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Die SPD holt auf

3. August 2005

Parteienforscher Klaus Detterbeck gibt im wöchentlichen Wahlkampf-Check Antworten auf Fragen zur Wahl 05. Diesmal beschäftigt er sich mit dem Sinn und Unsinn von TV-Duellen und dem Höhenflug der Linkspartei im Osten.

DW-WORLD: Der Wahlkampf hat am Wochenende offiziell begonnen. Wer hatte den besseren Start, die besseren Argumente, wer hielt die besseren Reden?

Den besseren Start hatte aus meiner Sicht die SPD. Sie hat ihre Rolle als amtierende Regierungspartei nutzen können, um die Themen zu bestimmen: Sie hat die Union in der Frage der Fernsehduelle taktisch in die Defensive gedrängt; Gerhard Schröder konnte seinen Kampfeswillen in der sonntäglichen Talkshow bei Sabina Christiansen elegant unter Beweis stellen; in der Öffentlichkeit wird verstärkt über die Frage diskutiert, mit wem die SPD koalieren sollte oder auch nicht. Insofern nutzt die Debatte um den Umgang mit der Linkspartei der SPD eher, unterstellt sie doch, dass es am Wahlabend eine Alternative zur bürgerlichen Koalition geben wird. Trotz weiterhin schlechter Umfrageergebnisse ist es der SPD somit in der vergangenen Woche gelungen, das Heft wieder stärker in die Hand zu bekommen.

Der Wahlkampf hat begonnen

Die Union scheint derzeit darauf zu vertrauen, dass die Unzufriedenheit der Wähler mit der wirtschaftlichen Leistungsbilanz der rot-grünen Regierung sie bis zum 18. September tragen wird. Auch nach der Vorstellung des Wahlprogramms bleibt weiterhin vage, mit welchen strukturellen Konzepten die CDU/CSU die Lage des Landes verbessern will.

Der Auftakt des Wahlkampfes hat weiterhin gezeigt, dass eine Zuspitzung des Medien­wahlkampfes auf die beiden Volksparteien zu erwarten sein wird; vor allem den Grünen und der FDP wird es schwer fallen, in diesem Zweikampf wahrgenommen zu werden. Dies stellt sich etwas anders dar für die Linkspartei, die mit viel Medieninteresse rechnen kann. Alle anderen kleinen Parteien, und dies gilt auch für die Kooperation von NPD und DVU, werden hingegen in den kommenden Wochen höchstens mit bisweilen etwas bizarren Wahlkampf­spots in den Medien auftauchen.

Der Streit um ein TV-Duell zwischen Schröder und Merkel hält an. Frage: Wie viele Duelle sollte es geben und wie wichtig sind die Interview-Auftritte (auch die vielen anderen) letztendlich für den Ausgang der Wahl?

Die TV-Duelle stehen zunächst für einen Trend zur Personalisierung der Politik. Obwohl es bei dieser Wahl – im Gegensatz zu Duellen bei der US-Präsidentschaft - ja nicht darum geht, einen Kanzler zu wählen, sondern ein Parlament, werden die Spitzenkandidaten der beiden Volksparteien gegenübergestellt; die bessere Präsenz beim Duell scheint Auskunft über die höhere Regierungsfähigkeit geben zu können. Dieses Format kommt einem mediengewandten Politiker wie Schröder zugute und ist wie 2002 für Stoiber auch dieses Mal problematisch für Merkel. Geschickt hat die SPD es verstanden mit der Forderung nach zwei Duellen diesen Vorteil ihres Kandidaten auszunutzen. Geht die Union darauf ein, hofft die SPD im kurzen Wahlkampf zweimal punkten zu können; verweigert sich die Union, lässt sich auch dies im Wahlkampf nutzen.

