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Die Tücken der Krebserkrankung

Brigitte Osterath29. September 2015

In den USA erkranken immer weniger Menschen an Lungenkrebs. Rauchen ist dort auch besonders "out". Das zeigt: Unser Verhalten bestimmt unser Krebsrisiko durchaus mit. Pech haben kann man trotzdem.

Spielbrett "Mensch ärgere Dich nicht" mit Spielfiguren und Würfel (Foto: M. Schuppich)
Bild: M. Schuppich

"Krebs ist kein reines Schicksal", sagt Indrayani Ghangrekar, Gesundheitsreferentin bei der britischen Organisation Cancer Research UK, die sich dem Kampf gegen den Krebs verschrieben hat. Zwar geht jeder Krebs auf Erbgutveränderungen zurück. Aber wie schnell sich solche Fehler im Erbgut anhäufen, hängt stark von unserem Verhalten ab. "Zum Beispiel kann man sein Krebsrisiko senken, indem man nicht raucht", so Ghangrekar.

Das belegen Zahlen, die die US-Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention im Januar veröffentlichte: In den Jahren 2005 bis 2009 fielen die jährlichen Lungenkrebs-Diagnosen in den Vereinigten Staaten von 87 auf 78 pro 100.000 Männer und von 57 auf 54 je 100.000 Frauen. Verantwortlich für dieses positive Ergebnis ist nach Ansicht der Behörde, dass deutlich weniger US-Amerikaner rauchen als früher.

In Deutschland ist im gleichen Zeitraum die Zahl der Lungenkrebserkrankungen ebenfalls gesunken, aber nur bei den Männern. Bei den Frauen steigen die Erkrankungen Jahr für Jahr an. Es rauchen auch sehr viel mehr Frauen als früher.

Knapp die Hälfte aller Krebsfälle ließen sich vermeiden

Der Lebensstil hat einen größeren Einfluss auf das Entstehen von Krebs, als viele annehmen. So ergaben Berechnungen des Krebsforschers Max Parkin von der Queen Mary University of London zusammen mit Cancer Research UK: In Industrieländern wie Großbritannien wären 42,7 Prozent aller Krebsfälle im Jahr 2010 vermeidbar gewesen - hauptsächlich durch den Verzicht auf Zigaretten und Alkohol, mehr Bewegung, gesundes Körpergewicht und bessere Ernährung.

Übertragen auf Deutschland heißt das: An über 200.000 Tumorfällen pro Jahr sind nicht unsere geerbten Gene schuld, sondern die Art, wie wir mit unserem Körper umgehen.

Rauchen größter Killer überhaupt

Was Krebs auslöst, untersuchen Langzeitstudien wie EPIC (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition), ein Projekt der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Dabei haben Forscher über eine halbe Million Freiwillige in ganz Europa zu ihrem Lebensstil befragt und beobachten sie jetzt: Wer bekommt wann welchen Krebs und wer erkrankt nicht?

Etwa jede vierte bis fünfte Tumorerkrankung weltweit geht Experten zufolge auf das Konto des Tabaks. Dabei verursacht Rauchen nicht nur Lungenkrebs: Die Schadstoffe aus dem Tabakrauch verteilen sich im gesamten Körper und lösen dort Zellveränderungen aus.

"Nicht alle Raucher bekommen Krebs und man kann leider auch nicht sagen, dass alle, die nicht rauchen, keinen Krebs kriegen", sagt Rudolf Kaaks, Forscher am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. "Aber Raucher bekommen sehr viel öfter und früher im Leben Krebs als Nichtraucher."

Wer jahrelang jeden Tag eine Packung Zigaretten am Tag raucht, bekommt 40 Mal so wahrscheinlich Lungenkrebs wie ein Nichtraucher, sagt Elio Riboli vom Imperial College London, Leiter der EPIC-Studie. "Das ist ein riesiger Unterschied. Fleischkonsum beispielsweise steigert das Risiko, an Krebs zu erkranken, nur auf das Anderthalbfache."

