Kampagne zur Unabhängigkeit
23. Juni 2014Vor 700 Jahren schlugen die Schotten in der Schlacht von Bannockburn die englische Übermacht und sicherten sich so zum ersten Mal für mehrere Jahrhunderte ihre Unabhängigkeit. Heute werden in Schottland zwar keine Schlachten mehr geschlagen, wie sie einst Robert I., besser bekannt als Robert the Bruce, anführte, dennoch spaltet das für den 18. September geplante Referendum über die Unabhängigkeit die Nation.
Calum MacLachlainn und Paul Sloan sind alte Freunde. Seit vielen Jahren führen sie gemeinsam etliche Restaurants in Schottland. Wenn es aber um die schottische Unabhängigkeit geht, fliegen die Fetzen zwischen den Männern. MacLachlainns Vision eines unabhängigen Schottlands ist für seinen Freund und Geschäftspartner Sloan schlichtweg eine Horrorvorstellung.
Auswirkungen auf die Wirtschaft
Während die Gäste im "Waterfront Restaurant" in Oban, einer hübschen Kleinstadt an der Westküste Schottlands, Meerforellen und frische Makrelen genießen, erklärt MacLachlainn seinen Standpunkt. Ein unabhängiges Schottland, so meint er, wäre selbstbewusster und könne als kleines Land mit etwas mehr als fünf Millionen Einwohnern schnell auf Krisen reagieren. So wie Island in der Finanzkrise. "Dort hat man die Banker sofort hinter Gitter gebracht, und kam so sehr schnell aus der Rezession heraus."
Ein unabhängiges Schottland könne außerdem entscheiden, ob es in der EU bleiben möchte, meint MacLachlainn. Er sei kein großer Verfechter der EU, fügt er hinzu, möchte aber, dass die Schotten selbst über ihre Mitgliedschaft bestimmen können. Schottland macht etwa acht Prozent der Einwohner im Vereinigten Königreich aus, und hat dementsprechend wenig Einfluss.
MacLachlainns Geschäftspartner Sloan ist nicht überzeugt. Schottland gehe es gut im Vereinigten Königreich, sagt Sloan. "Warum sollten wir das aufgeben?" Sloan sorgt sich auch um mögliche finanzielle Konsequenzen. Ökonomisch mache die Unabhängigkeit keinen Sinn, denn Schottland verfüge nicht über genügend Einnahmequellen, um seine eigene Infrastruktur aufrecht zu erhalten. Auch eine potenzielle Labour-Regierung macht dem Unternehmer Sorgen: In Schottland wird traditionell eher links gewählt. "Die Reichen würden zugunsten der Armen besteuert", fürchtet Sloan und fügt hinzu, er sei froh, dass die konservative Regierung in London für Sozialausgaben zuständig sei. MacLachlainn dagegen favorisiert, wie der Großteil der schottischen Unabhängigkeits-Befürworter, eine Umverteilung des Reichtums.
Nein-Sager liegen knapp vorn
Vor der wöchentlichen Probe treffen sich viele Mitglieder von Obans Gälischem Chor, um an "Cabar Feidh" ("Geweih") zu feilen - einem Schlachtgesang über die Kämpfer des MacKenzie-Klans, die wiederum einen Hirschkopf mit Geweih im Wappen führen.
Fragt man die Sänger nach möglichen Vorteilen der Unabhängigkeit, sprudeln die Antworten nur so heraus: mehr soziale Gleichheit, ein besseres Gesundheitswesen und "eine Stimme für Frieden in der Welt, die nicht an die Amerikaner gekoppelt ist, die uns in entsetzliche Kriege im Irak und in Afghanistan hereingezogen haben", sagt ein Teilnehmer.
Nur die gebürtige Schweizerin Margaret lehnt die schottische Unabhängigkeit ab. Wie Sloan fürchtet sie finanzielle Konsequenzen, und sieht "das Geld dahin schmelzen".
Zünglein an der Waage?
In Oban geben sich Unabhängigkeits-Befürworter deutlich leidenschaftlicher als die Skeptiker. Selbst Margaret muss zugeben, dass die Begeisterung ihrer Mitsänger ansteckend ist.
Laut Meinungsumfragen haben Gegner der schottischen Unabhängigkeit einen winzigen Vorsprung vor den Unabhängigkeits-Befürwortern. Aber nicht nur in Oban sind viele Wähler noch unentschieden. Am Ende sind es vielleicht sogar die Unentschiedenen, die das Wahlergebnis und damit das Schicksal einer 300 Jahre alten Union entscheiden.