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Glaube

Die Sicherheit des Regenbogens

2. September 2023

Der Regenbogen ist Gottes Zusage an uns Menschen, dass wir unser Leben mit seiner sicheren Gegenwart leben können. Wir dürfen diese Sicherheit in aller Vielfalt zum Ausdruck bringen.

Deutschland | Zebrastreifen in Regenbogen-Farben in Bonn
Zebrastreifen in Regenbogen-FarbenBild: Robert Schmiegelt/Future Image/IMAGO

Es gibt die vielfältigsten und kuriosesten Aktions- und Gedenktage. Jüngst war zum Beispiel der Tag des Zebrastreifens. Als die Zebrastreifen 1952 eingeführt wurden, gab es aufgrund der zunehmenden Zahl der Autos im deutschen Straßenverkehr auch immer mehr Unfälle mit Fußgänger*innen. Und um diese zu schützen und ihnen ein sichereres Überqueren von Straßen zu ermöglichen, wurde der Zebrastreifen eingeführt. Zebrastreifen sorgen mittlerweile wie selbstverständlich tagtäglich für Sicherheit.

Ein besonderer Zebrastreifen ist mir seit Monaten sehr deutlich in Erinnerung, und der hat auch sehr viel mit Sicherheit zu tun, wenn auch aus anderen Gesichtspunkten: vor der Pfarrkirche in meinem Nachbarort, mitten in der belebten Innenstadt, haben Mitglieder der Pfarrei über den vorhandenen, schlicht weißen Zebrastreifen einen bunten Zebrastreifen in den Farben des Regenbogens angebracht. Diese Aktion, wenn auch nur temporär zu bestaunen, erregte durchaus Aufmerksamkeit. Die Regenbogenflagge ist ein international bekanntes Symbol für Frieden, Vielfalt und Toleranz; sie wird besonders verwendet, um die Solidarität oder auch Zugehörigkeit zur LGBTQ+-Community zu zeigen.

Der Regenbogen-Zebrastreifen sollte nun genau das übertragen auf die Pfarrei weithin sichtbar machen: in der christlichen Gemeinschaft hier vor Ort sind alle Menschen willkommen, egal welcher geschlechtlichen Identifikation oder in welcher Lebensform. Mehr noch, sie gehören schon zum Gemeindeleben und diese Vielfalt darf sichtbar sein. So ging es auch bei diesem Regenbogen um Sicherheit - für die Menschen in ihrer Vielfalt.

In der katholischen Kirche ist die Haltung zur LGBTQ+-Community durchaus umstritten. Ein besonders strittiger Punkt ist die Frage danach, ob gleichgeschlechtliche Paaren und ihrer Beziehung Gottes Segen zugesprochen werden kann und darf. Wohl wegen dieses Streitpunktes irritieren Regenbogenflaggen an und um Kirchen oder auf kirchlichen Veranstaltungen immer wieder. Bei manchen Menschen lösen sie eine positive Anerkennung für Christ*innen aus, auch für Seelsorgende, die sich vor Ort für die Anliegen von allen Menschen und allen Liebesbeziehungen einsetzen. Bei andern regt sich Widerspruch, da die Botschaft hinter den Flaggen als zu liberal oder antirömisch wahrgenommen wird. Es geht teilweise so weit, dass Fahnen gestohlen oder zerstört werden. Dabei ist das Motiv des Regenbogens noch viel mehr als ein sichtbares Zeichen für Vielfalt und Toleranz.

Das Motiv geht zurück auf die biblische Erzählung von der Besiegelung des Bundes zwischen Gott und den Menschen. Nach der Katastrophe der Sintflut erscheint der Regenbogen als Garantie, dass Gott die Erde nicht untergehen lassen wird. "Meinen Bogen setze ich in die Wolken, er soll das Bundeszeichen sein zwischen mir und der Erde.“ (Gen 9, 13) Gott verbindet sich in dieser Geschichte mit den Menschen. "Steht der Bogen in den Wolken, so werde ich auf ihn sehen und des ewigen Bundes gedenken." (Gen 9,16) Bis heute ist der himmlische Bogen daher für Menschen in der jüdischen und christlichen Tradition ein sichtbares Zeichen der Nähe Gottes und seines Schutzes.

Gott verspricht: Ich bin bei euch - immer, in allem. Der Regenbogen als Zeichen für eben diese Sicherheit.

Korrespondiert das Zeichen des Regenbogens als Zusage, dass Gott immer da ist nicht mit dem, was Segen für uns Christ*innen bedeutet? Wenn ich jemandem Segen zuspreche, sage ich diesem Menschen, dass Gott schon da ist. Immer, in allem.

Der Religionsphilosoph Romano Guardini schreibt: "Was im Segen eigentlich wirkt, was darin strömt, ist Gottes eigenes Leben. Er segnet mit sich selbst, segnend gibt Er sich selbst."

Segnen heißt im kirchlichen Latein "Benedicere". Das besteht aus zwei Wörtern: "bene", was "gut" bedeutet - und "dicere", was "sagen" heißt. "Benedicere" meint aber weit mehr als einfach "Gutes sagen", sondern "gutheißen". Es rührt an das Grundgute im Menschen als Geschöpf und Abbild Gottes. Dieses Abbild sein ist das Grundgute, das Göttliche. Trotz aller Fehler, trotz aller Schuld des Menschen bleibt dieses Göttliche. Segen ist ein Zeichen der Liebe Gottes und der Sicherheit des Menschen in dieser Liebe. Wer ist dann der Mensch, dass er darüber entscheidet, welche Menschen Gottes Segen empfangen dürfen und welche nicht?

Wirkt nicht Gottes Segen schon längst in allen Menschen und bringt die gelebte Liebe der Menschen untereinander nicht die Zusage Gottes und seine uns geschenkte Sicherheit zum Ausdruck? Strahlt nicht jede Liebe schon von sich aus wie ein Regenbogen und erinnert uns an die Sicherheit, die Gott gibt: "Ich bin bei euch. Immer in allem."?

Ich wünsche Ihnen und mir, dass wir immer wieder vertrauen können auf die Liebe und Sicherheit durch Gott, in der kommenden Woche und darüber hinaus.

Sonja Stratmann: Jahrgang 1985, hat in Paderborn praktische Theologie studiert und arbeitet als Pastoralreferentin für das Bistum Münster. Seit 2020 ist sie verantwortlich für die Schulpastoral an den weiterführenden und berufsbildenden Schulen im Dekanat Bocholt-Rhede-Isselburg. Bild: Bistum Münster