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Politik

Die ungewisse Zukunft des Julian Assange

Jenipher Gonzalez ml
14. Dezember 2018

Er würde gerne bleiben: Julian Assange kämpft dagegen, die Botschaft Ecuadors in der britischen Hauptstadt London verlassen zu müssen. Aber seine Gastgeber wollen ihn loswerden. Ist die Aktion mit dem FBI abgestimmt?

Julian Assange Gründer WikiLeaks
Bild: picture alliance/empics/D. Lipinski

Gehen oder bleiben? Der Gründer der Enthüllungsplattform WikiLeaks, Julian Assange, steckt mitten in einer Auseinandersetzung darüber, wie und ob er überhaupt seinen Aufenthalt in der Botschaft Ecuadors in London fortsetzen kann. Im Oktober hatten seine Gastgeber die Rahmenbedingungen verschärft. Assange wehrt sich - auch auf juristischem Wege. Sollte sein zweiter Einspruch gegen die Maßnahmen der Regierung Ecuadors scheitern, werde er sich an den Internationalen Gerichtshof wenden, erklärte er diese Woche.

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Die neuen Regeln durch die Botschaft laufen darauf hinaus, dass seine Privilegien in dem Botschaftsgebäude eingeschränkt werden. Außerdem ist von veränderten finanziellen Forderungen die Rede. In anderen Berichten heißt es, man habe Assange den Internet-Zugang gekappt.

Und schließlich nimmt sich die Regierung in Quito das Recht heraus, den Australier Assange schlicht aus der Botschaft herauszuwerfen, sollte er gegen die neuen Regeln verstoßen.

Seit November geht Assange gegen die Verschärfung der Aufenthaltsbestimmungen auf juristischem Wege vor. Seine Grundrechte würden eingeschränkt, argumentiert er. Doch im ersten Anlauf scheiterte er - über den neuen Einspruch soll in acht Tagen entschieden werden. WikiLeaks gibt über Twitter Informationen über das Verfahren heraus.

Eine Altlast der früheren Regierung 

Die ecuadorianische Regierung versucht seit einem Jahr, mit Assange ein - nach eigener Einschätzung internationales - Problem loszuwerden, dass sie von der Vorgänger-Regierung geerbt hat. Seit 2012 hält sich der WikiLeaks-Gründer in dem Botschaftsgebäude auf, dem Jahr, als ihm der damalige Präsident Rafael Correa Asyl zugesichert hat. Nun hofft man wohl, dass die strengeren Regeln den ungeliebten Gast dazu bewegen würden, freiwillig zu gehen. Bislang vergeblich.

Assange ist in die ecuadorianische Botschaft geflüchtet, um einer Festnahme und Auslieferung nach Schweden wegen Vergewaltigungsvorwürfen zu entgehen. Später stellte die schwedische Justiz ihre Ermittlungen zwar ein, die britischen Behörden erklärten aber, dass sie ihn beim Verlassen der Botschaft trotzdem festnehmen würden. In den USA droht dem WikiLeaks-Gründer wegen der Veröffentlichung brisanter Dokumente aus den Kriegen in Afghanistan und im Irak ein Verfahren wegen Geheimnisverrats.

"Kein Asylantenheim"

Ecuador wolle jetzt seine diplomatischen Verbindungen zu Großbritannien verbessern, berichtete die Tageszeitung "El Comercio". "In den letzten Jahren hat sich das Verhältnis natürlich abgekühlt, wegen der Situation, die wir in der Botschaft haben", zitiert das Blatt den Botschafter Jaime Marchan. Der Diplomat nahm, hier ganz undiplomatisch, kein Blatt vor den Mund: "Das Botschaftsgebäude ist doch kein Asylantenheim. Wir haben hier die Aufgaben der Vertretung unseres Landes zu erfüllen, und zwar Tag für Tag." Seit die Versuche gescheitert seien, Assange einzubürgern oder ihm zumindest diplomatischen Status zu verschaffen, hätten sich die Grundlagen verändert. Nun sollte Assange derjenige sein, der die Entscheidung treffe, das Haus zu verlassen, erklärt Marchan. 

