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Syrien Beobachtermission

22. Januar 2012

Die Beobachtermission der Arabischen Liga in Syrien war bisher ein Fehlschlag, doch ein robusteres Mandat dürfte an Baschar al-Assad scheitern. Die Arabische Liga muss jetzt den Druck erhöhen.

Symbolbild Kommentar

Der Bericht der Arabischen Liga über den bisherigen Verlauf ihrer Beobachtermission ist ein ungewolltes Eingeständnis des eigenen Scheiterns. Die gesammelten Daten, so heisst es aus inoffiziellen Quellen, sprächen zu 60 Prozent für die Behörden und zu 40 Prozent für die Opposition. Wasser auf die Mühlen all jener, die sagen, die Beboachter seien vom Regime Baschar al-Assads an der Nase herum geführt worden. In der Tat: Mit ihrer kläglichen Zahl von nur rund 150 Personen gaben die Beobachter in ihren orangefarbenen Jacken in den zurückliegenden Wochen ein Bild hilfloser Desorientierung ab. Schlecht vorbereitet irrten sie im Land umher und gerieten in ihrem Bemühen um die Dokumentierung von Menschenrechtsverstößen ein um das andere Mal zwischen die Fronten. Schnell wurde aus dem Willkommensgruß von Seiten der syrischen Opposition beißende Kritik, als klar wurde, wie wenig zielgerichtet die Beobachter bei ihrem Auftrag vorgingen. Von einem Dialog zwischen den Regimegegnern und der Opposition oder gar einem Ende der Gewalt kann einen Monat nach Beginn der Mission überhaupt keine Rede sein. Allein in den ersten drei Wochen der Mission wurden nach Einschätzung der UNO weitere 400 Menschen in Syrien getötet. Die Opposition hat sich weiter militarisiert und das Land steht am Rande eines Bürgerkriegs.

Wunderdinge waren nicht zu erwarten

Dabei waren von dieser Beobachtermission von vornherein keine Wunderdinge zu erwarten. Zu militärischen Anlagen hatten die Beobachter keinen Zutritt. So war absehbar, dass die Gefängnisse und Folterkeller des Regimes den Beobachtern der Arabischen Liga verschlossen bleiben würden. Die syrische Opposition geht sogar noch einen Schritt weiter: Sie sagt, das Regime Assads habe die Anwesenheit der Beobachter dazu verwendet, noch massiver gegen Oppositionelle vorzugehen.

DW-Redakteur Daniel ScheschkewitzBild: DW

Eines seiner Ziele hat Assad mit der Beobachtermission jedenfalls erreicht: Er hat Zeit gewonnen. Dafür war er bereit, auch kleinere Zugeständnisse zu machen. Einige der politischen Gefangenen wurden tatsächlich freigelassen, etwa der seit Mai inhaftierte Menschenrechtsaktivist Nadschati Tajjara. Doch ob er und andere Leidensgenossen künftig wieder unbehelligt in Syrien werden leben können, dafür gibt es bislang keine Gewähr. Genauso verhält es sich mit der Generalamnestie, die Assad für alle Straftaten ausgesprochen hat, die seit dem Beginn der Proteste vor 11 Monaten begangen wurden. Ihre Umsetzung ist kaum zu überprüfen und schon gar nicht von rund 150 Mann, die ein Land von der Größe Deutschlands beobachten sollten.

Syrien bleibt ein Dauerkrisenherd

Auch die Reformen, die Assad ebenfalls versprochen hat, sind vor allem ein taktisches Manöver um Zeit zu gewinnen. In Wirklichkeit geht die Unterdrückung unvermindert weiter. In Aleppo, der zweitgrößten Stadt Syriens, durchsuchten Sicherheitskräfte in dieser Woche auf besonders martialische Weise den Campus der Universität. Von einem Respekt für die Menschenrechte ist Assad weiter entfernt denn je. Seine Zugeständnisse kommen scheibchenweise und dienen in erster Linie dem Machterhalt.

