Die Wartburg in Eisenach ist Schauplatz der Nationalen Sonderausstellung "Luther und die Deutschen". Sie erinnert an 500 Jahre Reformation. Und sie fragt nach der Beziehung zwischen dem Reformator und "seinen" Deutschen.
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Freiheitsheld oder Fürstenknecht? - "Luther und die Deutschen"
Das Bild des Reformators Martin Luther hat viele Facetten. Die Ausstellung "Luther und die Deutschen" auf der Wartburg in Eisenach fächert sie auf.
Bild: picture-alliance/akg-images
Luther mit Hammer und Nägeln
Hat Luther wirklich seine 95 Thesen am Hauptportal der Wittenberger Schlosskirche angeschlagen? Darüber streiten sich die Reformationshistoriker auch 500 Jahre später noch. Luther selbst hat einen Thesenanschlag nie erwähnt. Den belgischen Historienmaler Ferdinand Pauwels beeindruckte die unsichere Faktenlage wenig. Er bildete den Reformator mit Hammer und Nägeln ab.
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Der Drohbrief des Papstes landete im Feuer
"Exsurge Domine" ("Erhebe Dich, Herr") überschrieb Papst Leo X seine päpstliche Bannandrohungsbulle vom 15. Juni 1520. Darin fordert er Martin Luther auf, die meisten seiner 95 Thesen zurückzunehmen. Andernfalls drohte er mit Kirchenausschluss. Der Reformator aber ließ sich nicht beirren - und warf die Bulle ins Feuer.
Bild: picture-alliance/dpa/P. Endig
Jede Epoche machte sich ihr Bild von Luther
Freiheitsheld oder Fürstenknecht? Das Bild der Deutschen von Martin Luther wechselte mit der politischen Großwetterlage. Selbst die Nazis und später die DDR-Oberen nahmen den Reformator für ihre Ziele in Beschlag. Das 1895 in Eisenach eingeweihte Denkmal erinnert an Luthers Aufenthalt auf der Wartburg. Dort übersetzte er in nur zehn Wochen das Neue Testament der Bibel ins Deutsche.
Bild: picture-alliance/ZB
Luther in der Hölle
Die Glaubenskämpfe des 16. bis 18. Jahrhunderts ließen auch die Künstler nicht kalt. Die protestantische Propaganda um Lucas Cranach setzte dem Papst mit derben Sujets zu. Die katholische Seite konterte etwa mit Egbert II van Heemskercks Spottbild "Luther in der Hölle“. Der Reformator erscheint umgeben von furchterregenden Monstern, höllischen Dämonen und Teufeln am Eingang der Hölle.
Bild: Internationales Museum der Reformation, Genf
Der Sündenfall auf der Taufschüssel
Adam und Eva verzehren die verbotene Frucht vom Baum der Erkenntnis. Nach christlichem Verständnis ist der "Sündenfall" zwar ein symbolisches Ereignis, das aber nicht nur Theologen, Philosophen und Gläubige beschäftigt, sondern zu allen Zeiten auch die Künstler. Diese Taufschüssel stammt aus der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts. In der Luther-Schau auf der Wartburg ist sie einer der Höhepunkte.
Bild: Wartburg- Stiftung Eisenach, Kunstsammlung
Lasset die Kindlein zu mir kommen
Lucas Cranach der Ältere (1472-1553) war nicht nur einer der bedeutendsten Maler der deutschen Renaissance. Er war auch Maler der Reformation und zählte zu den Freunden Martin Luthers. Als Unternehmer führte er einen großen Werkstattbetrieb für Tafel- und Buchmalerei sowie Druckgraphik in Wittenberg. In diesem Gemälde zeigt er Christus unter jungen Frauen, die ihm ihre Kinder zum Segnen darbieten.
Bild: Angermuseum Erfurt
Luther - das Gesicht der Reformation
Lucas Cranach d.Ä. malte dieses "Bildnis des Hans Luther" (Luthers Vater) um 1527. Seiner Werkstatt entstammen zahlreiche Gemälde des Reformators. Ganze Serien entstanden. Heute gelten sie als Meisterwerke der Porträtkunst jener Zeit. Da erscheint Luther mal als unbeugsamer Mönch, mal als Junker Jörg mit Vollbart, dann wieder als Gelehrter. In jedem Fall gab Cranach der Reformation ein Gesicht.