Andere Länder - andere Krebsarten

In Deutschland und anderen westlichen Industrieländern erkranken im Vergleich zu Afrika und Südostasien zehnmal mehr Menschen an Brustkrebs, Gebärmutterkrebs, Dickdarmkrebs oder Bauchspeicheldrüsenkrebs, sagt Kaaks vom DKFZ. Bei vielen Krebsarten handele es sich klar um Zivilisationskrankheiten.

In Entwicklungsländern hingegen erkranken Menschen besonders häufig an Leberkrebs. Schuld sind Infektionskrankheiten wie Hepatitis. Viren, die Leberzellen befallen, können die Zellen so weit schädigen, dass Krebs entsteht.

Auch schwarzer Hautkrebs tritt in einigen Weltregionen viel häufiger auf als in anderen: Spitzenreiter sind Australien, Südafrika, Europa und Nordamerika. "In Australien und Südafrika lebt eine weiße Bevölkerung mit einer Haut, die für die Sonnenintensität nicht gemacht ist", sagt Jessica Hassel, Oberärztin am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen in Heidelberg. "Und in Europa und Nordamerika leben Weiße, die es sich leisten können, in Länder zu fahren, für die sie nicht gemacht sind."

Warum viele Kettenraucher keinen Krebs bekommen

Nicht jede Zigarette, jedes Sonnenbad und jeder Fehler im Erbgut führen zwangsläufig zu einem Tumor. So sind zwar 90 Prozent aller Lungenkrebspatienten Raucher. Aber grob nur etwa 15 Prozent aller Raucher erhalten irgendwann die Diagnose Lungenkrebs.

"Der Körper hat einen enormen Reparaturmechanismus ", sagt Martina Pötschke-Langer, Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention am DKFZ. Dieser Reparaturmechanismus arbeitet aber nicht bei allen Menschen gleich zuverlässig. Das Erbgut, das wir von unseren Eltern mitbekommen, legt fest, wie viel wir sündigen dürfen, bevor Krebs entsteht. Nur könne vorher niemand wissen, zu welcher Kategorie er gehöre, sagt Pötschke-Langer. "Rauchen ist ein Spiel mit dem eigenen Leben."

Manchmal ist Krebs tatsächlich Schicksal

In seltenen Fällen ist der Krebs bereits programmiert - egal, wie der Mensch sich verhält. "Bei den Kindern, mit denen wir es zu tun haben, kennt man sehr häufig keine auslösende Ursache", sagt Kinderonkologe Stefan Pfister vom DKFZ.

Forscher vermuten, dass dann Gene mutiert sind, die besonders starken Einfluss auf das Zellwachstum haben. Ihre Veränderung führt daher sehr schnell zu einer Tumorerkrankung. Und das gilt bei einigen Krebsarten nicht nur für Kinder: "Wir wissen nicht, warum einige Patienten einen Gehirntumor bekommen und andere nicht", sagt Pfister.

Sowohl Würfeln als auch Krebsvorsorge sind eine Frage der StatistikBild: picture-alliance/dpa

Krebsvorsorge ist wie Anschnallen

Rauchen, Sonnenbaden und Übergewicht sind wie das Würfeln mit einem manipulierten Würfel. Verändert man einen Würfel so, dass er auf drei der sechs Seiten eine Eins zeigt, dann steigt beim Würfeln die Wahrscheinlichkeit an, die Eins zu würfeln. Aber es können auch die drei anderen Zahlen fallen. Ebenso gut kann auch jemand mit einem gewöhnlichen Würfel Pech haben - das Risiko ist lediglich geringer.

"Letztendlich dreht sich alles im Leben um Wahrscheinlichkeiten und Statistik", sagt Krebsforscher Riboli. "Warum legen wir einen Sicherheitsgurt an, wenn wir Auto fahren? Weil uns die Statistik sagt, dass dann eine höhere Wahrscheinlichkeit besteht, bei einem Unfall zu überleben."

Wenn jeder die Wahrscheinlichkeit an Krebs zu erkranken, durch ein gesundes Leben ein bisschen reduzieren würde, gäbe es viel weniger Leid, sagt Riboli. "Am Ende sterben wir alle, wir können keine Leben retten. Aber wir können den Tod hinauszögern."

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