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Politik

Ein Wahlprogramm für Martin Schulz

Heiner Kiesel
17. Mai 2017

Die SPD versucht einen Neuanfang im Wahlkampf. Nach den bescheidenen Ergebnissen der letzten Landtagswahlen soll das Wahlprogramm Wähler und Partei mobilisieren. Einen Entwurf gibt es schon, kritische Reaktionen auch.

Mega-Schulz Plakat vom SPD-Kanzlerkandidat
Nach drei verlorenen Landtagswahlen gibt es Zweifel an der Zugkraft Martin Schulz' - aber einen Leitantrag für den ParteitagBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Die Mitglieder der SPD-Führung haben jetzt ein Papier vor sich liegen, das in der anstehenden heißen Phase des Wahlkampfs helfen soll, die eigenen Mitglieder zu motivieren und die Wähler zu überzeugen. Es ist der Entwurf eines Wahlprogramms, an dem seit Anfang 2015 gearbeitet wurde: 67 Seiten sind es, die 2883 Zeilen sind fein säuberlich durchnummeriert. Damit soll nun Schluss sein mit dem Dauervorwurf an Spitzenkandidat und Parteichef Martin Schulz, er würde vor allem auf sein Charisma setzen und sich zu wenig inhaltlich festlegen.

Geknickt: SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz nach der Niederlage der Sozialdemokraten bei der NRW-WahlBild: Reuters/F. Bensch

Der Entwurf ist Teil einer Art Neustart für die SPD im Wahlkampf. Zuletzt ist es nicht so gut für sie gelaufen. Die Euphorie der ersten Tage nach Schulz' Auftreten ist verflogen. Die Umfragen zeigen die Sozialdemokraten im Sinkflug. Flankiert wurde das durch schlechte Ergebnisse bei gleich drei Landtagswahlen hintereinander - zuletzt das Debakel im SPD-Traditionsland Nordrhein-Westfalen. Ein Wahlsieg im Bund am 24. September scheint in weite Ferne gerückt. Mit klaren inhaltlichen Forderungen und einem geschärften Profil soll es nun wieder aufwärts gehen.

"Mehr Netto vom Brutto"

Dem Leser mutet der Entwurf zunächst eine pathosgeladene Präambel zu Schulz' bisherigem Wahlkampfschlager "Gerechtigkeit" zu. Sie ist als Klammer für die darauf folgenden Vorschläge in den verschiedenen Politikfeldern gedacht, sie sei "die zentrale Voraussetzung für Zusammenhalt und Wohlstand", heißt es. Dann wird es konkreter.

Gleiche Pflichten für alle: Einkommen aus Kapital und Arbeit will die SPD gleich besteuernBild: picture-alliance/dpa/Rumpenhorst

Die Verfasser betonen die Dringlichkeit ihrer Vorschläge: Der Satzteil "Es ist Zeit" kehrt wie eine Beschwörungsformel vor jedem einzelnen Themenfeld im Programmentwurf wieder. Zeit etwa für moderne Ausbildung und sichere Arbeit. Hier wird für unbefristete Beschäftigungsverhältnisse mit voller sozialer Sicherung und tariflicher Bezahlung plädiert.

Die Partei will Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen entlasten. "Die Mehrheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer soll mehr Netto vom Brutto haben", heißt es. Überhaupt soll die Kluft zwischen Reichen und Armen im Land verringert und damit die soziale Stabilität gefördert werden. Steuerbetrüger sollen härter verfolgt werden, Managergehälter begrenzt, Erben stärker belastet und eine Finanztransaktionssteuer eingeführt werden.

Das Sicherheitsgefühl der Bürger stärken

Ein klares Profil will sich die SPD beim Thema Sicherheit zulegen, auch wenn das Thema erst weit hinten in der zweiten Hälfte des Programmentwurfs vorkommt. Spätestens nach der NRW-Wahl ist der Partei bewusst, dass Sicherheit für viele Wähler ziemlich wichtig ist. 15.000 zusätzliche Polizisten sollen nach einer gewonnenen Bundestagswahl dafür sorgen, "dass sich unsere Behörden konsequent der Alltagskriminalität annehmen". Die SPD will gemäß Entwurf die Rolle des Bundeskriminalamtes bei der Koordination der Verbrechensbekämpfung stärken. Auch die umstrittene Grenzschutzagentur Frontex soll stärker für den Kampf gegen den Terror in Anspruch genommen werden. Und die SPD will ein neues europäisches Anti-Terror-Zentrum. Die Autoren machen sich für eine rasche Abschiebung straffälliger Ausländer stark.

Wunsch der SPD: Die Polizei soll sichtbarer für die Bürger werdenBild: picture alliance/dpa/P. Zinken

Einerseits sollen Friedens- und Abrüstungsinitiativen gefördert werden. Doch für das Militär möchte die Partei trotzdem mehr Geld in die Hand nehmen: "Wir werden die erkannten Lücken bei Personal und Material zügig schließen und dafür die notwendige Steigerung des Verteidigungshaushaltes sichern." Das häufig genannte zwei Prozent-Ziel der Nato, wird jedoch als übertrieben abgelehnt.

Verhaltenes Echo bei der politischen Konkurrenz

Für den innen- und rechtspoltischen Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Michael Frieser, ist das sicherheitspolitische Erwachen der Sozialdemokraten, ein Schritt in die richtige Richtung. "Ich freue mich natürlich darüber, dass die SPD das Thema entdeckt hat", zeigt sich der konservative Abgeordnete überrascht. So richtig trauen will er dem Vorstoß noch nicht. "Leider habe ich die letzten vier Jahre erlebt, dass wir die SPD bei jedem Schritt der inneren Sicherheit tragen und jagen mussten." Es sei nicht ganz glaubwürdig, sagt Frieser, dass sich die SPD jetzt als Partei der inneren Sicherheit verkaufe: "Da muss noch einiges passieren, damit ihr das die Bürger abnehmen!"

Michael Frieser (CSU) findet die Vorschläge der SPD bei der inneren Sicherheit nicht ganz glaubwürdigBild: DW/He. Kiesel

"Es ist dringend notwendig, dass die SPD wieder sozialdemokratischer wird", kommentiert der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Klaus Ernst, den Programmentwurf. Wenn es den Sozialdemokraten nicht gelinge, das vor und nach der Wahl glaubhaft zu machen, "werden sie krachend untergehen". Ernst gibt zu bedenken, dass viele der programmatischen Forderungen in dem Entwurf wohl kaum in einer Koalitionsregierung der SPD mit der Union oder der FDP durchzusetzen seien: "Das lässt wenig Bündnis-Möglichkeiten für Martin Schulz bei einem Wahlsieg."

Langer Weg bis zum endgültigen SPD-Wahlprogramm

Im nächsten Schritt wird der Programmentwurf, den SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann, Generalsekretärin Katarina Barley und Familienministerin Manuela Schwesig verantworten, im Parteivorstand beraten. Er stellt den Leitantrag der Parteiführung für den SPD-Parteitag im Juni dar. Dort wird das Wahlprogramm dann von den Delegierten beschlossen, so der Plan. Es ist anzunehmen, dass es bis dahin noch eine ganze Reihe von Veränderungen geben wird.