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Die Ware Frau

Ulrike Mast-Kirschning / (pt)25. November 2002

Weltweit sind Frauen Opfer von Gewalt. Eine Form ist die Zwangsheirat. Auch in Deutschland werden Frauen und Mädchen gezwungen, sich gegen ihren Willen zu verheiraten.

Zwangsheirat ist ein globales ProblemBild: AP

"Nein zur Gewalt an Frauen!" - mit dieser Aufschrift wehen in rund 800 Städten und Gemeinden in Deutschland am 25. November 2002 die Fahnen von "Terre des Femmes". Die Menschenrechtsorganisation setzt sich dafür ein, dass Frauen und Mädchen ein selbstbestimmtes Leben führen können. "Zwangsheirat" ist das Thema der Aktion: Vor allem Migrantinnen sind mit dieser Form von Gewalt im eigenen Familienkreis konfrontiert: Die Braut als Im- und Exportware zum Beispiel für türkische Männer. Bisher ein wenig bekanntes Phänomen in der deutschen Öffentlichkeit.

Heirat durch Entführung?

Die Kampagne startete vor zwei Jahren, nachdem sich immer mehr betroffene Frauen in Beratungsstellen meldeten und von Zwangsheirat berichteten, so Rahel Volz von "Terres des Femmes". Auch Lehrerinnen erzählten von zwangsverheirateten Mädchen. So kann es passieren, dass Mädchen in Deutschland zur Schule gehen und nach den Sommerferien nicht mehr zurückkehren. Zwar sei das eine Vermutung, meint Volz. "Die Mädchen werden auf jeden Fall von der Schule abgemeldet, von einem Tag auf den anderen. Es wird nichts angekündigt." Nach einheitlichen Berichten von Lehrerinnen und Lehrern, eine sehr "gängige Vorgehensweise".

Ohne abgeschlossene Schul- und Berufsausbildung leben sie dann im Herkunftsland der Eltern: In einem Land, in dem sie nicht aufgewachsen sind, nie zuvor gelebt haben und nun als Frau eines oft wesentlich älteren Mannes, den sie noch nie zuvor gesehen haben. Mädchen, die versuchen sich zu widersetzen, werden mit dem Argument der sogenannten "Familienehre" erpresst oder mit Prügel und Hausarrest in ihr Schicksal gezwungen, so "Terres des Femmes".

Legitimes Ticket

Eine Zwangsheirat kann auch als eine Art Einwanderungsticket für die Landsleute dienen. In Deutschland geboren und aufgewachsen, werden die Mädchen zur Heirat gezwungen, um dem Ehemann das Aufenthaltsrecht zu verschaffen.

Die größte Migrantengruppe in Deutschland komme aus der Türkei. Zwangsheirat sei allerdings kein türkisches Phänomen. Die zwangsverheirateten Mädchen stammen auch aus Albanien, Marokko, oder den afrikanischen Ländern." Auch christliche Familien zwangsverheiraten die eigenen Kinder. Eine Legitimierung der eigenen Religion, meint Volz: "Aber der Grund liegt eher in traditionellen, patriarchalen Strukturen."

Hilfe durch Unterricht

Mit Büchern und Broschüren versucht "Terres de Femmes", den betroffenen Mädchen und Frauen konkrete Hilfe anzubieten. Die Kenntnis der Rechtslage, der Gang zur Beratungsstelle oder zur Polizei: Das alles setzt jedoch voraus, dass sich die Betroffenen verständigen und deutsche Texte auch lesen können. In Zukunft müsse daher für Migrantinnen Unterricht in deutscher Sprache praktisch verpflichtend sein, fordert die Hilfsorganisation.

Wie viele Fälle von Zwangsheirat es in Deutschland gibt, weiß zur Zeit niemand genau. Von mehreren tausend spricht "Terre des Femmes". Höchster Handlungsbedarf für die deutsche Regierung, eine systematische Untersuchung über Art und Umfang der Fälle in Auftrag zu geben, um gezielte Maßnahmen zur Verhinderung dieses Gewaltphänomens entwickeln zu können.

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