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Privatisierte Sicherheit

Das Interview führte Steffen Leidel 7. Februar 2008

Private Militärfirmen rekrutieren Personal zunehmend in Entwicklungsländern, sagt der Leiter der UN-Arbeitsgruppe zu Söldnern Gomez del Prado. Die Nachfrage nach solchen Firmen steige, unter den Kunden sei auch die UNO.

Mitarbeiter der Firma Blackwater im Irak
Mehr als Personenschutz: Mitarbeiter der Firma Blackwater im IrakBild: AP

DW-WORLD.DE: Immer wenn es zu bewaffneten Konflikten auf der Welt kommt, geraten westliche Regierungen unter Druck. Sie scheuen sich davor, eigene Soldaten in besonders brenzlige Regionen zu schicken. Das sieht man aktuell auch in der Debatte um den Bundeswehreinsatz im Süden Afghanistans. Nun gibt es in Militärkreisen immer wieder den Vorschlag. "Warum schickt Ihr nicht einfach private Militärfirmen." Wäre das eine Option?

Jose Luis Gomez del Prado: Für mich ist das keine Option. Es gibt bedauerlicherweise einen Trend hin zur Privatisierung des Krieges, der vor allem von den Vereinigten Staaten, aber auch von Großbritannien vorangetrieben wird. Das ist sehr gefährlich, da hier die Demokratie unterwandert wird.

Inwiefern?

Für die Regierungen ist das natürlich einfach, da sie sich so aus ihrer Verantwortung stehlen können. Die Staaten scheuen sich vor bewaffneten Konflikten, wie zum Beispiel Deutschland. Sie wollen keine gefallenen Soldaten sehen wie sie die USA bei ihren Militäroperationen zu beklagen hat. Es steht fest: Wer international agiert, der wird Tote zu beklagen haben, sei es im Tschad oder Sudan. Es ist also viel bequemer, diese Aufgaben an private Firmen zu übergeben.

Was ist so problematisch an den Privatsoldaten?

Privatsoldaten genießen eine Art Immunität, wie wir im Irak sehen. Wenn es zu Verstößen gegen Menschenrechte kommt, wenn Verbrechen begangen werden, wie im Irak und Afghanistan geschehen, zeigt sich: Die privaten Soldaten unterstehen keiner Kontrolle. Tötet ein Privatsoldat jemanden, dann wird er einfach für ein paar Wochen aus dem Irak abgezogen, irgendwann kommt er wieder zurück und macht weiter im gleichen Unternehmen oder in einem anderen.

Private Militärfirmen wie die wegen der Tötung von Zivilisten in Verruf geratene Blackwater betonen jedoch, dass ihre Mitarbeiter in der Regel nicht an Kampfhandlungen teilnehmen und höchstens aus Notwehr schießen.

Diese Firmen sind zwar legal registriert, aber letztendlich tun sie genau das, was die 'Soldiers of fortune', Söldner auch tun.

Wenn man mit Vertretern der privaten Militärindustrie spricht, sagen die, dass selbst die Vereinten Nationen die Dienste solcher Firmen in Anspruch nehmen. Können Sie das bestätigen?

Das ist in der Tat sehr besorgniserregend. Die privaten Militärfirmen üben einen enormen Druck auf die UNO aus, ihre eigenen Sicherheitsdienste zu privatisieren. Das ist unverantwortlich. Was mir sehr viel Sorgen bereitet hat, ist, dass solche Unternehmen in den internen Datenbanken der Vereinten Nationen auftauchen, wie zum Beispiel Greystone, ein Partnerunternehmen von Blackwater. Es ist also davon auszugehen, dass die UNO die Dienste solcher Unternehmen auch in Anspruch nimmt. Das bereitet auch innerhalb der UNO Mitarbeitern Sorge.

Gibt es auch Mitarbeiter, die es befürworten, die Sicherheits-Dienstleistungen an private Militärfirmen auszulagern, um das eigene Personal zu schützen.

Sicher! Die Abteilungen, die an vorderster Front arbeiten, haben mir gesagt, sie brauchen schnelle, sofortige Sicherheitsmaßnahem. Doch die Mitgliedstaaten brauchen sehr lange, bis sie bei einer Friedensoperation aktiv werden. Schauen Sie in den Sudan. Seit Jahren spricht man über Friedensoperationen im Sudan, doch nach wie vor werden Menschen getötet. Im Gegensatz dazu ist es ein leichtes, private Sicherheitsfirmen zu engagieren.

Sie haben kürzlich an einer Konferenz im Havens Center zu privaten Militärfirmen in Lateinamerika teilgenommen. Ist die Region für solche Firmen besonders attraktiv, um Personal zu rekrutieren?

Nicht nur Lateinamerika ist interessant. Alle Entwicklungsländer sind interessante Märkte für diese Firmen, denn dort finden sie billige Arbeitskräfte. Diese Firmen funktionieren wie multinationale Unternehmen, sie sind profitorientiert. Ihre Ware ist Sicherheit, eine sehr heikle Ware. Wir sprechen hier nicht von Spielzeug oder ähnlichem. In lateinamerikanischen Ländern finden sie viele Ex-Militärs mit einer vorzüglichen Ausbildung. Ausgebildet vor allem in der Bekämpfung von Aufständischen und Terroristen. Und sie sind billig: Ein US-Amerikaner Bekommt von einer Sicherheitsfirma 14.000 Dollar im Monat, ein Peruaner 1000 Dollar. Die werden dann nach Afghanistan und in den Irak gebracht - und sind dort Kanonenfutter. Und wo finden sie diese Peruaner wieder. In vorderster Front. Sie bewachen beispielsweise die Green Zone in Bagdad.

Gibt es Zahlen, um wie viele Leute es sich handelt.

Es gibt keine genauen Statistiken. Wir wissen von 200 Honduranern, rund 1000 Chilenen und mindestens 1200 Peruaner im Irak.

Der Aufstieg der privaten Militärindustrie ist vor allem durch die Bush-Regierung erst möglich geworden, die viele militärische Aufgaben outgesourct hat. Erwarten Sie nach der Präsidentschaftswahl einen Wechsel auch im Umgang mit Militärfirmen?

Ich hoffe, dass sich etwas ändert. Wir dürfen nicht weiter in diese Richtung gehen. Das wäre sehr gefährlich. Denn diese Entwicklung untergräbt das Gewaltmonopol der Staaten und damit ihre Souveränität.

José Luis Gomez del Prado leitet die fünfköpfige Arbeitsgruppe zu Söldnern seit dem Jahr ihrer Gründung 2005. Die Gruppe ist dem UN-Menschenrechtshochkommissariat in Genf zugeordnet. Del Prado wird im März mehrere Berichte über die Arbeit der Gruppe vorstellen.

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