öffentliche Hand gesetzlich verpflichtet, jeden Monat eine Milliarde Euro an Schulden zu tilgen, so würde dieser Prozess rund 138 Jahre lang andauern müssen, um den Schuldenberg vollständig abzutragen.

Da ist es nur ein schwacher Trost, dass es anderen ähnlich oder schlechter geht: Ein Japaner ist drei Mal so hoch verschuldet wie ein Deutscher. In den USA hat die Staatsschuld die 10 Billionen Dollar überschritten. Die berühmte Schuldenuhr in der Nähe vom Times Square benötigte deshalb schon im Oktober vergangenen Jahres eine neue Stelle.

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