Die transatlantische Allianz hat viel vor
13. September 2005Am vergangenen Freitag (9.9.05) hat die NATO auf Bitten der USA beschlossen, per Schiff und Flugzeug Hilfsgüter für die Hurrikan-Opfer aus Europa in die USA zu transportieren - ein Fall für die NATO Response Force. Schon am Sonntag (11.9.) hob die erste Frachtmaschine ab. Die erst im Jahr 2004 ins Leben gerufene schnelle Eingreif-Truppe der Allianz kommt damit zum ersten Mal in einem Katastrophen-Gebiet zum Einsatz. Welche Fähigkeiten der Response Force noch fehlen und vor allem: Wer was bezahlt, das wollen die Verteidigungsminister bei ihrem Treffen in Berlin klären.
21.000 Soldaten für Friedenseinsätze
Obwohl noch einige Fragen offen sind, verbreitet NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer Optimismus: "Wir hoffen und gehen davon aus, dass die Response Force im nächsten Jahr ihre volle Einsatzbereitschaft erreicht haben wird. Wir sind jetzt dabei, die letzten Lücken zu füllen. Die Einsatz-Truppen sind aber jetzt schon imstande, Operationen auszuführen. Ein ganz konkretes Beispiel dafür ist der Hurrikan 'Katrina'".
21.000 Soldaten sollen ab 2006 für Friedenseinsätze zur Verfügung stehen, aber es gibt Engpässe bei der Truppen-Bereitstellung. Diejenigen der 26 NATO-Länder, die sich nicht an ihre Zusagen halten, wird der Generalsekretär vermutlich in Berlin noch einmal ins Gebet nehmen.
ISAF-Einsatz verlängert
Auf der Tagesordnung stand auch der NATO-geführte ISAF-Einsatz in Afghanistan. Wegen der bevorstehenden Parlamentswahl hat die NATO ihre Sicherheitstruppe vorübergehend um 2000 Soldaten auf 10.500 aufgestockt. Ein Dauerbrenner bleibt die Frage, wie die Sicherheit in Afghanistan möglichst breit und möglichst langfristig gewährleistet werden kann.Das Mandat der ISAF-Friedenstruppe wäre eigentlich am 13. Oktober abgelaufen, wurde aber am Dienstag vom UN-Sicherheitsrat um ein Jahr verlängert.
Bisher ist die ISAF nur in Kabul sowie im Norden und Westen des Landes im Einsatz. Für die geplante Ausdehnung in den unruhigen Süden hat der ISAF-Kommandeur einen zusätzlichen Bedarf von 2000 bis 3000 Soldaten angemeldet. Wer die stellen könnte, wird in Berlin zu besprechen sein. Jaap de Hoop Scheffer forderte mit Blick auf die wachsende Zahl von Einsätzen der Allianz in der Welt eine gerechtere Lastenverteilung unter den Bündnispartnern. Es sei zu befürchten, dass es weitere Einsätze wie in Afghanistan und
im Kosovo geben werde, sagte er. Das Problem sei, dass Alliierte sich an Einsätzen beteiligen wollten, es aber nicht finanzieren könnten. Bisher trägt jede Nation ihre eigenen Kosten. De Hoop Scheffer regte einen Solidaritätsfonds an.
Auch wenn der Afghanistan-Einsatz nach Einschätzung des Generalsekretärs die "wichtigste Operation" der Allianz ist, warnt Jaap de Hoop Scheffer vor überzogenen Erwartungen an die NATO: "Die NATO kann natürlich nicht alleine alles machen. Wir haben in Afghanistan das riesige Drogen-Problem. Das liegt nicht in der Erstverantwortung der NATO, aber die Wiederaufbau-Teams können da unterstützend tätig sein." Die NATO spiele in Afghanistan eine wichtige Rolle und die werde sie auf mittlere und längere Frist auch in Zukunft spielen, meint der Generalsekretär des Militärbündnisses.
Keine Zusammenlegung der NATO- und US-Mandate
Neben der ISAF sind 20.000 US-Soldaten in Afghanistan im Einsatz. "Enduring Freedom" nennt sich ihr Mandat zum Kampf gegen Taliban und Al Kaida. In Berlin wurde einmal mehr über die Zusammenlegung der beiden bisher getrennten Mandate diskutiert.
Struck sieht sein Nein zur Verzahnung der beiden Einsätze in
Afghanistan von den USA akzeptiert. Nach einem Gespräch mit US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld sagte Struck: "Wir waren uns darin einig, dass es bei der jetzigen Zweiteilung bleiben soll." Ein Sprecher der NATO sagte hingegen, im Bündnis werde weiter nach einer gemeinsamen Kommandostruktur gesucht.
Politische Rolle der NATO
Ein weiteres Thema des Treffens ist die künftige Ausrichtung der NATO. Nach Ansicht der Bundesregierung sollte die Allianz sich nicht nur militärisch-technisch ausrichten, sondern eine größere politische Rolle spielen. Verteidigungsminister Peter Struck hofft diesbezüglich sogar auf ein "Berliner Signal" für die Zukunft der NATO. "Von Berlin soll das Signal ausgehen, dass die Transformation der NATO nicht nur eine technisch-militärische, sondern auch eine politische Frage ist", sagte Struck. Auch de Hoop Scheffer betonte die Notwendigkeit zum intensiven politischen Dialog in der NATO.