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PolitikNahost

Die humanitäre Lage im Sudan

24. April 2023

Deutschland und andere Länder haben viele ihrer Bürger aus dem umkämpften Sudan evakuiert. Die Sudanesen sind dagegen auf sich gestellt. Wie steht es um ihre Versorgung? Die wichtigsten Fragen im Überblick.

Sudan Khartum | Flucht Bewohner vor Kämpfen
Menschen warten mit Koffern an einer Haltestelle in Khartum - viele versuchen in den Tschad zu fliehen Bild: EL TAYEB SIDDIG/REUTERS

Wie viele Menschen wurden aus dem Sudan evakuiert?

Die Evakuierungsflüge aus dem umkämpften Sudan dauern derzeit noch an. Der Außenbeauftragte der Europäischen Union, Josep Borrell, erklärte am Montag, es seien über tausend EU-Bürger aus dem Sudan evakuiert worden. "Es war eine komplexe und erfolgreiche Aktion", so Borrell. Bis Freitag hatten sich Angaben eines EU-Vertreters zufolge noch rund 1500 EU-Bürger in Khartum befunden. Wie viele EU-Bürger jetzt noch in dem Land ausharren, ist unbekannt. Auch Deutsche könnten sich noch dort befinden. Seit mehr als einer Woche gibt es im Sudan Kämpfe zwischen Armee und Miliz, mehrere hundert Menschen wurde dabei getötet.

Die deutsche Bundeswehr hat mit ihrem Evakuierungseinsatz auch zahlreiche Menschen aus anderen Staaten aus dem umkämpften Sudan ausgeflogen. Agenturberichten zufolge befanden sich unter den 311 Evakuierten der ersten drei Flüge auch 42 Niederländer. 

Dagegen hinkt das Vereinigte Königreich bei Evakuierungsflügen hinterher. Mehrere im Sudan festsitzende britische Bürger erklärten laut Medienberichten, sie fühlten sich von der Regierung "verlassen". Derzeit befinden sich rund 2000 Briten in dem Land.

Auch andere Staaten haben ihre Evakuierungen begonnen. Die USA holten mit Militärhubschraubern knapp 100 Botschaftsangehörige aus Khartum. Weitere Evakuierungsmaßnahmen wollen die USA in den kommenden Tagen nicht starten, erklärten US-Beamte.

Schnelle Hilfe hat auch Saudi-Arabien geleistet. Die Marine des Königreichs holte rund 150 Personen - auch Bürger andere Staaten der Golfhalbinsel - aus dem Sudan.

Bundeswehrsoldaten bereiten in Jordanien einen Evakuierungsflug vor, 23.4. 2023Bild: Neumann/Bundeswehr/dpa/picture alliance

Können auch Sudanesen fliehen?

Sie sind weitgehend auf sich selbst angewiesen. In der ersten Woche des Konflikts flohen nach Angaben der Vereinten Nationen zwischen 10.000 und 20.000 Menschen aus dem Sudan in den Tschad, in dem bereits 400.000 sudanesische Flüchtlinge leben. Das Nachbarland sei schon jetzt mit der Versorgung der Geflohenen überlastet, erklärte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR.

Zudem haben sich Agenturberichten zufolge viele Sudanesen auf den Weg nach Ägypten gemacht. An dem abgelegenen Örtchen Arqin an der Grenze zu Ägypten stauten sich Busse mit Hunderten von Menschen, sagte der ägyptische Student Suliman al-Kouni der Nachrichtenagentur APNews.

Die Menschen fliehen zum einen vor den Kämpfen und zum anderen vor der drohenden Lebensmittelknappheit. Vielen Bäckereien in Khartum ist bereits das Mehl ausgegangen.

Wie groß die Not ist, verdeutlicht etwa ein Aufruf des sudanesischen Filmemachers Amjad Abu Alala auf Facebook. "Die Frau meines Onkels liegt (...) im Koma und braucht einen sicheren Transport", schreibt er in dem Netzwerk. "Falls es irgendwelche Vorschläge gibt, bitte!"

Die derzeitigen Fluchtbewegungen könnten nur der Anfang sein, deutet Cameron Hudson von der US-Denkfabrik Center for Strategic and International Studies (CSIS) an. Sobald es einen Waffenstillstand gebe, würden "Millionen Menschen versuchen, die Grenzen zu überqueren",

Kritiker bemängeln, dass die westlichen Staaten zwar ihre eigenen Angehörigen, aber keine sudanesischen Staatsbürger evakuiert haben.

