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Politik

Die Tür für die Türkei bleibt offen

Barbara Wesel
28. April 2017

Strategisches Abwägen statt Schuldzuweisungen: Auf dem Treffen der EU-Außenminister in Malta hält die Mehrheit trotz massiver Demokratiedefizite an den Beitrittsverhandlungen mit Ankara fest. Aus Valletta Barbara Wesel.

Bulgarisch-türkische Grenze
Bild: picture-alliance/Joker/est&ost/M. Fejer

Wie weiter mit der Türkei nach dem Referendum und den Massenverhaftungen der vergangenen Tage? Bei ihrem informellen Treffen auf Malta diskutierten die EU-Außenminister, wie man auf die jüngsten Entwicklungen am Bosporus reagieren soll.

Die Debatte fand vor dem Hintergrund der Forderungen statt, die EU müsse sich endlich von der Lebenslüge der Beitrittsverhandlungen mit Ankara verabschieden. Aber davor hatte schon am Morgen etwa der litauische Außenminister Linas Linkevicius gewarnt: "Die Türkei ist ein Schlüsselland und ein Nato-Verbündeter. Wir sollten die Verbindung nicht durchschneiden, lasst uns verantwortlich handeln".

Mehrheit gegen Abbruch der Gespräche

"Die Äußerungen mancher Kollegen haben mehr mit Innenpolitik zu tun", sagte Bundesaußenminister Sigmar Gabriel nach der ersten Gesprächsrunde und grinste. Den österreichischen Außenminister Sebastian Kurz nannte er einen begabten Populisten.

Denn dieser hatte wieder einmal in prägnanten Worten ein Ende der Verhandlungen gefordert: "Es ist falsch, die Fiktion des Beitritts aufrecht zu erhalten, obwohl sich die Türkei jedes Jahr weiter weg von Europa entfernt". Für ihn sei mit den Massenverhaftungen durch Präsident Erdogan eine rote Linie überschritten. Aber am Ende blieb Kurz mit seiner Position weitgehend allein.

Prägnant, aber nicht konsensfähig: Österreichs Außenminister Kurz fordert Abbruch der Verhandlungen mit der TürkeiBild: EU2017.MT

Nur Luxemburgs Jean Asselborn plädierte noch deutlicher für einen Abbruch der Gespräche. Seit dem Referendum sei "die freie und rechtsstaatliche Türkei" gestorben. Also gebe es auch nichts mehr, worüber man verhandeln könne. Der Luxemburger ist in Europa berühmt dafür, dass er gerne sagt, wie es ist. Allerdings bleiben seine Vorstöße in der Regel folgenlos.

Gabriel dagegen machte ganz deutlich, dass die Bundesregierung den Gesprächsfaden mit Ankara nicht durchschneiden will. Das habe auch damit zu tun, dass Berlin das Spiel der türkischen Regierung nicht mitmachen wolle. Denn Ankara würde die Gelegenheit nutzen und behaupten, dass sich die Europäer von der Türkei abwendeten.

Der Ball liegt bei Ankara

Allerdings will auch Außenminister Gabriel kein "weiter so wie bisher". Man sei in einer "superkomplizierten Lage", müsse aber trotzdem miteinander reden, sagte Gabriel . "Wer in die EU will, muss die Menschenrechte respektieren, das ist klar, Aber die Türkei bleibt unser Nachbar, und wir wollen sie nicht in Richtung Russland drängen". Auch für ihn sind die geostrategischen Überlegungen ausschlaggebend.

"Superkomplizierte Lage": Außenminister Gabriel will den Gesprächsfaden mit Ankara nicht abreißenBild: picture-alliance/dpa/AP/R. Rossignaud

Deshalb will er neue Gesprächskanäle mit der Türkei aufbauen, etwa im Rahmen der Verhandlungen über die Zollunion oder das Assoziierungsabkommen mit der EU. Gabriel räumte ein, dass diese Haltung wenig "klar" und damit weniger populär sei. Es sei aber ein Fehler, jetzt die Tür zuzuschlagen. Wie die neuen Gesprächsformate Formen aussehen könnten, ist noch offen. Hier sei mit Vorschlägen auch Ankara selbst gefragt, sagte der Außenminister.

Visafreiheit nur für Demokraten?

Um der türkischen Seite auch etwas Positives anzubieten, insbesondere der Zivilgesellschaft und den Gegnern des Referendums, schlug Gabriel übrigens vor, etwa Journalisten, Schriftstellern und Wissenschaftlern das visafreie Reisen erlauben. Die Frage der generellen Visafreiheit ist zwischen der EU und der türkischen  Regierung nach wie vor heftig umstritten.

Die Türkei erfülle die Bedingungen nicht, sagen die Europäer. Präsident Erdogan wiederum dringt unablässig darauf, auch unter Drohungen, dass dieses Zugeständnis umgesetzt werde. Inwieweit nun eine selektive Visafreiheit möglich sein könnte, steht dahin. Während Gabriel dies für machbar hält, goß EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Ende der Gespräche eher kaltes Wasser auf die Idee.

Mogherini stellte auch klar, dass es keine Mehrheit in der EU dafür gibt, der Türkei die Tür zuzuschlagen. "Der Beitrittsprozess ist weder eingefroren noch beendet. Aber es wird derzeit nicht daran gearbeitet", erklärte sie. Die Diskussion unter den Außenministern darüber sei sehr offen gewesen, was unter Diplomaten bedeutet, dass es Streit gab. Aber die Mehrheit betrachte die Türkei als strategischen Partner, auf den man weder als Nachbarland noch als NATO-Mitglied verzichten könne.

Ankara auf der Anklagebank

Weiterhin am EU-Beitritt interessiert: Der türkische Außenminister Mevlut CavusogluBild: picture-alliance/Anadolu Agency/C. Ozdel

Dennoch: Der türkische Außenminister Cavucoglu, der später in der Runde der Beitrittskandidaten an den Gesprächen teilnahm, erklärte, sein Land sei weiterhin an Fortschritten interessiert, so berichtete Mogerini. Hier aber wies sie mit dem Finger auf die Türkei: Ankara sei selbst verantwortlich für Stillstand oder Fortschritt: "Man weiß sehr genau, was das (ein Beitritt) bedeutet, von der Wahrung der Menschenrechte über die Medienfreiheit bis zur Unabhängigkeit der Justiz".

"Die Türken machen es uns schwer, auch wegen Verhaftungen von Journalisten wie Deniz Yücel und anderen", erklärte Sigmar Gabriel am Rande des Treffens. Die Bundesregierung setze sich unablässig in Gesprächen mit der türkischen Seite dafür ein, dass der Journalist frei gelassen werde. "Er sitzt unschuldig in Haft, die Vorwürfe gegen ihn sind absurd. Wir werden da nicht nachlassen". 

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