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Politik

SPD ringt um große Koalition

15. Januar 2018

Klappt es diesen Winter noch mit einer neuen Regierung? Der Ball liegt bei der SPD. Sie entscheidet am Sonntag, ob sie weiter über eine große Koalition reden will. Doch es gibt viel Widerstand. Peter Hille aus Dortmund.

Deutschland SPD-Chef Martin Schulz in Dortmund
Bild: picture-alliance /dpa/M. Kusch

Man möchte nicht tauschen mit Martin Schulz an diesem Montagabend in Dortmund. Auf dem Weg aus der Limousine durch den Nieselregen wird der SPD-Chef erst von einem Grüppchen Nazis übel beschimpft. Im Foyer des Kongresszentrums warten dann Journalisten, die ihn nach seiner "persönlichen Zukunft" fragen - der Code für: "Haben Sie nicht genug vom SPD-Vorsitz?" Und drinnen sitzen etwa 50 SPD-Delegierte, die seinem Plan skeptisch gegenüberstehen, mit Angela Merkels CDU und der CSU weiter über eine Neuauflage der Großen Koalition zu sprechen.

Doch Schulz gibt sich zuversichtlich. Er will seiner Partei vermitteln, "dass wir in den Sondierungen für das Leben der Menschen in unserem Lande eine Menge haben erreichen können. Ich bin optimistisch, dass wir dafür auch eine Mehrheit bekommen." Noch sechs Tage bleiben ihm, dann soll ein SPD-Parteitag in Bonn darüber abstimmen, ob der Sondierung Koalitionsverhandlungen folgen oder nicht. Für Martin Schulz heißt das: Ochsentour durchs Land - fast wie im vergangenen Sommer, als er gegen Angela Merkel in den Wahlkampf zog. Diesmal jedoch muss er davon überzeugen, dass eine erneute Regierung Merkel gut für Deutschland wäre - und gut für die SPD.

"Wir sind dagegen"

Heute dran: die Delegierten der SPD aus Ostwestfalen-Lippe und dem westlichen Westfalen. Was nach Provinz klingt, sind wichtige Regionen im Stammland der Sozialdemokratie im Westen Deutschlands, dem bevölkerungsreichen Nordrhein-Westfalen. Und wichtig für Schulz, weil 144 von 600 Parteitagsdelegierten zum größten Landesverband NRW gehören.

Christa Becker-Lettow ist Geschäftsführerin des SPD-Unterbezirks DortmundBild: DW/P. Hille

Etwa Christa Becker-Lettow, Geschäftsführerin der SPD in Dortmund. Aus der zweiten Reihe im Silbersaal der Dortmunder Westfalenhallen hört sie sich an diesem Abend Schulz' Argumente an. Sie glaubt jedoch nicht, dass er sie noch von den Vorteilen einer großen Koalition wird überzeugen können - genauso wenig wie ihre Dortmunder Genossen. "Wir sind ganz eindeutig dagegen", sagt sie im Gespräch mit der DW. "Wir finden, es ist zu wenig erreicht worden." Ja, die Partei sei gespalten, so Becker-Lettow. Und ob sich die SPD noch einmal für eine Regierungsbeteiligung hergebe, sei alles andere als klar.

Zurück in die Zukunft?

Man muss schon etwas suchen, um hier SPD-Funktionäre zu finden, die es noch einmal wagen wollen mit Merkel in Berlin. Etwa Karsten Koch aus Beckum im Münsterland. "Ich bin noch im Meinungsbildungsprozess. Aber Regieren ist immer besser als nicht Regieren, weil wir den Anspruch haben, etwas für die Menschen zu verbessern."

In Nordrhein-Westfalen scheint der parteiinterne Widerstand gegen eine erneute Koalition mit CDU und CSU besonders groß zu sein. Das könnte auch daran liegen, dass die SPD hier besonders stark verloren hat in den vergangenen Jahrzehnten - an Wählerstimmen, aber auch an Mitgliedern. Man müsste politisch zurück in Jahre vor Kanzler Gerhard Schröder, als die Partei noch wirklich links gewesen sei, meinen hier viele.

Echte Liebe kennt Grenzen

Leute wie Frank Neumann, für den die SPD genauso wichtig ist wie der Fußballverein BVB. Im schwarz-gelben Trikot seines Lieblingsclubs schlendert er durch die Betonwüste rund um das Dortmunder Stadion, in der sich auch die Westfalenhallen befinden. Nicht auf dem Weg zu Schulz, sondern zur Neujahrsfeier der BVB-Fanclubs. "Also in unserem Bezirk, in Dortmund, wird Schulz niemanden mehr überzeugen können", meint Neumann. "Was die Sondierung gebracht hat, reicht mir einfach nicht. Nicht bei der Rente, nicht bei der Pflege und nicht bei der Gesundheit." Seit 1988 ist Neumann SPD-Mitglied, hält eigentlich viel von Martin Schulz, aber "das Herz schlägt links".

NoGroKo - Dieser Meinung sind viele in der SPDBild: DW/P. Hille

Der Streit um die große Koalition ist ein echter Richtungsstreit für die SPD. Nähert sie sich weiter den Konservativen von der CDU/CSU an oder will sie in der Opposition für linke Politik werben? Setzt sich der Parteivorstand rund um Martin Schulz nicht durch, dann dürfte das für einen gehörigen Linksruck sorgen. Für den Vorsitzenden könnte es dann eng werden.

Alles andere als einfach

Dabei könnte alles so einfach sein für Martin Schulz und die SPD. Eine Vorstandssitzung, in der darüber abgestimmt wird, ob man weiter über eine große Koalition verhandelt - und zack, los geht's. So haben das CDU und CSU gemacht. Aber einfach machen es sich die Sozialdemokraten eben selten. Während bei den Konservativen die Chefs im kleinen Kreis entschieden haben, werden bei der SPD Sonntag nicht nur die Parteitagsdelegierten befragt - im Anschluss dürfen sogar alle Parteimitglieder abstimmen.

Landesvorstände - teils ja, teils nein

Im Ringen um Zustimmung zu Koalitionsverhandlungen mit der Union hat auch dieser Montag die Zerrissenheit der SPD wieder deutlich gemacht. "Wir lehnen die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union ab und appellieren an alle Delegierten zum Bundesparteitag, sich unserem Votum anzuschließen", erklärte der Berliner Landesvorstand. Anders der Landesvorstand der SPD in Brandenburg. Aus Potsdam kam Zustimmung für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen.

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