Wie steht es um die humanitäre Lage in dem Land?

Nicht gut. Auch die Versorgung von Patienten ist gefährdet. In dem Land mit 46 Millionen Einwohnern sind laut dem sudanesischen Ärztekomitee nur noch 35 Krankenhäuser und Kliniken funktionstüchtig. Doch selbst diesen gehen die Medikamente aus. Angaben von Ärzte ohne Grenzen zufolge gibt es kaum noch Blutkonserven im Land.

"Die Versorgungslage im Sudan sei schwierig", sagt auch Stefan Brand von der Hilfsorganisation Care. In Khartum und anderen Städten sei die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Wasser gefährdet. "Care hat Mitarbeitende, die sich an unsicheren Standorten befanden, an sichere Orte gebracht, ist aber weiterhin im Land aktiv, um wichtige humanitäre Hilfe leisten zu können." Der Preis wichtiger Grundnahrungsmittel hat sich teils vervielfacht.

Vielen Familien gingen die Vorräte aus, schreibt der Generalsekretär der Welthungerhilfe, Mathias Mogge, auf der Webseite der Organisation. Die Wasserversorgung sei zusammen­gebrochen. Zudem seien Märkte niedergebrannt worden, und die Versorgungswege aus der Hauptstadt Khartum seien blockiert. 

Geschlossenes Geschäft in KhartumBild: AFP/Getty Images

Besteht Aussicht auf ein Ende der Gewalt?

Das ist offen. Nach einer gescheiterten Waffenruhe geht die Gewalt derzeit mit unverminderter Härte weiter. Die Gefechte haben sich von der Hauptstadt Khartum auf die Nachbarstadt Omdurman sowie mehrere Regionen des Landes, insbesondere Darfur, ausgebreitet.

"Die Kämpfe könnten schnell in einen anhaltenden Krieg abgleiten, der über die unruhigen Randgebiete auf die Nachbarländer übergreift", befürchtet die International Crisis Group. Dennoch sei ein Ende der Kämpfe nicht ausgeschlossen, sagt Hager Ali, Sudan-Expertin beim German Institute for Global and Area Studies (GIGA) in Hamburg. Die Gewalt ist das Ergebnis eines tiefen Risses zwischen der Armee und der RSF, die 2013 von dem Langzeit-Herrscher Omar al-Baschir gegründet worden war.

Der Gewinner müsse das Land weiterhin regieren, sich der Bevölkerung gegenüber legitimieren können und sich deren Forderungen nach Demokratie stellen, so Ali. "Je länger dieser Machtkampf aber andauert, desto mehr schwächt das beide Konfliktparteien langfristig, und desto mehr verschlechtert das auch Chancen, irgendwie noch irgendeine Legitimierung von der Bevölkerung zu bekommen", so Ali. "Das bringt beide in enormen Zugzwang, sich zu einigen."

Sudanesinnen fliehen vor den KämpfenBild: AFP

Wie groß ist die Gefahr, dass der Konflikt auf andere Länder in der Region überspringt?

Der Sudan befindet sich in einer politisch sehr instabilen Region. Er grenzt an insgesamt sieben Nachbarstaaten, deren politische Situation ebenfalls sehr fragil ist. Zudem sind dort Splittergruppen der Dschihadistenorganisationen Al-Kaida und "Islamischer Staat" (IS) präsent. All dies vergrößert das Risiko, dass die Gewalt auf andere Länder überspringen könnte.

Allerdings sei das nicht zwangsläufig, sagt Hager Ali. Viele der Spannungen im Sudan - so etwa Konflikte um Land und Bodenschätze - bestünden teils seit Jahren und hätten die Landesgrenzen dennoch nicht übersprungen. "Die Nachbarländer, allen voran Ägypten, haben kein Interesse an einer regionalen Ausbreitung des Konflikts. Denn Ägypten möchte mit Blick auf die Spannung mit Äthiopien mit dem Sudan keinen potenziellen Partner verlieren. Vor allem will es auch auf dem eigenen Gebiet sicherheitspolitische Konflikte verhindern. Die könnte durch eine Eskalation im Sudan aber provoziert werden. Eben darum versucht die Regierung in Kairo dazu beizutragen, den Konflikt im Nachbarland einzudämmen."

 

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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