Bild: Wartburg-Stiftung Eisenach, Kunstsammlung
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Wer war und wer ist dieser Martin Luther? Die Schau gibt Antworten, indem sie Luther als nationale deutsche Symbol- und zugleich Projektionsfigur beleuchtet. Fünf Jahrhunderte nach Luthers Thesenanschlag an der Schlosskirche zu Wittenberg formuliert die Ausstellung diese These: Jede historische Epoche prägte ihr ganz eigenes Lutherbild. "Für die einen war er der Prophet der Deutschen, der Befreier, Held und Identitätsstifter, für die anderen der cholerische Grobian, der Schandvogel, der Separatist", so Kurator Marc Höchner.
In drei große Themenbereiche gliedert sich die Schau: Zum einen rückt sie die Lutherstätte Wartburg als deutschen Erinnerungsort in den Mittelpunkt. Zum andern spürt sie den kultur- und geistesgeschichtlichen Folgen der protestantischen Lehre Luthers nach. Und schließlich zeigt die Ausstellung, wie der Reformator in jeder Epoche politisch instrumentalisiert worden ist - mal als Freiheitsheld, mal als Fürstenknecht.
Hinter dicken Mauern übersetzte Luther die Bibel
Die Wartburg in Eisenach, mit jährlich 350.000 Besuchern heute die meistbesuchte Lutherstätte weltweit, ist dabei Ausstellungskulisse und historisches Exponat zugleich. Ein knappes Jahr lang schützten ihre dicken Mauern den Reformator, als er - nach dem Wormser Reichstag von 1521 geächtet und unter Kirchenbann stehend - das neue Testament ins Deutsche übertrug. Damit legte er das Fundament für eine einheitliche deutsche Schriftsprache.
Die Ausstellung will zeigen, wie im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) plötzlich konkurrierende Konfessionen Grund für die Auseinandersetzungen waren. Erst danach sei Luther allmählich von seiner Theologie gelöst betrachtet und als Schöpfer der deutschen Sprache gefeiert worden, der damit das deutsche Volk geeint habe.
Die DDR stilisierte Luther zum frühen Revolutionär
Während der Befreiungskriege gegen Napoleon, anschließend etwa im Wartburgfest der Burschenschaften 1817, avancierte der Reformator zum Freiheitshelden. Im Wilhelminischen Kaiserreich geriet er zum Urbild des Deutschen und nationalen Heros. Selbst für die Durchhalteparolen im Ersten Weltkrieg taugte Luther, später auch als "Gewährsmann" für den Antisemitismus der Nationalsozialisten. Und selbst das atheistische DDR-Regime stilisierte ihn 1983 zum Initiator einer frühbürgerlichen Revolution.
Über mehr als eintausend Quadratmeter erstreckt sich die Ausstellungsfläche. Rund 300 Exponate - von Gemälden und Druckwerken über Skulpturen, Graphik und Alltagsgegenstände - illustrieren die wissenschaftliche Arbeit internationaler Luther-Experten. Das Sächsische Staatsarchiv steuerte als Leihgabe die sogenannte "Bann-Androhungsbulle" bei. Es ist ein handschriftliches Original der päpstlichen Urkunde von 1520. Luther verbrannte sie öffentlich und zog damit den eigentlichen Kirchenbann auf sich.
Ein umfassender Katalog begleitet das ambitionierte Ausstellungsprojekt, das sich einreiht in zwei weitere Nationale Sonderausstellungen: "Der Luther-Effekt. 500 Jahre Protestantismus in der Welt" im Deutschen Historischen Museum in Berlin sowie "Luther! 95 Schätze – 95 Menschen" in Wittenberg.
sd/kk (dpa/KNA/epd/ Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt)
TV-Thementag: 500 Jahre Reformation. Alles rund um Martin Luther und die Reformation am 31.10.2017 einen ganzen Tag lang bei DW Deutsch und in unserem Online-Special auf dw.com/kultur. Beginn 6 Uhr UTC ( 7 Uhr MEZ). Livestream: http://www.dw.com/de/media-center/live-tv/s-100817