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Die virtuelle Bedrohung – wie schützen vor dem Krieg im Cyberspace?

Christina Bergmann8. Mai 2009

Was können die USA gegen virtuelle Angriffe tun? Melissa Hathaway weiß die Antwort. Die Spezialistin für Internetsicherheit hat dem US-amerikanischen Präsidenten Obama gleich 250 Empfehlungen aufgelistet.

Bild: picture-alliance/chromorange

Estland, im Frühjahr 2007. In Tallin wird die Statue eines russischen Soldaten umgesetzt. Die russische Bevölkerung protestiert, die diplomatischen Fronten zwischen Russland und Estland verhärten sich. Wenig später richten Computer auf der ganzen Welt ihre Datenströme auf die Banksysteme und Regierungswebseiten Estlands. Die Folge: Nichts geht mehr auf den Bildschirmen der Nutzer in Estland. Seiten frieren ein, sind nicht mehr zugänglich, Geldtransfers finden nicht statt.

Der Schaden dieses virtuellen Angriffs hielt sich in Grenzen – aber er zeigte der Weltöffentlichkeit zum ersten Mal, was im Zeitalter des Internets möglich ist. Und er machte auch klar: Die Angreifer sind nur schwer auszumachen. Ob tatsächlich die russische Regierung hinter den gezielten Attacken auf die estnischen Server steckte, wie von vielen Seiten vermutet, ist bis heute nicht bewiesen.

Attacken von allen Seiten

Fragt man Kevin Coleman von der Firma Technolytics, dann gibt es eigentlich kaum jemanden, der nicht an Cyberattacken beteiligt ist. Höchstens die wenigen Staaten und Gebiete , die gar keine Internetverbindung haben: "Zu jedem gegebenen Zeitpunkt werden Millionen und Abermillionen von Angriffen ausgeführt."

Hisbollah-Anhänger in BeirutBild: AP

Die Attacken kommen von allen Seiten, von abenteuerlustigen Hackern genauso wie von aggressiven Staaten oder auch von Terrororganisationen. So hat die radikalislamische Organisation Hisbollah in einer Pressemitteilung die Gründung ihrer Cybereinheit bekannt gegeben. "Es geht nicht nur um Angriffe, die wir abwehren müssen, sie führen eine regelrechte PR-Kampagne“, so Coleman.

Datenraub im großen Stil

Politische Propaganda ist das eine, der Diebstahl von Firmendaten oder Geld und andere Betrugsdelikte sind das andere. Und auch hier ist der Schaden enorm. Dennis C. Blair, der US-Geheimdienstkoordinator, erklärte im Februar vor einem Senatsausschuss, dass nach Schätzungen im letzten Jahr Firmen weltweit geistiges Eigentum in Höhe von einer Billion Dollar durch Datenraub verloren ging.

Doch die Firmen scheuen davor zurück, Anzeige zu erstatten oder gemeinsame Maßnahmen zu ersinnen, um den Angreifern zu begegnen. Sie haben Angst, Firmeninterna preisgeben zu müssen. Das größte Problem jedoch, so Coleman, sei unsere Bereitschaft, Datenraub einfach so hinzunehmen: "Im Internet tendieren die Leute dazu, zu sagen: Ach, das ist ja nur digitaler Kram. Doch dieser digitale Kram hat Wert. Und bevor wir nicht akzeptieren, dass wir etwas dagegen tun müssen, so wie wir das auch in der realen Welt tun würden, sind wir im Nachteil.“

Internationale Zusammenarbeit notwendig

Die US-Regierung hat längst erkannt, wie verletzlich das Land über die Datenleitungen ist und wie wichtig es ist, sie zu schützen, erklärt Austin Branch von der Abteilung für Informations-Koordinierung und Strategische Studien des Pentagon: "Unsere Wasserversorgung, die Elektrizitätsversorgung für Haushalte und Krankenhäuser zum Beispiel sind abhängig von diesem Netz, das von Computern betrieben wird. Unser ganzes Leben wird im wahrsten Sinne des Wortes von Computersystemen gesteuert."

Um dieses sensible System zu schützen, sei eine internationale Zusammenarbeit notwendig, sagt er. Denn im Zeitalter des Internets gelten Ländergrenzen nicht mehr. Was in den USA passiert, hat Auswirkungen auf die ganze Welt. Die Finanzkrise ist nur das jüngste Beispiel. Außerdem betreiben viele Länder hier ihre Server. Die USA sind auch für deren Schutz zuständig.

Russland besiegt Georgien auch im Internet

Russischer Soldat in Süd-OssetienBild: AP

Nicht nur im Alltag, auch in einem konventionellen Krieg spielen die modernen Medien mittlerweile eine große Rolle. Süd-Ossetien, August 2008. Noch bevor die ersten Schüsse fallen und die russischen Panzer durch Georgien rollen, sind die georgischen Internetserver unter fremder Kontrolle. Die Webseiten der Regierung funktionieren nicht mehr. Gleichzeitig stören Georgier und Russen Radio- und Fernsehprogramme der jeweils anderen Seite. Die Folge: die georgische Regierung ist mundtot. Die Russen hätten deshalb von dem Krieg im Cyberspace mehr profitiert, erklärt Rafal Rohozinski von der "SecDevGroup", der den Vorfall untersucht hat: "Indem das georgische Internet zum Schweigen gebracht wurde, es der georgischen Regierung unmöglich gemacht wurde, mit der eigenen Bevölkerung zu kommunizieren, haben die Russen ein Informationsvakuum geschaffen, dass ihnen auch Vorteile im richtigen Krieg verschaffte.“

Allerdings ist bis heute nicht klar, ob die russische Regierung hinter dem Angriff stand – oder ob sie von den Handlungen einzelner Aktivisten profitierte. Ein Nachweis ist kaum zu führen. Denn auch im Cyberspace ist es möglich, unter falscher Flagge zu segeln. Rohozinski ist zum Beispiel überzeugt, dass nicht alle Angriffe, die über chinesische Computer laufen, tatsächlich auch von Chinesen oder der chinesischen Regierung initiiert sind. Die Lehre aus den Ereignissen im August 2008 aber ist klar: "Ein Krieg, der nur im Cyberspace geführt wird, ist wahrscheinlich nicht zu gewinnen, das reicht nicht aus. Allerdings glaube ich, dass in Zukunft physische Kriege immer auch eine wichtige Cyber-Komponente haben werden."