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Mit Köpfchen für die Menschenrechte

Kersten Knipp10. Dezember 2012

Deutschlands Menschenrechtspolitik verzeichnet Erfolge, ihr Einfluss ist aber auch begrenzt. Umso mehr kommt es darauf an, auf kreative Weise für das Thema zu werben. Ein nicht immer leichtes Unterfangen.

Bild eines gefolterten Irakers, Juni 2005 (Foto: picture alliance)
Bild: picture-alliance/dpa

Die Menschenrechte sind klar definiert - spätestens seit 1948, als die Vereinten Nationen sie in der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" umrissen, die knapp und präzise Auskunft darüber gibt, welche Rechte weltweit und ausnahmslos für jeden Menschen gelten. Das Problem ist, dass sie damit längst noch nicht überall umgesetzt sind.

Denn in weiten Teilen der Welt hapert es mit den Menschenrechten. Sie werden vernachlässigt und unterlaufen, teils diskret, teils aber auch ganz offen verletzt. Fast 65 Jahre nachdem sie verkündet wurden, könnte es fast überall besser um sie stehen.

Vom Nutzen der Menschenrechte

Für jeden, der sich für Menschenrechte stark macht, stellt sich darum neben ethischen Überlegungen noch eine andere, in der politischen Praxis zentrale Frage: Wie überzeugt man Politiker aus Staaten, die sich mit den Menschenrechten (noch) schwer tun, diese in Zukunft stärker zu achten? Hat es, anders gesagt, einen konkreten politischen, gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Nutzen, Menschenrechte zu respektieren?

Die Bundesrepublik Deutschland folge in ihrer Politik zunächst moralischen Motiven, erklärt Markus Löning, der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung. Diesen fühle sie sich aufgrund der deutschen Geschichte ganz besonders verpflichtet. Ebenso sehe sie sich dem Engagement durch ihre freiheitliche und rechtsstaatliche Grundordnung verpflichtet.

Markus LöningBild: picture-alliance/dpa

Gleichzeitig argumentiere man aber auch mit dem Nutzen, den die Stärkung der Menschenrechte mit sich bringe. Hier könne man vor allem auf einen Umstand verweisen: dass Demokratie und Rechsstaatlichkeit den Status internationaler Beziehungen verbesserten. Ein Beispiel dafür sei die Beziehung der Bundesrepublik zu den osteuropäischen Ländern nach dem Epochenjahr 1989. "Man denke etwa an das Verhältnis zu Polen vor 25 Jahren. Heute ist Polen einer unserer engsten Freunde. Allein die Tatsache, dass ein Land eine Demokratie ist, erleichtert es, enge und vertrauensvolle Beziehungen zu haben."

Menschenrechte und Wirtschaft

Auch Imke Dierßen, Europaexpertin von Amnesty International, betont im Gespräch mit der Deutschen Welle zunächst die ethischen Grundlagen der Menschenrechte. Und auch sie weist auf andere Vorteile hin, die ihre Durchsetzung mit sich bringen. Dazu zählten etwa verbesserte wirtschaftliche Beziehungen. Unternehmen bräuchten für ihre Arbeit verlässliche Rahmenbedingungen. Darum agierten sie vorzugsweise in Ländern, in denen diese Grundvoraussetzungen gegeben seien. "Es handelt sich also um Länder, in denen das Justizwesen und die Gerichte, wie wir sie kennen, umgesetzt sind. Das ist notwendig, wenn man effektiv und zukunftsweisend investieren möchte. Darum müsste auch die Wirtschaft ein Interesse daran haben, dass Menschenrechte durchgesetzt werden."

Die Menschenrechte werben für sich selbst, davon ist auch der Politologe Eberhard Sandschneider, Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, überzeugt. Der Westen neige dazu, die Attraktivität seiner Werte zu unterschätzen. Doch im nicht-westlichen Ausland beobachte man sehr genau, welche Konsequenzen die Einhaltung der Menschenrechte mit sich bringe. "Weist man darauf hin, dass Menschenrechtspolitik in Europa auch erhebliche politische Stabilisierungseffekte nach sich gezogen hat, bekommen Menschenrechte auch in den Zielländern plötzlich eine ganz andere Funktion und einen ganz andere Stellenwert."

