Die Mitgift der Kurzflügelgrillen
8. November 2015Spinnenweibchen und Gottesanbeterinnen fressen nach dem Begattungsakt ihre Männchen - eine willkommene und aus evolutionärer Sicht notwendige Eiweißquelle als letztes Geschenk an das Weibchen, das ja dann Tausende von Eiern bilden und legen muss. Andere Insekten geben ihrem Weibchen lieber ein Beuteinsekt als Mitgift - auch hier als leckere Nahrungsergänzung für die Angebetete.
Ganz anders ist es bei den Kurzflügelgrillen. Hier geben zwar die Männchen auch ihren Weibchen ein Geschenk mit auf den Weg - doch damit verfolgen sie ein anderes Ziel.
Es ist nämlich weder ein Beutetier noch müssen sich die Männchen nach dem Begattungsakt selbst als Futter opfern. Die Kurzflügelgrillen-Männchen schenken ihren Weibchen lieber kleine Eiweißpakete. Die sind außen an den sogenannten Spermatophoren befestigt - an geleeartigen Ampullen, die das Sperma enthalten. Im Laufe des Begattungsaktes dringt das Sperma aus diesen Ampullen in den Sexualtrakt des Weibchens ein. Dort wird es zwecks späterer Befruchtung der Eier eingelagert.
Futtern beim Sex - gut für mehr Nachwuchs
Die Mitgift-Eiweißpakete, die außen an den Ampullen hängen, frisst das Weibchen indessen auf. Allerdings dient diese Leckerei nicht als Nahrung. "Die Mitgift-Pakete haben keinen Nährwert", erklärt Yannick Pauchet vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Wir haben Proteaseinhibitoren darin gefunden. Wenn das Weibchen die Mitgift nun frisst, verhindern diese, dass die verschiedenen anderen Proteine in dem Paket verdaut werden." Die Inhibitoren schützen also Eiweiße, denen noch eine andere Funktion zugedacht ist. Der Biologe Pauchet fand sogar zwei Erklärungen:
Zum einen ist der Begattungsakt umso erfolgreicher, je länger sich das Weibchen mit dem Genuss des Mitgift-Leckerlis beschäftigt. "Wenn das Weibchen mit dem Verspeisen der Mitgift fertig ist, trennt es die Sperma-Ampulle vom Sexualtrakt ab und frisst auch die auf", sagt der Biologe. "Je länger Das Weibchen sich also mit der Mitgift beschäftigt, desto mehr Zeit bleibt, damit das Sperma aus der Ampulle in das Speicher-Organ des Weibchens übergehen kann."
Liefert das Männchen also eine attraktive Mitgift, die möglichst lange hält, steigen seine Chancen, viel Nachwuchs zu zeugen. Oder andersherum: "Schmeckt das Mitgift-Paket dem Weibchen nicht, wird es einfach die Ampulle abtrennen und auffressen. Das beendet den Spermien-Transfer", erklärt Pauchet.
Proteine regen die Eierstöcke an und lösen Keuschheit aus
Auch die zweite bekannte Funktion der Mitgift-Pakete führt zu mehr Nachwuchs: Es handelt sich um Eiweiße, die eine bestimmte Funktion erfüllen. "Einige der Proteine sehen aus wie Wachstumsfaktoren, die auch in anderen Insekten vorkommen", sagt Pauchet. "Erreichen diese Wachstumsfaktoren zum Beispiel die Eierstöcke der Weibchen, kann sich das positiv auf die Anzahl der erzeugten Eier auswirken."
Und das sind nur einige der vielen Eiweiße, die Pauchet und seine Kollegen in den Mitgift-Paketen der Kurzflügelgrillen gefunden haben. Es gibt noch viele weitere, bei denen die Forscher nicht genau wissen, wozu sie gut sind.
Möglicherweise bewirken einige davon, dass das Weibchen nach dem Begattungsakt für eine längere Zeit keusch bleibt - denn auch das konnten die Wissenschaftler schon beobachten. Und das würde dem Männchen helfen, seine Gene weiterzugeben - und nicht die irgendeines anderen Kurzflügelgrillen-Rivalen.