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Die USA haben "Katrinas" Folgen noch nicht bewältigt

Daniel Scheschkewitz29. August 2006

Es war die schlimmste Naturkatastrophe in der Geschichte der USA: Der Hurrikan "Katrina" hinterließ 1600 Tote. Auch ein Jahr später hat sich die Stadt New Orleans nicht von der Katastrophe erholt.

Vor allem in den schwarzen Stadtteilen von New Orleans hat sich wenig getanBild: picture alliance /dpa

Rocky Vecarella, 41 Jahre alt, aus St. Bernard bei New Orleans, besuchte in der letzten Woche mit seinem Wohnwagen Präsident Bush, um ihn an die Not der Katrina-Opfer zu erinnern. Bush hatte im vergangenen Jahr im Anschluss an die Katastrophe schnelle und unbürokratische Hilfe versprochen. Auf dem Papier wurde das Versprechen gehalten. "Wir haben über 110 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt", hatte Bush kürzlich erklärt, "für Obdachlose, für Mietbeihilfen, für die Reparatur der Infrastruktur und für die Beseitigung der Trümmer."

George Bush spricht über den Wiederaufbau ein Jahr nach "Katrina"Bild: AP

Am Montag (28.8.2006) besuchte der Präsident das ehemalige Katastrophengebiet in den Südstaaten. Von den zugesagten 110 Milliarden sind inzwischen 77 Milliarden Dollar bereitgestellt worden, der Rest soll für künftige Verwendungen reserviert bleiben. "Es ist ein Jahrestag. Es ist nicht das Ende. Offen gesagt, es ist lediglich der Anfang", sagte Bush mit Blick auf die nötigen Wiederaufbaumaßnahmen in der Region.

Doch ein Großteil der Gelder ist noch nicht bei den Betroffenen angekommen. Viele warten noch immer auf irgendeine Form der Entschädigung, vor allem im Bundesstaat Louisiana, zu dem auch New Orleans gehört. An der Golfküste im Nachbarstaat Mississippi sind inzwischen 98 Prozent der Trümmer beseitigt worden. Dagegen bietet Louisiana dem Betrachter vieler Orte noch immer ein Bild der Zerstörung.

Wiederaufbau nur in den Geschäftsbezirken

Mehr als 50.000 Menschen im Großraum von New Orleans leben auch ein Jahr nach der Katastrophe noch immer zusammengepfercht in Wohnwagen, die von der viel gescholtenen Katastrophen-Management-Behörde FEMA bereitgestellt wurden. 15 Quadratmeter für eine vierköpfige Familie sind keine Seltenheit. 9000 Menschen warten selbst auf eine solche Notunterkunft auch heute noch.

Im Lower Ninth Ward, wo nach dem Bruch der Deiche eine sieben Meter hohe Flutwelle die Menschen und ihre Behausungen fortspülte, stapeln sich noch immer die Trümmer. Anders als in den Geschäftsbezirken von New Orleans ist von Wiederaufbau in dem traditionell schwarzen Stadtteil noch wenig zu spüren. Die Menschen warten, ob sie noch Geld vom Staat oder der Versicherung bekommen und darauf, dass die Deiche so hoch gebaut werden, dass man sich die Versicherungsprämien auch künftig leisten kann.

Viele Opfer erst nach dem Sturm

20 000 Menschen lebten im Stadtteil Lower Ninth Ward, gerade 1000 sind bisher zurückgekehrtBild: AP

Erst sollte im Lower Ninth Ward überhaupt nicht mehr gebaut werden, jetzt stellt es der neue Bebauungsplan den Bewohnern frei. Unter ihnen sitzt der Ärger über das Versagen der Bundesbehörden auch ein Jahr später noch immer tief. Viele der 1600 bisher gezählten Todesopfer starben nach dem eigentlichen Sturm. 700 Menschen werden noch immer vermisst. Dass 85 Prozent des Stadtgebietes von New Orleans überflutet wurden, war vor allem das Ergebnis der geborstenen Deiche, für die die Armee und damit die Bundesregierung die Verantwortung trug.

In Washington hatte sich Heimatschutzminister Michael Chertoff auch 130 Stunden nach dem Bruch der Deiche von dieser fatalen Entwicklung überrascht gezeigt. Zu Unrecht, wie die beiden Journalisten Christopher Cooper und Robert Block in ihrem gerade erschienen Buch "Disaster" belegen: "Wo die Informationsweitergabe an Chertoff versagte, war nicht am Boden in New Orleans, sondern im Dickicht seiner eigenen Behörde hier in Washington. Und auch jetzt ein Jahr später inmitten der neuen Hurrikan-Saison gibt es kein Anzeichen dafür, dass dieses Problem behoben ist."

Einwohnerzahl halbiert

Dass auch die Politiker und Behörden vor Ort eine Mitschuld trifft, vor allem wegen der mangelhaften Evakuierungspläne, ist heute unbestritten. Der Bürgermeister von New Orleans, Ray Nagin, wurde im Sommer trotzdem wiedergewählt. Nun wirbt er überall dort, wohin es die Katrina-Flüchtlinge verschlagen hat, für die Rückkehr in seine Mississippi-Stadt.

Vor dem Sturm hatte New Orleans 460.000 Einwohner. Ein Jahr später sind es weniger als die Hälfte. Wer in Houston oder anderswo eine Bleibe, eine Schule für seine Kinder und einen Job gefunden hat, den zieht es nicht mehr unbedingt zurück. Vor allem weil man weiß: Der nächste Hurrikan kommt bestimmt.

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