Hinrichtung durch Taliban-Kämpfer: Afghanistan, ein Problemfall in Sachen MenschenrechteBild: picture-alliance/dpa

Allerdings habe der Westen auch selbst Interesse daran, sich für die Umsetzung der Menschenrechte stark zu machen, erklärt Imke Dierßen. Wo diese nämlich über längere Zeit missachtet werden, entstehe erheblicher Druck, der sich in eruptiver Gewalt lösen könnte. Das erlebe man derzeit etwa in Syrien und - auf andere Weise - in Ägypten. Beide Länder seien in keiner Weise befriedet; und der Demokratisierungsprozess stehe, sofern er überhaupt begonnen habe, noch ganz am Anfang. "Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die EU. Man lebt geographisch in unmittelbarer Nähe. Und gerade aus sicherheitspolitischer und geostrategischer Sicht ist es wichtig, mit einem präventiven Ansatz dagegen vorzugehen. Und da spielen Menschenrechte eben eine große Rolle."

Moralische Ambivalenzen

Wiese die Bundesregierung auf Missstände hin, würden diese durchaus ernst genommen. Gerade die teils scharfen Reaktionen der Angesprochenen zeigten, wie unangenehm ihnen entsprechende Äußerungen seien. Zugleich fühlten sich aber auch all jene ermutigt, die unter der Missachtung der Menschenrechte zu leiden hätten. "Von Dissidenten - gerade aus China oder Osteuropa - höre ich immer wieder, wie wichtig die Kritik ist. Immer wieder sagen sie mir: Es ist sehr gut, dass ihr die Dinge klar und deutlich ansprecht. Allein die Tatsache, dass ihr Statements macht, nutzt und schützt uns."

Allerdings stehe die Menschenrechtspolitik der Bundesrepublik - wie auch die der anderen westlichen Staaten - vor einem Dilemma, erklärt Eberhard Sandschneider. Sie müsse sich auch mit Staaten auseinandersetzen, deren Regierungen ganz andere Vorstellungen von den Menschenrechten hätten. Der Umgang mit ihnen erfordere erhebliches diplomatisches Geschick, denn darüber könne die eigene Glaubwürdigkeit leicht verloren gehen. Gerade darum sei der Umgang mit ihnen aber umso notwendiger. "Ob wir wollen oder nicht: Wir müssen auch mit den bösen Buben dieser Welt zusammenarbeiten. Denn ohne diese Zusammenarbeit wäre eine Stabilisierung bestimmter Weltregionen gar nicht möglich."

Eberhard SandschneiderBild: DGAP/dapd

Kreativität ist gefragt

Gerade unter der Herrschaft dieser "bösen Buben" hätten die Bürger aber teilweise unerfüllbare Erwartungen an die westliche Menschenrechtspolitik, erklärt Markus Löning, der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung. Diese Erwartungen würden auch in den Medien des Landes geäußert, wo sie gelegentlich auch anklägerische oder gar polemische Formen annehme. Solche Kritik weist Löning zurück, denn wissentlich oder unwissentlich überschätze sie die Einflussmöglichkeiten der Bundesrepublik: "Es wird so getan, als hätten wir ein Instrument in der Tasche, benutzten es aber nicht. Das Instrument haben wir aber nicht."

Imke DierßenBild: Amnesty International

Westliche Menschenrechtspolitik kann ihren Einfluss geltend machen. Doch ihre Möglichkeiten sind begrenzt. Wunder kann sie nicht vollbringen. Umso mehr ist sie aber gefordert, kreative Wege und neue Argumente zu finden, um den Menschenrechten zum Durchbruch zu verhelfen.

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