Ein flacher Start, wenige Zeitfahrkilometer und ein brutales Alpen-Finale: die Strecke der Tour de France lässt eine Dramaturgie erahnen - mit einem langen Anlauf und einer Klimax ganz am Schluss.
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Nach dem Start im belgischen Brüssel, der mit einer Flachetappe sowie einem Mannschaftszeitfahren den großen Eddy Merckx huldigen soll, der vor 50 Jahren seine erste Tour de France gewann, betritt die 106. Tour de France auf der 3. Etappe französischen Boden und wird ihn fortan nicht mehr verlassen.
Mit Ausnahme des Mannschaftszeitfahrens, das mit überschaubaren 27,6 Sekunden zum Sekundenpoker der großen Teams mit Ambitionen auf das Gesamtklassement wird, gehören die ersten Tage den Sprintern. Auf der 3. (in Épernay) und 5. Etappe (in Colmar) kommen jedoch nur Sprinter in Frage, die gut über ein paar Hügel hinwegkommen. Hier scheint die veranstaltende ASO einen Fahrertyp im Auge zu haben, der meist auch am Ende um das Grüne Trikot kämpfen kann – zum Beispiel Peter Sagan (Slowakei) oder Michael Matthews (Australien).
An der Planche des Belles Filles mit offenen Visieren
Die 6. Etappe von Mulhouse zur Planche des Belles Filles bietet die Bühne für das erste Aufeinandertreffen der Favoriten auf das Gelbe Trikot. Die geänderte Streckenführung im sieben Kilometer langen Anstieg enthält einige brutale Rampen von bis zu 24 Prozent Steigung - das lässt auf offene Visiere der Sieganwärter hoffen.
Es folgen zwischen Belfort und Toulouse fünf wellige Etappen (Tagesabschnitte 7-11), die zu einem ständigen Duell zwischen Ausreißergruppen und Sprinterteams werden dürften. Insbesondere die achte Etappe nach Saint-Étienne dürften sich einige Fahrer rot angestrichen haben, hier gibt es nicht weniger als sieben Bergwertungen zu holen, eine gute Grundlage für Ambitionen auf das gepunktete Trikot.
Kurze, spektakuläre Alpenetappen
Auf der 12. Etappe wird es langsam ernst: Col de Peyresourde und Hourquette d’Ancizan sind zwei Anstiege der ersten Kategorie und bilden den Aufgalopp der Pyrenäenetappen. Tagsdarauf messen sich die Klassementfahrer und Spezialisten im Kampf gegen die Uhr - dem einzigen Einzelzeitfahren der Tour. Es misst nur 27,2 Kilometer und führt im ersten Teil über welliges Terrain. Die beiden folgenden Bergankünfte auf dem Col du Tourmalet (14. Etappe) und in Foix Prat d’Albis (15. Etappe) werden das Gesamtklassement weiter schärfen, ehe zwei vermutlich heiße, aber halbwegs flache Etappen durch Südfrankreich eine kurze Verschnaufpause versprechen.
Die 18. Etappe läutet das Finale der Tour ein: Über die Alpenriesen Izoard und Galibier bis hinab ins Tal in Valloire führt das 208 Kilometer lange Teilstück, das zurückliegenden Herausforderern die Chance zu einer frühen Attacke bietet. Die mit 126,5 km kurze 19. Etappe übe den Col de l’Iseran hinauf nach Tignes ist ein inzwischen gern gewähltes dramaturgisches Mittel der Tour-Organisatoren. Sie versprechen sich einen früheren, intensiveren Schlagabtausch der Favoriten, während hinten die Sprinter mit dem Zeitlimit kämpfen werden. Eine Etappe, vor der alle nervös sein werden.
Doch erst am Folgetag, der 20. Etappe, weiß man, wer die Tour gewinnen wird. Denn die erneut kurze Etappe nach Val Thorens (ein "Tal" auf 2365 Metern) ist die letzte Chance, den Träger des Gelben Trikots anzugreifen. Am Schlusstag auf den Champs-Elysées wird dies wie immer nicht mehr geschehen. Dort dürfen die Sprinter sich traditionell ein letztes Mal messen.
Wer gewinnt die Tour de France?
Vierfachsieger Chris Froome fehlt bei der Tour de France nach seinem schweren Sturz. Doch auch ohne ihn kämpft ein erlesenes Feld um das Gelbe Trikot - und es könnte einen Überraschungssieger geben.
Bild: Reuters/S. Mahe
Wer macht das Rennen?
Auch ohne den schwer gestürzten Chris Froome wird es ein packendes Rennen. Die Tour de France verspricht Spannung, auch wenn das bisherige Sky-Team (nach Sponsorenwechsel jetzt Ineos) wieder das stärkste ist. Unser Kandidatencheck zeigt, wer den Briten gefährlich werden könnte...
