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Politik

Die SPD freut sich - und muss warten

27. September 2021

Die Sozialdemokraten haben die Wahl gewonnen, sind nun aber in keiner komfortablen Situation. Es hängt von Grünen und FDP ab, ob der nächste Bundeskanzler Olaf Scholz heißen wird. Wie geht die SPD damit um?

Deutschland | Nach der Bundestagswahl - SPD
Bild: Wolfgang Kumm/dpa/picture alliance

Die Frage sollte provozieren: Ob es für die SPD als stärkste Kraft akzeptabel sei, jetzt am "Katzentisch" zu sitzen, also erst einmal zuschauen und abwarten zu müssen, für welchen Koalitionspartner sich die Grünen und die FDP nach der Bundestagswahl entscheiden, wurde die SPD-Vorsitzende Saskia Esken am Morgen nach der Bundestagswahl in einer TV-Frühsendung gefragt. Die SPD hat die Wahl zwar gewonnen, aber auch die Union könnte und würde gerne mit den beiden kleineren Parteien regieren. 

Die Spitze saß. Esken reagierte entsprechend gereizt, auch wenn sie ihre Antwort bemüht lächelnd gab. Sie finde es "erstaunlich, wie man auf die Idee kommen kann, einen so krassen Wahlverlierer zum Kanzler zu wählen", keilte sie mit Blick auf die Union in Richtung ihrer potenziellen Koalitionspartner und betonte anschließend, dass die SPD selbstverständlich nicht nur zuschaue, sondern Termine mit Grünen und FDP vereinbaren und zu Gesprächen einladen werde.

Locken, nicht drängen

Ein paar Stunden später, nach der Sitzung des SPD-Präsidiums, klang das aus dem Mund von Olaf Scholz schon deutlich zurückhaltender. Es sei "erst einmal völlig okay, wenn auch diejenigen, mit denen wir zusammenarbeiten wollen, untereinander sprechen", sagte der SPD-Kanzlerkandidat in Berlin. Auch Scholz kann es nicht schmecken, dass die SPD erst einmal ausgebremst wird. Doch der 63-Jährige findet andere Wege, um seine Ansprüche geltend zu machen.

Aus dem Wahlergebnis sei ein Auftrag abzuleiten, "sich um eine Regierungsbildung zu bemühen", so Scholz, der damit suggeriert, dass eine Koalition gegen die SPD eine Missachtung des Wählerwillens wäre. Dann fängt er an, die Grünen und die FDP zu umwerben. Wie die SPD seien sie die Gewinner der Wahl und hätten zudem eine jeweils eigene "Fortschrittserzählung für eine moderne Gesellschaft" anzubieten. "Wenn drei Parteien, die den Fortschritt am Beginn der 20er Jahre im Blick haben, sich zusammentun und das konstruktiv zusammenführen, dann kann das etwas Gutes werden, selbst wenn sie dafür unterschiedliche Ausgangslagen haben."

Rückgriff auf Traditionen

Blumen für das Gewinner-Trio: Norbert Walter-Borjans, Franziska Giffey, Olaf Scholz, Manuela Schwesig und Saskia Esken (v.l.) nach der PräsidiumssitzungBild: Wolfgang Kumm/dpa/picture alliance

Die SPD ist vorbereitet. Sechs Politikerinnen und Politiker sollen die Gespräche mit den Grünen und der FDP führen: Scholz, die Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, Generalsekretär Lars Klingbeil, Fraktionschef Rolf Mützenich und die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer.

Eine sozial-ökologisch-liberale Koalition zu bilden, sei die Aufgabe, die nun anstehe, sagte Scholz und bemühte einen Blick in die Geschichte, wo es bereits "eine sehr erfolgreiche sozialliberale Koalition von 1969 bis 1982" und eine "sehr gute Regierungszeit mit den Grünen" von 1998 bis 2005 gegeben habe. "Es gibt gute Traditionen, auf die wir zurückgreifen können."

Regieren mit Freunden

Annalena Baerbock (Grüne), Olaf Scholz und Christian Lindner (FDP) im WahlkampfBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Ob das reicht, um die so Umworbenen zu überzeugen und die Zweifel an der Realisierung einer Ampelkoalition zu beseitigen? Zumal abzuwarten bleibt, wie sich die SPD in Koalitionsgesprächen positionieren würde. Zu welchen inhaltlichen Zugeständnissen wären die Sozialdemokraten bereit, wo wären ihre roten Linien? Auf solche Fragen gibt es vorab keine Antworten. "Ich halte nichts davon - und darauf haben wir uns alle verständigt - dass wir jetzt einzelne Punkte durchdiskutieren", wiegelt Scholz ab. Das mache die SPD "mit den Freunden, mit denen wir regieren wollen".

Das klingt schon sehr vertraut und das soll es auch. "Die Regierungsparteien müssen einander vertrauen, sie müssen miteinander zusammenarbeiten wollen und nicht gewissermaßen immer hintenrum erzählen, was die anderen alles schlecht machen", sagt Scholz. Da habe die FDP mit CDU und CSU bekanntlich schlechte Erfahrungen gemacht.

Was machen die Linken in der SPD?

Vertrauen, darauf setzt Scholz auch in der eigenen Partei. Die im Wahlkampf gezeigte Geschlossenheit, "das gemeinsame Management" werde auch in Zukunft weiterhin "gut klappen", gibt er sich überzeugt. Zweifel sind dennoch angebracht, vor allem mit Blick auf die Parteilinken, die lange daran gearbeitet haben, die SPD politisch wieder deutlich nach links zu rücken. Eine Entwicklung, die 2019 darin gipfelte, dass das linke Duo Esken/Walter-Borjans den Kampf um den SPD-Vorsitz gegen Olaf Scholz gewann.

Ein Sieg, den das Duo vor allem auch dem einflussreichen damaligen Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert zu verdanken hatte. Kühnert, inzwischen SPD-Vize, gehörte im Wahlkampf zu den Befürwortern einer linken Koalition mit Grünen und der Linkspartei. Das ist nach dem Wahlergebnis rechnerisch nicht möglich. Kühnert bedauert das genauso wie die zahlreichen Jusos, die mit ihm in der neu gewählten SPD-Bundestagsfraktion sitzen werden.

Nur geschlossen erfolgreich

Linke SPD-Vorsitzende und eine linke SPD-Fraktion könnten in einer Ampelkoalition, also einer Koalition aus SPD, FDP und Grüne, ein starkes Gegengewicht vor allem zur FDP mit ihren bürgerlich-liberalen Positionen sein. Ob Olaf Scholz, der in der SPD schon immer dem konservativen Flügel angehörte, das ausgleichen kann? Oder ob die SPD über kurz oder lang wieder in ihre traditionellen Flügelkämpfe verfällt? Olaf Scholz geht davon aus, dass die SPD aus ihren Fehlern gelernt hat: "Die SPD hat die Erfahrung gemacht, dass wir erfolgreich damit sind, wie wir jetzt hier auftreten", sagte er schon im Wahlkampf. "Diese Erfahrung wird sie nicht vergessen."

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