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Politik

USA, Türkei, Gülen: eine stabile Instabilität

Jennifer Wagner
17. Dezember 2018

Die Türkei glaubt, die USA würden Gülen bald ausliefern - doch so einfach ist die Gemengelage nicht. Zwar stehen sich mit Trump und Erdogan zwei Populisten gegenüber, aber ein US-Präsident kann nicht alles bestimmen.

Türkischer Präsident Erdogan und US-Präsident Trump (Foto: picture-alliance)
Verstanden sich in Buenos Aires gut: der türkische Präsident Erdogan (l.) und US-Präsident TrumpBild: picture-alliance/AA/Turkish Presidency/M. Cetinmuhurdar

Zwei egozentrische Elefanten bewegen sich in einem viel zu kleinen Porzellanladen - und ihre Angestellten versuchen ständig das Schlimmste zu verhindern. Trotzdem hinterlassen sie Unmengen an Scherben, die nur mit sehr viel Sekundenkleber wieder zusammengefügt werden können.

Solch ein Bild kann durchaus vor den Augen erscheinen, wenn man sich näher mit den türkisch-amerikanischen Beziehungen befasst. Zuletzt hat der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu auf einem Forum in Doha wieder einmal gefordert, die USA mögen den umstrittenen Prediger Fethullah Gülen ausliefern. Der brisante Teil seiner Antwort auf eine entsprechende Frage war jedoch: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan habe das Thema am Rande des G20-Gipfels in Buenos Aires vor zwei Wochen persönlich mit US-Präsident Donald Trump besprochen. Und: "Als wir uns das letzte Mal in Buenos Aires getroffen haben, hat Präsident Trump Erdogan gesagt, dass sie daran gearbeitet haben. Aber wir müssen konkrete Schritte sehen", so Cavusoglu.

Immer wieder im Mittelpunkt der Auseinandersetzung: Fethullah GülenBild: Reuters/C. Mostoller

Was bedeutet das aber? Sind das lediglich erneute diplomatische Spitzen oder ist wirklich etwas dran und die Amerikaner prüfen eine Auslieferung Gülens? Jenem türkischen Prediger, der seit 1999 im Exil in Pennsylvania lebt und dem die Türken vor allem eine Verstrickung in den Putsch-Versuch von 2016 nachsagen.

Persönliche Zusicherung, diplomatische Überhöhung?

Für den Türkei-Experten Kristian Brakel sind die Äußerungen Cavusoglus nur vermeintliche Neuigkeiten. "Das ist etwas, was die Türken gleich nach dem G20-Gipfel haben verlauten lassen. Die Amerikaner haben es gleich dementiert. Da wird also eigentlich nur eine alte Geschichte wieder aufgewärmt", so Brakel, der die Heinrich-Böll-Stiftung in Istanbul leitet. Er glaubt nicht, dass die USA tatsächlich an einer Auslieferung arbeiten, vielleicht interpretierten die Türken auch zu viel in Äußerungen Trumps hinein. "Es kann durchaus sein, dass Trump im persönlichen Gespräch mit Erdogan so etwas zugesagt hat. Das liegt aber auch an der Vorstellung, die Trump selbst davon hat, wie Politik funktioniert und vielleicht von einer Unkenntnis seines eigenen politischen Systems." Er sei eben ein Deal-Maker.

Aber: "Das amerikanische System besteht eben nicht nur aus Trump", so Brakel, auch wenn einige türkische Regierungsvertreter das immer noch hofften - immerhin funktioniert ihr politisches System derzeit genau so: mit einem Anführer an der Spitze, der einfach durchsetzt, was er für richtig hält. 

Trumps Interesse an einem gutem Verhältnis

In den türkisch-amerikanischen Beziehungen hakt es in jüngster Zeit immer wieder: das Gezerre um Pastor Brunson; türkische Vorwürfe, die USA steckten hinter dem Lira-Absturz; der Prozess in den USA gegen einen Manager der türkischen Staatsbank Halkbank - all das sind nur einige Beispiele. Aber insgesamt sei Trump an einem guten Verhältnis mit der Türkei gelegen, sagt Brakel, der vor kurzem noch in Washington zu Besuch war. "Es geht vor allem darum, dass man keinen weiteren Ärger mit den Türken bezüglich der Syrien-Strategie haben will. Da gibt es immer wieder Zusammenstöße."

Kristian Brakel leitet die Heinrich-Böll-Stiftung in IstanbulBild: picture-alliance/dpa/M. Redeligx

Das jüngste Beispiel: Präsident Trump billige den türkischen Militäreinsatz im Norden Syriens gegen Kurden-Milizen, teilte Erdogan mit. Erst vor wenigen Tagen hatte das US-Verteidigungsministerium jedoch erklärt, jede einseitige militärische Initiative in der Region sei inakzeptabel. Es bleibt also ein Hin und Her in der amerikanischen Außenpolitik - und ein Hin und Her zwischen Ministerium und Oval Office.

Aber genau jene Zusicherungen von Präsident zu Präsident erhoffen sich die Türken, ist Experte Brakel überzeugt. Im Fall Gülen verfügt Trump aber eben nicht über solche Macht, wie er und Erdogan es vielleicht gerne hätten. Zurück bleibt politische Unsicherheit in den türkisch-amerikanischen Beziehungen oder wie es Kristian Brakel ausdrückt: eine stabile Instabilität - auch, wenn die jüngsten Äußerungen Cavusoglus in der Türkei selbst kaum Beachtung gefunden haben. Immerhin bringen die Türken seit dem Putschversuch 2016 immer wieder diese Forderung vor.

Wie sich das Verhältnis weiter entwickelt, ist kaum vorhersehbar. Zu all den diplomatischen Machtspielen kommt nämlich noch ein nicht zu vernachlässigender Punkt hinzu: "Trump ist genauso wie Erdogan ein Populist", so Brakel. Und: "Als Populist muss man hin und wieder seinen Wählergruppen etwas bieten. Das treibt den Preis für Eskalationen nach unten: Eine Eskalation wird wahrscheinlicher, weil man sich innenpolitisch Gewinne erhofft. Und das ist nicht nur in der Türkei so, sondern auch in den USA."

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