Bild: picture-alliance/Belga/D. Waem
10 Enric Mas (Deceuninck-Quickstep)
Eingefallene Wangen, tiefsitzende Augen, spindeldürre Glieder und kurz geschorenes Kopfhaar - Enric Mas jagt manchem Betrachter einen Schrecken ein. Doch der 24-jährige Spanier ist kerngesund und extrem austrainiert. Als starker Bergfahrer wurde er 2018 überraschend Zweiter der Vuelta, fuhr in diesem Jahr aber bisher unauffällig. Prognose: Es reicht noch nicht für ganz vorne.
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9 Nairo Quintana (Movistar)
Ist die Zeit von Nairo Quintana schon vorbei? Von 2013 bis 2016 fuhr er bei Tour, Giro und Vuelta stets auf die Plätze eins bis vier, war am Berg eine Macht. Doch in letzter Zeit schwächelt der stille Kolumbianer, der Medientermine scheut und meist abgeschirmt wird, ausgerechnet bei den schweren Anstiegen. Es dürfte seine letzte Chance als Kapitän bei der Tour sein. Prognose: Er nutzt sie nicht.
Bild: Reuters/S. Mahe
8 Romain Bardet (Ag2r La Mondiale)
Die Hoffnungen wiegen schwer auf den schmalen Schultern des Romain Bardet. Der schlaksige Kletterer soll die lange Durststrecke der Franzosen bei der Tour beenden. In den letzten Jahren sah es so aus, als käme er diesem Ziel näher. Doch aktuell fährt Bardet, der einen Uni-Abschluss in Management besitzt, seiner Form und den Gegnern hinterher. Prognose: Verliert im Zeitfahren zu viel Zeit.
Bild: AFP/Getty Images/A.-C. Poujoulat
7 Adam Yates (Mitchelton-Scott)
"Wir haben unterschiedliche Wege genommen, sind uns aber sehr nah und sprechen täglich miteinander", sagt Adam Yates über seine Beziehung zu seinem Zwillingsbruder Simon. Beide sind talentierte Anwärter auf das Gesamtklassement. In Frankreich wird Simon, der beim Giro Kapitän war, wohl für Adam fahren. Der ist in den Bergen gut, im Zeitfahren solide. Prognose: Kann mitspielen, aber nicht gewinnen.
Bild: imago images/Sirotti
6 Emanuel Buchmann (Bora-Hansgrohe)
Vom talentierten Mitfahrer zum Podiumskandidaten - Emanuel Buchmann hat bei den Vorbereitungsrennen einen starken Eindruck hinterlassen. Am Berg zählt der stille Schwabe inzwischen zu den Besten, im Zeitfahren hat er sich gesteigert. Was dem 26-jährigen noch fehlt, ist der Punch und das Selbstvertrauen für einen großen Sieg. Prognose: Seine Kurve geht weiter nach oben.
Das Double aus Giro und Tour hat sich in den letzten Jahren stets als zu anspruchsvoll erwiesen. Auch dem erfahrenen "Hai aus Messina" wird man die Strapazen der Italienrundfahrt, die er auch wegen eines taktischen Fehlers verlor, noch anmerken. Doch mit seiner Konstanz und Leidensfähigkeit wird der 34-Jährige punkten. Prognose: Dem Hai fehlen ein paar Zähne für einen kraftvollen Biss.
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4 Thibaut Pinot (Groupama-FDJ)
Die Angst vor den Abfahrten ist besiegt, an seiner Zeitfahrschwäche hat er gearbeitet - ist Thibaut Pinot nun endlich bereit für mehr als eine gute Platzierung? Fast. Der Franzose wählte einen kontinuierlichen Aufbau und fokussiert sich erstmals wieder auf die Tour. Sein Team ist gut, aber andere sind besser. Prognose: Pinot wird angreifen, seine Gegner aber nicht alle abschütteln können.
Bild: AFP/Getty Images/A.-C. Poujoulat
3 Geraint Thomas (Ineos)
Der Titelverteidiger hatte bei der Tour de Suisse eine Schrecksekunde: Nach einem schweren Sturz schien bereits der Traum vom zweiten Toursieg ausgeträumt. Doch der 33-jährige Waliser kann starten. Seine Vorbereitung lief nicht ideal - ihm wird die Leichtigkeit des Vorjahres fehlen. Prognose: Aber zum Podium reicht es dennoch.
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2 Jakob Fuglsang (Astana)
Jahrelang stand der Däne in Diensten anderer Top-Fahrer: Jakob Fuglsang fuhr schon für die Schleckbrüder als Helfer und stand auch bei Astana meist im Schatten. Nun ist er Kapitän und das zu Recht. In diesem Jahr war er der konstanteste der Tour-Kandidaten, hat sich am Berg noch einmal gesteigert. Prognose: Kommt dem Gelben Trikot sehr nah.
Bild: Imago/Sirotti
1 Egan Bernal (Ineos)
Viva Colombia! Die radsportverrückte Nation freut sich auf den nächsten Star, der im Juli die Heimat verzückt. Und dieses Mal möglicherweise so richtig. Egan Bernal hat außergewöhnliche Leistungsdaten und fährt bei Ineos im stärksten Team. Bei der Tour de Suisse war er nicht zu schlagen, jetzt könnte er der Tour seinen Stempel aufdrücken. Prognose: Er lässt Kolumbien jubeln.