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PolitikSlowakei

Die Slowakei an der Seite Ungarns? - Ja und Nein

Luboš Palata
18. Dezember 2023

Der neue slowakische Premier Fico fährt innenpolitisch einen ähnlichen Kurs wie Ungarns Orban. Er versucht, den Kampf gegen Korruption einzuschränken. Außenpolitisch steht er dagegen bislang nicht an der Seite Orbans.

Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico betritt den Saal eines Rundtischgesprächs am 06.10.2023 in Brüssel, unter dem linken Arm trägt er einen Aktenordner
Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico in Brüssel bei einem Gipfeltreffen am 06.10.2023Bild: Omar Havana/AP Photo/picture alliance

Wenn Ungarns Ministerpräsident   Viktor Orban sich beim EU-Gipfel Unterstützung von  Robert Fico für seinen Kurs der Obstruktion erhofft hatte, wurde er enttäuscht. Der neue slowakische Ministerpräsident schloss sich der großen Mehrheit der EU-Staaten in Brüssel an und unterstützte die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine, wenn auch unter Vorbehalt. "Wir werden der Entscheidung der Europäischen Union, Verhandlungen mit der Ukraine aufzunehmen, nicht im Weg stehen", sagte Fico vor Reportern nach seiner Ankunft in Brüssel.

Im Vorfeld hatten Beobachter befürchtet, er könne auf den Kurs seines ungarischen Kollegen einschwenken, auch weil er im Wahlkampf eine rigoros anti-ukrainische Haltung eingenommen hatte. Orban selbst blieb also der einzige Regierungschef, der dem Beginn von Beitrittsgesprächen mit der Ukraine und der Republik Moldau nicht zustimmen wollte. Vor dem entscheidenden Votum verließ er den Saal, so dass alle anderen Staats- und Regierungschefs die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen einstimmig beschließen konnten.

Annäherung an die Ukraine

Orban bestand jedoch auf sein Veto gegen die 50-Milliarden-Euro-Hilfe für die Ukraine. Doch auch in dieser Frage konnte er Fico nicht auf seine Seite ziehen. "Ich bin froh, dass es 26 Staaten geschafft haben, sich auf diesen Kompromissvorschlag zu einigen. Es ist ein guter Kompromiss", sagte Tschechiens Ministerpräsident Petr Fiala am Freitag (15.12.2023). Aufgrund der geschichtlich bedingten traditionell engen tschechisch-slowakischen Beziehungen, steht Fiala in sehr engem Kontakt mit Fico.

Viktor Orban beim EU-Gipfel in Brüssel am 14.12.2023Bild: Omar Havana/AP/picture alliance

Von den markigen anti-ukrainischen Sprüchen des slowakischen Ministerpräsidenten vor der Wahl ist inzwischen wenig übriggeblieben. Stattdessen zeigte er seinen Wunsch nach guten Beziehungen zum großen Nachbarland. Seine Regierung erlaubt die Fortsetzung der kommerziellen Waffenlieferungen der Slowakei an die Ukraine und hat Kiew Hilfe bei der Minenräumung angeboten. Zudem kündigte Fico auf dem Gipfel in Brüssel an, im Januar Gespräche mit dem ukrainischen Premierminister Denys Smyhal an der gemeinsamen Grenze führen zu wollen.

Fico gegen die Sonderstaatsanwaltschaft 

Während Fico entgegen seiner Vorwahlrhetorik nicht auf Konfrontationskurs zu Kiew geht, führt er zu Hause in der Slowakei eine rigorose Säuberung der Polizei durch. Er zielt darauf ab, die mächtigsten Instanzen des Rechtsstaates, die Sonderstaatsanwaltschaft und das Sonderstrafgericht, durch eine blitzartige Gesetzesänderung zu liquidieren. Diese waren 2005 eingerichtet worden, um besonders schwere Verbrechen und Korruption zu verfolgen. 

Verteidigungsminister Robert Kalinak - auch er war im Visier der SonderstaatsanwaltschaftBild: picture alliance/dpa/CTK

In den vergangenen mehr als drei Jahren hatte die Sonderstaatsanwaltschaft Richter, Staatsanwälte, Polizeibeamte und einige hochrangige Politiker, die mit Ficos Smer-Partei verbunden waren, angeklagt und in einigen Fällen sogar verurteilt. Der ehemalige Innenminister und derzeitige Verteidigungsminister Robert Kalinak wurde in Untersuchungshaft genommen. Dutzende anderer Personen, darunter der ehemalige Sonderstaatsanwalt Dusan Kovacik, wurden verurteilt. Fico selbst wurde ebenfalls angeklagt und nur seine parlamentarische Immunität und die Entscheidung des Parlaments, ihn nicht der Strafverfolgung auszuliefern, schützten ihn vor der Untersuchungshaft.

