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Türkei wählt ein neues Parlament

7. Juni 2015

Mit den Wahlen entscheiden die Türken nicht nur über die Zusammensetzung von Parlament und Regierung. Sie stellen auch die Weichen für oder gegen die Pläne von Staatschef Erdogan, der ein Präsidialsystem einführen will.

türkischer Präsident besucht Sarajevo (Foto: "Klix.ba/F. Krvavac)
Bild: Klix.ba/F. Krvavac

Erstmals seit dem Amtsantritt von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan sind die Türken zur Wahl eines neuen Parlaments aufgerufen. Umfragen sagen der seit mehr als zwölf Jahren regierenden islamisch-konservativen AKP Stimmenverluste voraus.

Die seit 2002 regierende und von Erdogan mitgegründete AKP ist die stärkste politische Kraft im Land. Einige Umfragen sehen sie bei 40 bis 45 Prozent. Damit ist sie weit vor der säkularistischen CHP, die zwischen 18 und 25 Prozent liegt, und der Nationalistenpartei MHP, die auf 15 Prozent kommt. Andere Umfragen sehen sogar die Mehrheit der AKP in Gefahr und die Notwendigkeit einer Koalitionsregierung voraus.

Erdogan will mehr Macht als Präsident

Doch Erdogan, der erst vor kurzem das Ministerpräsidentenamt gegen das des Staatspräsidenten wechselte, geht es nicht nur darum, die AKP als stärkste politische Kraft bestätigt zu sehen. Er will nach der Wahl mit Hilfe des neuen Parlaments eine Reihe von Verfassungsänderungen durchsetzen, um in der Türkei das Präsidialsystem einzuführen - mit ihm an der Spitze. Dafür müsste die AKP mindestens eine Drei-Fünftel-Mehrheit der 550 Mandate erreichen. Ob sie die erhält, ist fraglich.

Kurden spielen zentrale Rolle

Eine Schlüsselrolle könnte die erstmals antretende kurdische Volksdemokratische Partei (HDP) spielen. Schafft sie den Sprung über die Zehn-Prozent-Hürde ins Parlament, stellt sie mindestens 60 Abgeordnete und gefährdet damit das Wahlziel der AKP, mindestens 330 Sitze zu erreichen. Bleibt die HDP draußen, profitiert vor allem die AKP.

Einige Umfragen zeigen daher, dass auch nicht-kurdischen Erdogan-Gegner zur Wahl der HDP tendieren: Sie wollen mit einer Stärkung der Kurdenpartei die Präsidialpläne Erdogans verhindern. Folgerichtig attackierte Erdogan bei seinen Reden die Kurdenpartei ganz besonders heftig.

Offiziell gibt sich die AKP zwar gelassen, doch hin und wieder lassen Äußerungen von Spitzenpolitikern erkennen, wie besorgt die Regierungspartei ist. So warnte Finanzminister Mehmet Simsek die Wähler kürzlich, eine Koalitionsregierung könnte der Türkei den wirtschaftlichen Kollaps bescheren.

Wahlkampf mit Erdogan

Da es bei der Wahl im Grunde um die künftige politische Rolle Erdogans geht, mischte der eigentlich zur Neutralität verpflichtete Staatspräsident auch ganz offen im Wahlkampf für die AKP mit - was ihm viel Kritik der Opposition einbrachte. In der Türkei gilt Erdogan als der bei weitem beste Wahlkämpfer, der mit seinem rhetorischen Talent, seinem Populismus und seiner Volksverbundenheit punkten kann. Dennoch verlor die AKP in den Umfragen kontinuierlich an Boden. Die Gründe lagen in der sich eintrübenden Wirtschaftslage, der steigenden Arbeitslosigkeit, den Korruptionsvorwürfen gegen die Regierung - und in einem neuen Kampfgeist bei der Opposition.

Das Wahlkampfende wurde von schwerer Gewalt überschattet. Bei einem Sprengstoffanschlag auf eine HDP-Veranstaltung in der Kurden-Metropole Diyarbakir wurden am Freitagabend nach Angaben von Polizei und Ärzten mindestens drei Menschen getötet und 220 weitere verletzt. Im Wahlkampf war die HDP immer wieder zum Ziel von Anschlägen und Übergriffen geworden. Wer dafür verantwortlich ist, blieb unklar.

Erste Teilergebnisse der Parlamentswahl werden am Abend erwartet.

chr/fab (dpa, afp, rtr)

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