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Politik

Sklaverei in Afrika: Noch lange nicht überwunden

Martina Schwikowski | Mahamadou Kane Bamako
2. Dezember 2021

Allen Verboten zum Trotz ist die Erbsklaverei in einigen Ländern Afrikas weit verbreitet. Strafverfolgungen scheitern häufig. Und es drohen neue Abhängigkeiten durch den Klimawandel und COVID-19.

Afrika Mauretanien Proteste gegen Sklaverei
Proteste gegen die Sklaverei in Mauretanien - Strafverfolgungen sind häufig erfolglos.Bild: Getty Images/AFP/Stringer

Cheickna Diarra stammt aus dem Dorf Baramabougou in der Region Kayes in Mali. Dort ist die Praxis der Sklaverei durch Abstammung weit verbreitet. Auch Diarra unterlag der Macht derjenigen, die sich als seine "Herren" bezeichneten und die ihn misshandelten.

2019 entkam er nach dem Besuch eines Freundes nur knapp dem Tod. "Auf dem Heimweg versperrten mir etwa 20 Jugendliche aus dem Dorf den Weg, ohne mich zu fragen, woher ich kam und was ich hier tat. Sie stürzten sich sofort mit Stöcken auf mich und verprügelten mich, bis ich zu Boden fiel und das Bewusstsein verlor", sagte Diarra im DW-Interview.

Er konnte sich nur dank der Schreie seiner Verwandten retten, die andere Dorfbewohner alarmierten und zu Hilfe kamen.

Anzeigen finden keine Beachtung

"Wir haben unsere Felder seit 2018 nicht mehr bewirtschaftet. Diejenigen, die behaupten, unsere Herren zu sein, haben uns verboten, in den Laden oder auf das Feld zu gehen oder das Dorf zu verlassen." Schließlich erstattete Diarra Anzeige gegen unbekannt wegen Misshandlung.

Vergebens. Er floh in die Hauptstadt Bamako und lebt heute als Binnenflüchtling in einem Lager mit 130 Menschen - viele haben resigniert angesichts ihrer Anzeigen, die nicht zum Erfolg führten. 

In Mauretanien leben frühere Sklaven in armseligen Hütten am Stadtrand von NouakchottBild: Robert Asher

Der Verein Temedt setzt sich für die Abschaffung der Abstammungs- oder Erbsklaverei in Mali ein. Raichatou Walet Altanata ist die Vizepräsidentin. "Als Menschenrechtsorganisation prangern wir das Phänomen seit 2006 an. Aber wir hatten noch keinen einzigen Fall, der wegen Sklaverei vor Gericht kam. Die Behörden finden immer Ausflüchte", kritisiert Altanata im DW-Interview. Mal werde es als Gewaltakt behandelt, mal als Straftat, aber der eigentliche Hintergrund, die Sklaverei, werde nicht betrachtet.

Dieses Verhalten stehe im Widerspruch zu den internationalen Texten, die Mali zur Bekämpfung der Sklaverei ratifiziert hat. Aber auch zum Grundgesetz des Landes, das besage, die Würde des Menschen sei unantastbar.

Die Praktik, dass der Sklavenstatus vererbt wird, ist im gesamten Sahelgürtel Afrikas, einschließlich Mauretanien, Niger, Mali, Tschad und Sudan, noch immer anzutreffen, schreibt die Menschenrechtsorganisation Anti-Slavery. So müssten die Menschen beispielsweise ohne Bezahlung Tiere hüten, auf den Feldern oder in den Häusern ihrer angeblichen Besitzer arbeiten. Auch in vielen anderen afrikanischen Gesellschaften gebe es eine traditionelle Hierarchie, in der die Menschen als Nachkommen von Sklaven oder Sklavenhaltern bekannt sind. Mauretanien hatte als letztes Land der Welt 1981 Sklaverei verboten. Doch die Realität sieht auch dort häufig anders aus.

Moderne Sklaverei: Menschen unter Druck

Ein Blick zurück: Am 2. Dezember 1949 verabschiedeten die Vereinten Nationen die Konvention zur die Bekämpfung des Menschenhandels und der Ausbeutung anderer Personen. Gleichzeitig wurde der 2. Dezember als Welttag zur Abschaffung der Sklaverei ausgerufen. Mehr als 70 Jahre danach hat das Übereinkommen nicht an Relevanz eingebüßt.

Senegal: Ein Mahnmal erinnert an Zehntausende Sklaven, die von dort im 18. Jahrhundert verschifft wurdenBild: Imago/epd

"Es wurden zwar große Fortschritte beim Verständnis der modernen Sklaverei und der dahinter stehenden Kräfte erzielt, aber wir haben noch einen sehr langen Weg vor uns, wenn wir sie endgültig beenden wollen", sagt Jasmine O'Connor, Vorsitzende von Anti-Slavery International im DW-Interview. "Millionen von Menschen auf der ganzen Welt leben in Sklaverei, und der zunehmende Druck macht viele noch anfälliger für die Tricks von Menschenhändlern."

Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sind weltweit mehr als 40 Millionen Menschen Opfer moderner Sklaverei - ein Viertel der Betroffenen sind Kinder. O'Connor erwartet einen Anstieg insbesondere der Zahlen zur Versklavung von Kindern, die in Kürze veröffentlicht werden sollen.

Zur modernen Sklaverei zählt auch die Zwangsheirat für junge MädchenBild: Bernardo Jequete/DW

Obwohl moderne Sklaverei nicht gesetzlich definiert ist, wird sie als Oberbegriff für Praktiken wie Zwangsarbeit, Schuldknechtschaft, Zwangsheirat, Menschenhandel und die Zwangsrekrutierung von Kindern für bewaffnete Kämpfe verwendet. Am häufigsten betroffen sind Menschen in Afrika, gefolgt von Asien und dem pazifischen Raum.

Kinderarbeit nach 20 Jahren angestiegen

Weltweit sind laut ILO 15,4 Millionen Menschen von Zwangsheirat betroffen. In Zwangsarbeit sind 24,9 Millionen. Davon werden zwei von drei Menschen im privaten Sektor ausgebeutet, beispielsweise als Hausangestellte, im Baugewerbe oder in der Landwirtschaft; 4,8 Millionen Menschen werden sexuell ausgebeutet, und 4 Millionen Menschen werden von staatlichen Behörden zur Arbeit gezwungen, sagt die ILO. Die Zahlen der UN-Organisation stammen aus dem Jahr 2016, neuere liegen nicht vor.

Pandemie und Klimawandel fördern Ausbeutung

Die Anti-Slavery-Vorsitzende O'Connor fordert mehr mutiges Handeln, in jedem Land wirksame Gesetze, Untersuchungen und Präventionsmaßnahmen, um die Sklaverei auszurotten. Immerhin hätten die G7-Staaten Sklaverei als Thema von größter Bedeutung erkannt. Es gäbe auch Erfolge zu verbuchen durch juristische Siege - auch in Bezug auf Sklaverei der Abstammung in Westafrika - sowie durch politische Veränderungen.

Allerdings nehmen Stressfaktoren zu, die immer mehr Menschen in verzweifelte Situationen bringen. "Das vergangene Jahr war geprägt von der COVID-19-Pandemie und dem Klimawandel. Wir haben gesehen, wie diese Faktoren immer mehr Menschen in die ungeplante Migration und unsichere, gefährliche Arbeit treiben und sie damit einem hohen Risiko der Ausbeutung aussetzen", sagt O'Connor.

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