"Die Sonderstaatsanwaltschaft ist eine Hochburg der Menschenrechtsverletzungen", wettert Fico nun. Sie sei zusammen mit dem Sondergericht und der Polizei eingesetzt worden, um einen politischen Kampf gegen seine Partei und ihn persönlich zu führen.

Der Doppelmord an Jan Kuciak und Martina Kusnirova

Fico war im Jahr 2018 nach der Ermordung des Investigativjournalisten Jan Kuciak und dessen Lebensgefährtin Martina Kusnirova von seinem Amt als Regierungschef zurückgetreten. Damals war es in der fünf Millionen Einwohner zählenden Slowakei zu einer riesigen Demonstrationswelle gekommen. Der Auftraggeber des Mordes ist immer noch nicht gefasst und das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Eine direkte Verbindung zu Fico und seiner Regierung konnte jedoch nicht nachgewiesen werden.

Der ermordete Journalist Jan Kuciak und seine Verlobte Martina Kusnirova auf einem Foto anlässlich einer TrauerfeierBild: Svancara Petr/CTK/dpa/picture alliance

Die im Zusammenhang mit dem Mord eingeleiteten Ermittlungen deckten jedoch ein umfangreiches Korruptionsnetzwerk unter Richtern, Staatsanwälten, Polizisten, Geschäftsleuten und Politikern, auch aus Ficos Partei Smer, auf. Trotzdem gewann Smer unter seiner Führung die vorgezogenen Wahlen Ende September und schaffte es, eine Regierung zu bilden. Unmittelbar nach der Machtübernahme leitete Fico erste Schritte zur sofortigen Abschaffung der Sonderstaatsanwaltschaft und des Sondergerichts ein. Noch vor Jahresende sollte das Verfahren im Eiltempo durch das Parlament. Diese Entscheidung trieb die Slowaken in den vergangenen Tagen erneut auf die Straße. "Er wollte uns hintergehen", sagte Michal Simecka, Chef der stärksten Oppositionspartei Progressive Slowakei am 12.12.2023 vor Tausenden von Demonstranten in Bratislava. "Er wollte es schnell machen, er wollte den Rechtsstaat noch vor Weihnachten stehlen, die Sonderstaatsanwaltschaft abschaffen und die Strafen für Korruption reduzieren."

Brüssel ist zum Einschreiten bereit

In der vergangenen Woche wurde der Kampf um die slowakische Rechtsstaatlichkeit bis ins Europäische Parlament getragen. Am vergangenen Mittwoch (13.12.2023) fand in Straßburg eine Debatte zwischen Vertretern der Europäischen Kommission und Europaabgeordneten zu diesem Thema statt. "Die Kommission wird nicht zögern, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um die Respektierung des EU-Rechts zu gewährleisten", versicherte EU-Justizkommissar Didier Reynders den Abgeordneten und stellte in Aussicht, die Auszahlung von EU-Geldern an die Slowakei einzuschränken.

Premier Robert Fico beim Europäischen Gipfel in Brüssel am 14.12.2023Bild: Omar Havana/AP Photo/picture alliance


Die Regierung Fico will das verhindern, indem sie ihre Schritte mit der Europäischen Kommission im Vorfeld koordiniert. "Wir machen keine Politik, indem wir kommen und auf den Tisch hauen", sagte Außenminister Juraj Blanar der DW.  "Wir wollen kommunizieren, wir wollen nichts im Verborgenen tun, weil uns an guten Beziehungen gelegen ist."

Die Europäische Kommission begrüßte dies und forderte die Slowakei auf, keine übereilten Maßnahmen gegen die Sonderstaatsanwaltschaft und andere Institutionen zu ergreifen. "Die Europäische Kommission muss abwarten, bis die fraglichen Gesetze in der Slowakei verabschiedet werden, bevor sie etwas dagegen unternehmen kann", sagte die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Vera Jourova, der DW.

Die Debatte im Europäischen Parlament und die Warnungen der Europäischen Kommission sorgten bei Fico für Verärgerung. Er warf der slowakischen Opposition vor, in Brüssel Stimmung gegen die Regierung in Bratislava zu schüren. "Nicht einmal Ratten tun so etwas", sagte er gegenüber slowakischen Medien. Die Oppositionsabgeordneten wiesen Ficos Vorwürfe zurück.

Luboš Palata Europaredakteur der tschechischen Tageszeitung "Deník".