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"Die Ukraine wird vom WTO-Beitritt profitieren"

21. Mai 2008

Die Ukraine ist Mitglied der WTO geworden. Heinz-Wilhelm Strubenhoff, deutscher Berater im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums, nimmt Stellung zu Chancen und Risiken des Beitritts.

Bild: DW

DW Ukrainisch: Herr Strubenhoff, 15 Jahre hat die Ukraine gebraucht, um Mitglied der Welthandelsorganisation (WTO) zu werden. Überblicken Ihrer Meinung nach Politik und Verwaltung in der Ukraine, was der WTO-Beitritt für das Land bedeutet?

Hier gibt es sicherlich noch sehr viel zu tun. Ein Beispiel: die Übersetzung des 1500-seitigen Beitrittsverhandlungspakets. Dieses Paket wurde erst zwei Tage vor dem Beitrittsbeschluss im ukrainischen Parlament vom Englischen ins Ukrainische übersetzt. Wir selbst hatten es schon zwei Monate vorher in der englischen Version vorgelegt. Das ist schade, denn gerade der WTO-Beitritt muss für die Menschen in Verwaltung und Politik in seinen Vorteilen, aber auch Nachteilen nachvollziehbar sein, damit es nicht um Politisierung, sondern um eine rationale Diskussion geht. Es ist sicherlich so, dass noch viel Informationsarbeit zu leisten ist. Dies stellt eine besondere Herausforderung für die ukrainische Regierung dar.

Mit welchen wirtschaftlichen Gewinnen und Verlusten muss die Ukraine nach dem WTO-Beitritt rechnen?

Die Ukraine wird vom WTO-Beitritt profitieren, sonst wäre sie der WTO nicht beigetreten. Vor allem werden erst einmal die Verbraucher profitieren, die Importware

günstiger bekommen. Gewinner wird zum Beispiel auch die Stahlindustrie sein, weil sie die wichtigste ukrainische Exportbranche ist. Es wird allerdings auch einige Verlierer geben. In erster Linie betrifft dies die ukrainische Ernährungswirtschaft. Der Wettbewerbsdruck wird steigen, weil gerade in der Ernährungsbranche die Importe zunehmen werden. Im Landwirtschaftsektor halten sich die positiven und negativen Effekte die Waage. Trotzdem hat die ukrainische Landwirtschaft ein riesiges Exportpotential, das man nutzen muss. Dafür ist es jedoch erforderlich, dass Exportquoten und Restriktionen wegfallen. Wenn die Ernte gut ausfällt, wird auch die Landwirtschaft vom WTO-Beitritt profitieren können. Zu erwähnen ist auch, dass der WTO-Beitritt Voraussetzung ist für Verhandlungen mit der EU und für ein vertieftes Freihandelsabkommen. Dies eröffnet Möglichkeiten, die der Ukraine heute noch verschlossen sind, so zum Beispiel den Export von Milch- und Fleischprodukten aus in die EU.

Wird sich der WTO-Beitritt auch auf den Brotpreis in der Ukraine auswirken?

Der Brotpreis in der Ukraine ist politisch gesetzt und subventioniert. Hier wird es durch den WTO-Beitritt nicht unmittelbar Auswirkungen geben. Bei den anderen Lebensmittelprodukten wird es eher so sein, dass durch die zunehmenden Importe und den Wettbewerbsdruck auf die Ernährungswirtschaft die Preise mittelfristig sinken werden. Die Verbraucher werden dadurch profitieren. Es ist durchaus so, dass in manchen Bereichen die Preise für Lebensmittel in der Ukraine höher sind als zum Beispiel in Deutschland. Die Lebenshaltungskosten für Menschen, die zum Beispiel in Kiew wohnen, entsprechen denen in Berlin. Das hängt damit zusammen, dass in den letzten Jahren der Lebensmittelhandel und die Ernährungswirtschaft in der Ukraine zu wenig Wettbewerb hatten.

Vor dem Hintergrund der Konflikte zwischen Russland und der Ukraine auch in Handelsfragen sind einige Wirtschaftswissenschaftler der Meinung, dass Russland nun die Einfuhr ukrainischer Waren - von Milchprodukten bis zu PKWs - verbieten könnte.

Schwierigkeiten im Handel mit Russland sind nicht neu. Im Januar 2006 verbot Russland den Import von ukrainischem Käse, Milchprodukten und Fleisch. Das bedeutete Verluste von täglich zwei Millionen Dollar allein für die ukrainische Milchwirtschaft. Bis heute sind nur etwa 40 Milch verarbeitende Unternehmen zertifiziert, die wieder nach Russland liefern dürfen. Ich hoffe, dass beide Länder diese Lage entschärfen und wieder zivilisiert miteinander Handel betreiben. Das Risiko, dass die Russen die Grenzen dicht machen, ist immer gegeben, weil sie den Handel politisieren. Das ist eine permanente Bedrohung, unabhängig vom WTO Beitritt.

Das Gespräch führte Zakhar Butyrskiy

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