Bundeskanzler Gerhard Schröder, rechts, und sein Herausforderer Edmund Stoiber, links, beim zweiten TV-Duell auf ARD am Sonntag 8. September 2002.Bild: AP

Während die Wahlkampfstrategen in den Parteien ganz fest davon ausgehen, dass solche Duelle, wie auch der Medienwahlkampf insgesamt, das Wahlverhalten entscheidend be­einflussen, ist die Wahlforschung hier eher zurückhaltend. Sehen und hören die Bürger nicht nur das, was sie sich bereits zuvor gedacht haben? Mit der wachsenden Anzahl von Wechselwählern kann man aber wohl davon ausgehen, dass der Wahlkampf an Bedeutung gewinnt. Es sind mehr Wähler verfügbar, die durch interessante Kandidaten und/oder Inhalte gewonnen werden können.

Fernsehduelle können insbesondere Wähler beeindrucken, die sich nur wenig für Politik interessieren, die sich aber von dem Spannungsbogen und dem Unterhaltungselement dieses Formates angesprochen fühlen. Daher könnten bei dem Duell (oder den Duellen) zwischen Schröder und Merkel die entscheidenden Prozentpunkte gewonnen oder verloren werden, die dann über die Mehrheitsverhältnisse im Parlament und die Regierungsbildung entscheiden.

Der Höhenflug der Linkspartei im Osten raubt den etabliertn Parteien den Schlaf. Wie ist das zu erklären und wie wird sich das auf das Wahlergebnis auswirken?

Die PDS hat zwar erstaunlich lange gebraucht, sich aber spätestens ab Herbst 2004 als Sprachrohr des Protestes gegen die Sozialreformen der Regierung hervorgetan. Dies stößt in Ostdeutschland aus zwei Gründen auf besondere Resonanz. Zum einen sind die wirtschaftlichen Probleme gravierender, so dass ein größerer Teil der Bevölkerung direkt von Kürzungen oder Verschärfungen sozialstaatlicher Leistungen betroffen ist; zum anderen wird der Staat deutlich stärker als im Westen dafür verantwortlich gemacht, den Bürgern Arbeit und soziale Sicherheit zu gewährleisten. Dies hat sich als Erbe der DDR-Zeit in der politischen Kultur des Ostens erhalten. Daher stoßen die relativ ähnlichen wirtschaftspolitischen Konzepte von SPD und Union, die von mehr Eigenverantwortung und mehr Wettbewerb handeln, im Osten vielfach auf Unverständnis.



PDS-Delegierte stimmen zu Beginn des PDS-Parteitages am Sonntag, 17. Juli 2005, in Berlin über die Tagesordnung ab.Bild: AP


In der Rhetorik der PDS stehen die "Westparteien" für Sozialabbau und haben die spezifischen Probleme des Ostens aus den Augen verloren. Die Präsenz der Partei vor Ort durch ihr relativ starkes Organisationsnetz sowie die wortgewandte Charismatik der beiden Spitzenleute Gysi und Lafontaine verstärken diese Botschaft vor der Wahl 2005 noch erheblich. In Ostdeutschland wird die neue Linkspartei mit der alten PDS gleichgesetzt; was es mit dem neuen Bündnispartner auf sich hat interessiert die Wähler der PDS nur am Rande.

Auch wenn zu erwarten ist, dass die Linkspartei im Verlauf des Wahlkampfes durch die Zuspitzung auf die Auseinandersetzung zwischen SPD und Union noch etwas an Zuspruch verlieren wird, kann als recht sicher gelten, dass sie über 20 Prozent der Stimmen im Osten erhalten wird. Im Westen werden wenige Prozentpunkte hinzukommen, so dass die Linkspartei mit etwa acht bis zehn Prozent der Stimmen im Bundesgebiet rechnen kann. Damit ist einerseits klar, dass es für Rot-Grün nicht mehr reichen wird, andererseits wird es zu keinem Dreierbündnis auf der Linken kommen. Dies lässt zwei Optionen offen: Eine bürgerliche Koalition oder eine große Koalition. Sofern die Linkspartei ihre Stärke in Ostdeutschland bis zum Wahltag in etwa konservieren kann, schwächt sie den Vormarsch der Union und stellt die Weichen in Richtung Große Koalition.

Der Politologe und Parteienforscher Klaus Detterbeck (Jahrgang 1966) lehrt und arbeitet am Institut für Politikwissenschaft der Universität Magdeburg.