Nun muss sich die Arabische Liga am Wochenende Gedanken machen, ob sie die Mission überhaupt fortsetzen will und wenn ja, in welcher Form. Dabei muss es auch um die personelle Zusammensetzung der Beobachtermission gehen. Die Mehrzahl der Beobachter kommt aus Nachbarländern Syriens wie dem Libanon, der Irak oder Jordanien, wo man im Hinblick auf einen erzwungenen Regimewechsel in Syrien große Befürchtungen hegt.

Die Arabische Liga ist in der Syrien-Frage gespalten und die Zerrissenheit spiegelte sich auch unter den Beobachtern wider. Einige, die ihren Auftrag durchaus ernst nahmen, gaben in Anbetracht der Behinderungen durch das Regime vorzeitig auf. Andere wurden offenbar von ihren Entsendeländern zum Weitermachen genötigt, war doch die Mission aus Sicht dieser Länder zum Erfolg verdammt.

Katars Vorschlag und Assads Drohung

Und Assad? Er hat einer Fortsetzung der Mission in ihrer jetzigen Form bereits zugestimmt. Warum wohl? Von diesem kleinen, schlecht ausgebildeten Häuflein hat er nur wenig zu befürchten. Auch die Entsendung von 10 oder 20 zusätzlichen Beobachtern wird daran wohl kaum etwas ändern können. Die Arabische Liga steht jetzt unter Zugzwang. Sie muss die politischen Konsequenzen aus diesem Bericht ziehen. Im Raum steht nicht zuletzt der Vorschlag des Emirs von Katar, der die Entsendung eines arabischen Truppenkontingents nach Syrien vorgeschlagen hat. Eine bemerkenswerte Initiative, die immerhin von dem Land kommt, das im Syrien-Ausschuss der Arabischen Liga den Vorsitz inne hat. Reiche Golfstaaten wie Katar finanzieren die Opposition in Syrien. Das erklärt auch Katars mutiges Vorpreschen. Assad hat für den Fall, dass der Vorschlag Katars umgesetzt wird, ein arabisches "Blutbad" angedroht. Unterstützung erhielt er dabei vom russischen Außenminister Lawrow, der die Araber ebenfalls in markigen Worten vor einer Militärintervention bei seinem Schutzgenossen warnte. Und das ausgerechnet in einer Woche, da in Zypern ein für Syrien bestimmter Munitionstransport aus Russland abgefangen wurde.

Ein robusteres Mandat muss folgen

Der Bericht der Arabischen Liga war trotzdem nicht umsonst. Vor allem dann nicht, wenn er nun an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen weitergeleitet wird. Das würde auch auf dieser Ebene den Handlungsdruck erhöhen. Noch immer gibt es keine völkerrechtlich wirksame Verurteilung der Gewalt per UN-Resolution, auch wenn der Westen, darunter auch Deutschland, unermüdlich drängt. Russland und China blockieren hier schon seit Monaten, um kraftvollen internationalen Sanktionen oder gar einer Militärintervention vorzubeugen. Immerhin will UN-Generalsekretär Ban Ki Moon nun für eine professionelle Ausbildung der Beobachter der Arabischen Liga sorgen. Jeder Schritt hin zu einer wirksameren, robusteren Mission erhöht den Druck auf Assad. So könnte ein neues Mandat auch die Sicherung lokal begrenzter Waffenstillstände umfassen, so wie sie in dieser Woche bereits ein erstes Mal im Umland von Damaskus geschlossen wurden. Dazu müsste die Mission natürlich bewaffnet und personell erheblich aufgestockt werden. Dem wird Assad aus guten Gründen nicht zustimmen. Bis hierhin war die Beobachtermission eine Farce, was auch der Bericht nur mühsam verdecken kann. Wenn die Arabische Liga es ernst meint, muss sie nun den nächsten Schritt tun und die Mission auf eine neue Grundlage stellen.

Autor: Daniel Scheschkewitz
Redaktion: Dеnnis Stutе