Wird Assange überwacht?

Natürlich kann man vor dem Hintergrund solcher Äußerungen längst nicht mehr von einem guten Verhältnis zwischen Gast und Gastgeber sprechen. Dennoch weigert sich der WikiLeaks-Gründer, zu gehen.

Ecuadors Präsident Lenin Moreno und US-Vizepräsident Mike Pence (links) bei einem Treffen in Quito im JuniBild: picture-alliance/Zumapress/White House

Der lateinamerikanische Sender "Telesur", der in Venezuela sitzt, berichtete am Mittwoch über Vorwürfe Assanges, dass er in den Botschaftsmauern inzwischen unter Beobachtung stehe. Der Australier hatte sich darüber mit Reportern in einer Videokonferenz ausgetauscht. Assange beschuldigte das FBI, auf die Regierung in Quito Druck auszuüben. Diese solle endlich das politische Asyl des Mannes beenden und ihn an die Vereinigten Staaten übergeben.

Die Informationen, die seine Bewacher sammelten, würden direkt an das FBI geschickt, klagt der inzwischen 47-Jährige. Er kritisierte die Behörden Ecuadors auch dafür, dass sie "abschätzige und drohende Bemerkungen" über ihn gemacht und seine Arbeit als Journalist infrage gestellt hätten. Mittlerweile befinde er sich in einer Art Einzelhaft - die Isolation gefährde seine Gesundheit.

Die Befürchtungen des WikiLeaks-Gründers, dass die USA erneut nach seiner Auslieferung trachten, sind nicht völlig aus der Luft gegriffen. Erst vor einem Monat unterstrichen US-Behörden, dass eine Anklage gegen Assange vorläge. Allerdings bleiben die konkreten Anschuldigungen im Dunkeln.

Der Einfluss Washingtons

Wie stark der Druck ist, den Washington ausübt, kann schwer eingeschätzt werden. Allerdings verweist auch Assanges alte Organisation, WikiLeaks, auf die Verwicklung der USA. "Ecuador hat zuletzt ja die Zusage über ein Darlehen in Höhe von 1,1 Milliarden US-Dollar (970 Millionen Euro) bekommen. Der US-Vertreter beim Internationalen Währungsfonds hat Ecuador Ende 2017 mitgeteilt, dass dieser Kredit abhängig wäre von einer Lösung in der Assange-Frage und des Streits um den US-Ölkonzern Chevron", heißt es in einer WikiLeaks-Erklärung.

Manchmal tritt er auf den Balkon der Botschaft: Julian Assange im Mai 2017Bild: picture-alliance/J.Wiseman

Falls Assange die Botschaft verlässt, würden Gerichte in Großbritannien über eine Auslieferung an die USA entscheiden. Ecuador verweist auf schriftliche Zusicherungen seitens des Vereinigten Königreiches an Präsident Lenin Moreno. Auch Moreno selbst äußerte sich entsprechend: "Die britische Regierung hat uns mitgeteilt, dass er aufgrund der Gesetzeslage nicht in ein Land ausgeliefert werden kann, in dem sein Leben in Gefahr ist oder ihm die Todesstrafe droht", sagte der Staatschef in einem Radiointerview. Aber das heißt natürlich nicht, dass Assange sich nicht wegen der Verstöße gegen seine Auflagen verantworten müsste - seinerzeit, als er in die Botschaft Ecuadors floh. 

Was passiert dann?

Inigo Salvador gilt als einer der besten Anwälte Ecuadors. Die schriftlichen Zusagen seien alles, was die Regierung in Quito zu bieten habe, sagt er. Eine Garantie, dass er nicht von Großbritannien an einen dritten Staat ausgeliefert werde, könne sein Land nicht abgeben. In London war zuletzt zu hören, dass gegenwärtig kein Auslieferungsgesuch vorliege. Assange müsse voraussichtlich nur sechs Monate in Haft verbringen. Was aber wird passieren, wenn er die schützende Umgebung verlässt? Wird die US-Regierung eine Zusage geben, dass ihm nicht die Todesstrafe droht?