Die Surfer kommen in die Jahre
25. Oktober 2002Ingrid Kayka ist regelmäßig drin im Netz: "Was ich nicht weiß, guck' ich gar nicht mehr im Lexikon nach", sagt die 61 Jahre alte Rentnerin. Fahrpläne holt sie aus dem Internet, Bankgeschäfte wickelt sie am Schirm ab. Nur die Chatrooms sind nicht ihr Fall. "Da stehen so viele blöde Sachen drin", sagt die Frankfurterin, die sich mit einer Computerzeitschrift den Einstieg ins Netz verschafft hat, wo sich mittlerweile Hunderttausende gleichaltriger Surfer tummeln.
Jung und alt
"Wir haben bald mehr über 60-Jährige als unter 20-Jährige", sagt die frühere Bundesfamilienministerin und Altersforscherin Ursula Lehr (CDU). Marktuntersuchungen unterstützen ihre Aussage. Diese haben nach Angaben des Frankfurter Onlineanbieters feierabend.com ergeben, dass 1995 nur drei Prozent der Netzsurfer älter als 50 gewesen seien, heute seien es 20 Prozent. 2003 könnten die so genannten "Silver Surfer", also ältere Menschen im Netz, schon ein Viertel der Internetnutzer stellen.
Nach Ansicht der ehemaligen Bundesministerin ist es wichtig, "möglichst kompetent älter zu werden". Der Umgang mit dem Internet zählt für sie zur "Aktivierung im geistig-seelischen Bereich". Die Gründungsprofessorin des Instituts für Gerontologie an der Universität Heidelberg stellte allerding fest, dass ältere Menschen anders lernen als jüngere. Sie bräuchten mehr Zeit, Eselsbrücken seien hilfreich, auf eine übersichtliche Gliederung des Lehrstoffes müsse geachtet werden.
Kaufkräftige Senioren
Winfried Richter, bei der Telekom bundesweit dafür zuständig, Senioren die Scheu vor dem Netz zu nehmen, stellte eine Erfolgsbilanz vor: In den vergangenen beiden Jahren hätten schon 100.000 Menschen an den Kursen "Generation 50 +" seines Unternehmens teilgenommen.
Auch für die Onlineanbieter seien die älteren Internetnutzer eine interessante Klientel, sagte Lehr: "Die Alten sind bei uns zurzeit noch relativ kaufkräftig." Alexander Wild, der nach eigenen Angaben vor vier Jahren mit feierabend.com einen der ersten Spezialanbieter für Senioren im Netz gegründet hat, wies auf eine Studie der Frankfurter Universität hin, der zufolge die meisten Nutzer seines Dienstes schon online eingekauft hätten. Ahnenforschung, Reisen, Gesundheit, soziale Themen und Tiere zählt der Unternehmer zu weiteren Themen, die bei älteren Internet-Nutzern populär seien. Mode, Sport oder auch Erotik würden von ihnen dagegen nur selten angeklickt.
Ingrid Kayka bestätigt, dass sie im Internet auch immer wieder nach Informationen über Tiere sucht. Nicht bestätigen kann sie jedoch den angeblich typischen Weg, dass die jüngere Generation die Älteren ins world wide web lockt. "Ich habe meiner Tochter das beigebracht, die hatte vorher keine Ahnung vom Netz." (dpa)