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Gesellschaft

Die vergessenen Mütter

11. Juli 2016

Die Weltbevölkerung wächst auf Kosten der Gesundheit von jungen Mädchen. In Entwicklungsländern wird fast jede fünfte Frau vor ihrem 18. Geburtstag Mutter. Die vergessenen Teenager sind Thema des Weltbevölkerungstages.

Zentralafrikanische Republik Mutter mit Baby (Foto: Getty Images/AFP/R. Kaze)
Bild: Getty Images/AFP/R. Kaze

Pro Sekunde wächst die Bevölkerung um etwa 2,6 Erdenbürger. Aus den derzeit 7,3 Milliarden Menschen werden in 15 Jahren laut UN-Weltbevölkerungsfonds UNFPA 8,5 Milliarden Menschen, im Jahr 2100 rund 11,2 Milliarden Menschen geworden sein.

Bessere Lebensumstände für Frauen und Mädchen könnten das ändern. Der aktuelle Weltbevölkerungstag rückt deshalb junge Frauen und Mädchen in den Fokus. "Investing in teenage girls" (In junge Mädchen investieren), lautet das Motto, das auch viele Hilfsorganisationen übernommen haben. Denn auch sie sehen in der Verbesserung von Perspektiven für junge Mädchen eine der wichtigsten Stellschrauben gegen Überbevölkerung.

Mit der Ausrufung eines Weltbevölkerungstages versuchen die UN seit 1989 auf die mit dem Bevölkerungswachstum verbundenen Probleme aufmerksam zu machen und die Rechte und Gesundheitsversorgung von Müttern zu stärken.

Stillen statt studieren

Besonders stark wächst die Bevölkerung in Entwicklungsländern - unter anderem aufgrund von ungewollten Schwangerschaften. "Jedes Jahr werden in Entwicklungsländern rund 74 Millionen Mädchen und Frauen ungewollt schwanger, vor allem weil es an Aufklärung und Verhütung mangelt und weil Frauen und Mädchen nicht gleichberechtigt sind“, sagt Renate Bähr, Geschäftsführerin der Stiftung Weltbevölkerung mit Sitz in Hannover.

So könnten mehr als 220 Millionen Frauen und Mädchen nicht verhüten, obwohl sie es möchten, sagt Bähr. Hauptgründe seien fehlende Gleichberechtigung, mangelnde Bildungschancen und Sexualaufklärung und fehlende Verhütungsmöglichkeiten.

Vor allem junge Frauen haben in vielen Entwicklungsländern bisher kaum Zugang zu Aufklärung und Verhütung. Eine der Folgen ist die immer noch hohe Anzahl von Teenagerschwangerschaften weltweit. Im Niger zum Beispiel sind die Zahlen seit 1960 mit 205 Geburten pro 1000 Mädchen im Alter zwischen 16 und 19 Jahren unverändert hoch (siehe Grafik). In Somalia stieg die Zahl der Geburten sogar von 55 auf 105 an.

Familienplanung? Fehlanzeige!

"Gerade junge Mädchen sind oft körperlich nicht ausreichend entwickelt, um eine Schwangerschaft ohne Komplikationen durchzustehen", erklärt Leonie Müßig von der Stiftung Weltbevölkerung. Komplikationen bei Schwangerschaft und Geburt seien daher in den Entwicklungsländern die zweithäufigste Todesursache bei Mädchen und Frauen zwischen 15 und 19 Jahren.

Aktuelle Zahlen der Vereinten Nationen (UN) zeigen, dass bereits geringe Unterschiede der durchschnittlichen Kinderzahl pro Frau einen erheblichen Einfluss auf die weltweite Bevölkerungsentwicklung haben können. Angenommen, die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau würde bis 2100 konstant auf dem heutigen Niveau von bei 2,5 Kindern liegen, würde die Weltbevölkerung zur Jahrhundertwende auf 26 Milliarden Menschen anwachsen.

Verhütung und sexuelle Aufklärung sind in vielen Ländern weiterhin tabuBild: Getty Images/AFP/S. Maina

In einer mittleren Berechnungsvariante gehen die UN davon aus, dass die weltweite durchschnittliche Kinderzahl bis zum Jahr 2100 auf zwei Kinder pro Frau sinken wird. Die Weltbevölkerung würde demnach bis zum Jahr 2100 auf 11,2 Milliarden Menschen anwachsen. Schon bei statistisch einem halben Kind weniger würden im Jahr 2100 nur noch 7,3 Milliarden Menschen auf der Erde leben.

Mehr Geld für Mädchen

Investitionen in Bildung und Aufklärung sind deshalb von Entwicklungsexperten extrem wichtig. "Gebildete Mädchen und Frauen könnten ihr Recht auf Selbstbestimmung und freiwillige Familienplanung besser wahrnehmen", erklärt Leonie Müßig von der Stiftung Weltbevölkerung.

Außerdem ginge mit besseren Chancen für Frauen auf dem Arbeitsmarkt auch eine Verringerung der Geburtenrate einher. "Wenn zudem durch bessere medizinische Versorgung mehr Kinder überleben, entscheiden sich Eltern eher für weniger Nachwuchs", so Müßig.

Hilfsorganisationen fordern von der Bundesregierung mehr Geld für Projekte, die Gesundheit und reproduktive Rechte von Frauen und Mädchen stärken. "Die Erhöhung des deutschen Entwicklungshilfeetats für das Haushaltsjahr 2017 ist ein Schritt in die richtige Richtung", kommentiert die Präsidentin von "Brot für die Welt", Cornelia Füllkrug-Weitzel, die jüngste Etat-Anhebung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ). Doch angesichts gewachsenen internationalen Herausforderungen sei die Aufstockung von derzeit 7,4 auf rund acht Milliarden Euro deutlich zu wenig.

Jeannette Cwienk Autorin und Redakteurin, Fokus unter anderem: Klima- und Umweltthemen
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