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Politik

Die SPD - Auferstanden aus Ruinen?

9. März 2018

Die SPD-Spitze hat ihre künftigen Bundesminister vorgestellt und sich ins Wochenende verabschiedet. Keine Nachfragen, keine Interviews. Erstmal soll Ruhe einkehren in die aufgewühlte Partei. Aus Berlin Sabine Kinkartz.

Berlin Nahles und Scholz stellen SPD-Minister vor
Bild: Reuters/H. Hanschke

Die Spannung war schon raus, als das SPD-Führungsduo Andrea Nahles und Olaf Scholz am Freitagmorgen das rote, kreisrunde Podium in der SPD-Zentrale betraten. Nach und nach waren in den letzten Tagen alle Namen der drei Frauen und drei Männer durchgesickert, welche die Sozialdemokraten als Minister in das vierte Kabinett unter Kanzlerin Angela Merkel entsenden werden: Katarina Barley (Justiz), Franziska Giffey (Familie), Svenja Schulze (Umwelt), Olaf Scholz (Finanzen), Heiko Maas (Außen) und Hubertus Heil (Arbeit).

Nahles und Scholz genossen den Moment trotzdem sichtlich. "Wir haben uns vorgenommen, ein gutes Team aufzustellen, das hervorragend zusammenarbeiten kann, ein Team mit hoher Fachkompetenz und der Fähigkeit, große Apparate zu führen", sagte der kommissarische SPD-Chef, der einen kurzen Dank an die scheidenden SPD-Minister der alten Regierung richtete: Brigitte Zypries, Barbara Hendricks und Sigmar Gabriel. "Sie haben große Arbeit geleistet."

Es fehlte der Konfetti-Regen

Die eigentliche Vorstellung der Minister verlief kurz und knapp. Scholz und Nahles sagten zu jedem Einzelnen ein paar charakteristische Sätze, dann durfte die zahlreich erschienene Presse noch ein paar Fotos von der Gruppe machen und das war es. Keine Nachfragen, keine Statements der zukünftigen Amtsträger. Die nominierten Minister sollen bis zu ihrer Vereidigung keine Interviews geben. "Fehlte nur der Konfetti-Regen", frotzelte eine Journalistin.

Andrea Nahles und ihre Minister: Die "glorreichen Sieben"?Bild: Reuters/H. Hanschke

Offensichtlich wollte sich die SPD-Spitze den feierlich in Szene gesetzten Moment nicht verderben lassen. Ein kurzes Auf- und Durchatmen in bewegten Zeiten, in denen die SPD von Woche zu Woche tiefer in die Krise gerutscht ist. Zu viel ist schief gelaufen, gipfelnd im überstürzten Abgang des SPD-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten von 2017, Martin Schulz, der derzeit völlig von der Bildfläche verschwunden ist.

Sanierungsfall SPD

Wenn jetzt Bundestagswahl wäre, käme die SPD laut Umfragen auf gerade einmal 18 Prozent. In der Mitgliederbefragung hat ein Drittel der Genossen gegen eine erneute große Koalition mit CDU und CSU gestimmt. Dass nach dem Ergebnis der Abstimmung am vergangenen Sonntag nun auch die Namen der zukünftigen Minister trotz Schweigegebot vorab durchsickerten, wird von vielen in der Partei als weiteres Indiz dafür gedeutet, dass in der SPD selten etwas wirklich funktioniert.

In der Partei wird nun erwartungsvoll darauf gewartet, dass der Erneuerungsprozess losgeht. Vor allem die Gegner der erneuten Regierungsbeteiligung werden mit Argusaugen verfolgen, ob und wie die SPD den Spagat zwischen Koalitionsdisziplin und programmatischer Profilierung schaffen wird. Zwar trägt der Koalitionsvertrag eine deutlich sichtbare sozialdemokratische Handschrift. Aber wird das reichen, wieder mehr Bürger dazu zu bewegen, die SPD zu wählen?

Anmerkungen eines Genossen

Jemand, der das nicht glaubt, ist der gescheiterte SPD-Kanzlerkandidat von 2013 und vormalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück. In seinem neuen Buch "Das Elend der Sozialdemokratie" liest er seiner Partei harsch die Leviten. Denn seines Erachtens setzt die SPD die falschen politischen Schwerpunkte. Sie beschäftige sich mehr mit Partikularinteressen als mit dem, was den Großteil der Gesellschaft bewege.

Peer Steinbrück - MP3-Stereo

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So sei die "Ehe für alle" sicherlich ein wichtiger und richtiger Schritt zur Gleichstellung von Homosexuellen, so Steinbrück, aber "die Hymnen auf den Erfolg der Verabschiedung" des entsprechenden Gesetzes bei der SPD habe auf ihn wie eine "Selbstkrönung" gewirkt: "Für die breite Mehrheit in der Gesellschaft ist dieses Gesetz schlicht irrelevant."

Flüchtlinge und Sicherheit

Sehr viele Bürger würde vielmehr der "Verfall der Alltagskultur" und das damit einhergehende Thema "Sicherheit" beschäftigen. Steinbrück spricht von "Enthemmung" in der Gesellschaft bis hin zur "Rohheit". "Wenn Polizisten angegriffen, Bahnangestellte bespuckt und beschimpft und in Schulen auf das Böseste gemobbt wird, wenn in der Notaufnahme des Krankenhauses das Personal rüde angegangen wird, dann sind das Erfahrungen vieler Menschen und die würden von der SPD vielleicht mal gerne wissen, wie sie damit umgeht", konstatiert Steinbrück. 

Das gehe einher mit der Flüchtlingsproblematik und der Frage, "wieviel ethnische und religiöse Diversität" die deutsche Gesellschaft eigentlich vertrage. Vor allem beim Thema Integration lasse sich die SPD "von einer ehrenwerten Gesinnung den Blick auf Realitäten trüben". Es gebe große Probleme mit kriminellen Banden, in Schulen mit hohem Migrantenanteil und in Vierteln, in denen keine Deutschen mehr leben würden. "Das entspricht der Lebenswirklichkeit von vielen Bürgerinnen und Bürgern und wenn die SPD darüber hinweggeht, dann ist sie für die kein Ansprechpartner."

Fördern und fordern

In der SPD kommen solche Thesen gar nicht gut an, aber Steinbrück verwahrt sich dagegen, "in eine Schublade mit dumpfbackigen Rechten" gesteckt zu werden. Politik beginne damit, "auszusprechen, was ist". Seine Partei müsse eine Doppelbotschaft aussenden. Einerseits weltoffen und tolerant sein, aber auch dafür sorgen, dass Regeln beachtet würden. "Die SPD muss das alte Prinzip von Fördern und Fordern wieder verfolgen".

Franziska Giffey als Bürgermeisterin von Berlin-NeuköllnBild: picture-alliance/dpa/M. Gambarini

In diesem Sinne hat Peer Steinbrück für eine der jetzt verkündeten Ministerpersonalien besonderes Lob übrig: Die Berufung der bisherigen Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Neukölln, Franziska Giffey, zur Familienministerin. Die 39-jährige habe mit ihrem Eintreten für Recht und Ordnung gezeigt, welchen Weg die SPD einschlagen müsse, um wieder erfolgreich zu sein.

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